Die lange Transformation. Ostdeutschland dreißig Jahre nach der Friedlichen Revolution
Allem Gejammer zum Trotz: Aus einem kleinen, eingemauerten Land ist ein lebendiger Teil Gesamtdeutschlands geworden. Aber es ist eine Erfolgsgeschichte mit vielen ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ und so gibt es immer noch nicht – dreißig Jahre nach der Friedlichen Revolution – die eine Erzählung, auf die sich alle einigen könnten. Ost- und Westdeutsche, ehemalige Systemkritiker und damalige Funktionäre, Ältere, die sich in der DDR angepasst hatten, Oppositionelle und junge Menschen, die um das Jahr 1989 geboren wurden, blicken aus ihrer jeweils ganz eigenen Perspektive auf die lange gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Transformation in den neuen Bundesländern.
Allem Gejammer zum Trotz: Aus einem kleinen, eingemauerten Land ist ein lebendiger Teil Gesamtdeutschlands geworden. Aber es ist eine Erfolgsgeschichte mit vielen ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ und so gibt es immer noch nicht – dreißig Jahre nach der Friedlichen Revolution – die eine Erzählung, auf die sich alle einigen könnten. Ost- und Westdeutsche, ehemalige Systemkritiker und damalige Funktionäre, Ältere, die sich in der DDR angepasst hatten, Oppositionelle und junge Menschen, die um das Jahr 1989 geboren wurden, blicken aus ihrer jeweils ganz eigenen Perspektive auf die lange gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Transformation in den neuen Bundesländern.
Und so wird im vereinigten Deutschland diskutiert – etwa darüber, ob es so etwas wie eine ostdeutsche Mentalität, also den Ostdeutschen oder die Ostdeutsche, überhaupt gibt. Stefan Wolle, Publizist und wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums, hat seine Zweifel: Bei denen aus der älteren Generation, die mit der Friedlichen Revolution einen für sie selbst schmerzhaften Statusverlust erlitten haben, mag es zu einer Selbstidentifikation als (benachteiligte) Ostdeutsche gekommen sein. Auf die 1989 oder später Geborenen trifft dies seiner Beobachtung keinesfalls mehr zu, wie er in einem Interview sagt. Die jungen Menschen erlebe er als offen und neugierig auf die Welt.
Dennoch sprechen die Anzeichen dafür, dass die Transformation der neuen Bundesländer unabgeschlossen ist, ein erster Eindruck davon wird in dem Dossier „Datum der Fertigstellung: unbekannt“ vermittelt. Herauslesen lässt sich ein ostdeutsches Spezifikum: Zwar gibt es auch im Westen Deutschlands strukturschwache Regionen und Städte wie Teile des Ruhrgebiets oder Bremen. Im Osten aber wird die eigene Situation insofern eher als eine strukturell benachteiligte angesehen, als es zu den langfristigen Folgen des Systemwechsels gehört, dass Immobilien und Unternehmen überwiegend nicht den Menschen aus der eigenen Region, sondern denen aus dem Westen gehören. Ebenso werden viele wichtige Positionen in Staat und Justiz von Menschen mit westdeutscher Herkunft ausgefüllt. Der unmittelbar nach dem November 1989 dringend notwendige Elitenaustausch, mit dem maßgeblich Vertrauen in das westliche System aufgebaut wurde (so die These nicht nur von Richard Schröder), hat sich in einer Unterrepräsentation von Ostdeutschen in Führungspositionen dauerhaft verfestigt. Petra Köpping erklärt damit in ihrem Buch „Integriert doch erst einmal uns!“ das Gefühl vieler Ostdeutscher, fremdbestimmt zu sein. Eine Rezension dazu findet sich in dem Themenschwerpunkt „Die Anfeindung“, in dem die neuen Bundesländer hinsichtlich des dort virulenten Rechtspopulismus und Rechtsextremismus als Teil des postsowjetischen Raumes eingeordnet werden. In jenen Beiträgen zeigt sich allerdings, dass der im Vergleich zum Westen Deutschlands hohe Zuspruch zu Positionen, die signifikant rechts von der politischen Mitte liegen und deren gemeinsamer Nenner der Rassismus ist, nicht allein über wirtschaftliche Faktoren zu erklären ist – auch die langen Pfade der politischen Kultur und die Nachwirkung der in der DDR verhinderten Modernisierung der Gesellschaft dürfen nicht ausgeklammert bleiben.
In diesem Themenschwerpunkt aber sollen – neben einer Bestandsaufnahme der Transformation – diejenigen im Mittelpunkt stehen, die sich vor und nach 1989 für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben und es weiterhin tun. Denen, die in der DDR den Mut zur Opposition hatten und/oder dann im vereinigten Deutschland Verantwortung übernommen haben, ist die Auswahlbibliografie „Eigensinn und Gestaltungswille“ gewidmet. Daran schließt die Zusammenstellung „Die Freiheit bleibt der Auftrag“ an, in der mit ausgewählten Kurzanalysen die politische Kultur und das politische Engagement in Ostdeutschland gespiegelt werden. „Im Netz und im Museum“ bietet einen kursorischen Überblick über Angebote im Bereich der Politischen Bildung zur Friedlichen Revolution und zur musealen Erinnerung an die DDR und insbesondere an das Ministerium für Staatssicherheit. Außerdem wird das Jahr 1989 in der DDR und seine Vorgeschichte in der Auswahlbibliografie „Die Friedliche Revolution“ nachgezeichnet.
Weitere Beiträge folgen.
Demokratie und Frieden
Belletristik
Peter Richter
89/90
München, Luchterhand Literaturverlag 2015
Eugen Ruge
In Zeiten des abnehmenden Lichts
Reinbek, Rowohlt Verlag 2011
Lutz Seiler
Kruso
Berlin, Suhrkamp/Insel 2015
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