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Armut messen – aber wie? Zahlen, Daten, Fakten und ihre Interpretation

23.07.2018
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Anke Rösener, Diplom-Politologin

big data Foto wynpnt pixabayDas Phänomen der Armut lässt sich nicht alleiln mit einer Kennziffer abbilden. Foto: wynpnt (pixabay)

 

Grundsätzlich wird in der Forschung zwischen absoluter und relativer Armut unterschieden. Absolut arm ist, wer seine Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Wohnen nicht befriedigen kann. In Wohlstandsgesellschaften wie Deutschland ist diese zwar auch anzutreffen, vornehmlich geht es dort aber um die relative Armut. Danach gelten Menschen mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens als arm oder armutsgefährdet. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes lebten damit im Jahr 2015 in Deutschland 15,7 Prozent der Bevölkerung in relativer Armut. Dieses Konzept der Einkommensarmut ist in der Forschung und Praxis teils strittig, doch die Sozialberichterstattung in Europa bezieht sich weitgehend auf diese Definition. In welchem Ausmaß Deutschland von Armut betroffen ist und wie sich diese entwickelt hat, lässt sich aber nicht allein mit einer Kennziffer ausmachen – erhobene Daten sind interpretationsbedürftig und die Veröffentlichung von Armutszahlen ist vielfach Gegenstand von Debatten, in denen Vorwürfe der Skandalisierung auf jene der Verharmlosung treffen. In dieser Zusammenschau werden daher unterschiedliche Daten, Berechnungen und Analysen vorgestellt, die insgesamt einen Eindruck von Armut, sozialer Ungleichheit und prekären Lebenslagen im Wohlstandsland Deutschland sowie den unterschiedlichen Positionen hierzu vermitteln sollen.

Die Beiträge sind in absteigender chronologischer Reihenfolge sortiert. Die Übersicht wird kontinuierlich ergänzt.

 


Dorothee Spannagel / Katharina Molitor
Einkommen immer ungleicher verteilt. WSI-Verteilungsbericht 2019
Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Report 53, Oktober 2019

Die Einkommensungleichheit in Deutschland hat weiter zugenommen, wie dieser Bericht zeigt. Während nach dem Jahr 2005 Anstieg der Ungleichheit vorerst stark abgeschwächt war, wächst diese seit 2010 wieder deutlich, „und das ungeachtet der guten konjunkturellen Rahmenbedingungen sowie der äußerst günstigen Arbeitsmarktlage. Die Analysen belegen, dass die Entwicklung der Einkommen an den Rändern der Verteilung für die erneute Zunahme der Ungleichheit verantwortlich ist.“ (1) Hier gelte es anzusetzen, um eine tief greifende Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, schreiben die Autorinnen. Sie schlagen unter anderem Steuererhöhungen für Haushalte am oberen Ende, die Erhöhung des Mindestlohns und eine Stärkung der Tarifbindung vor.



Mona Förtsch / Joachim Ragnitz
Regionale Armut: Auf die Perspektive kommt es an
In: Ifo Dresden berichtet 6/2018: 3-6

„In Deutschland herrscht im Hinblick auf die nationale relative Einkommensarmut ein starkes Ost-West-Gefälle. Die neuen Bundesländer sind stärker betroffen, wenn man das bundesdurchschnittliche Einkommensniveau als Vergleichsmaßstab heranzieht. Das Bild ändert sich jedoch fundamental, wenn man regionale Besonderheiten berücksichtigt“ (6), wie Mona Förtsch und Joachim Ragnitz in ihrem Aufsatz anhand unterschiedlicher Schwellenwerte aufzeigen.



Dorothee Spannagel
Dauerhafte Armut und verfestigter Reichtum. WSI-Verteilungsbericht 2018
Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Report 43, November 2018

Wie hat sich der Anteil der Bevölkerung, der dauerhaft unter der Armutsgrenze bzw. in Reichtum lebt, entwickelt? Mit der Analyse der Daten des SOEP für den Zeitraum von 1991 bis 2015 zeigt die Autorin, dass sich sowohl die Armut als auch der Reichtum verfestigt haben. Beide Entwicklungen gefährden den sozialen Zuammenhalt: „Wer dauerhaft in Armut lebt, läuft Gefahr, massiv in seiner sozialen Teilhabe eingeschränkt zu sein. Verfestigter Reichtum wiederum droht zu einem geschlossenen Zirkel zu werden, der sich zunehmend von der Mitte der Gesellschaft entfernt. Um einen solchen Drift in zweierlei Richtungen zu vermeiden und insbesondere dauerhafte Armut zu bekämpfen, sind bildungs- und arbeitsmarktpolitische Reformen ebenso notwendig wie Maßnahmen, welche die soziale Durchmischung aller Bevölkerungsgruppen fördern.“



Eric Seils / Jutta Höhne
Einkommensarmut in Deutschland erreicht neuen Höchststand. Eine Kurzauswertung aktueller Daten des Mikrozensus 2017
Hans-Böckler-Stiftung, WSI Policy Brief 26, August 2018

Eric Seils und Jutta Höhne setzen ihre Analysen zur Einkommensarmut und Migration fort. Sie zeigen anhand neuer Daten des Statistischen Bundesamtes, dass der Anstieg der relativen Einkommensarmut in den vergangenen Jahren auf die Einwanderung zurückzuführen ist. Die Armut unter der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sei hingegen leicht zurückgegangen.



Paolo Brunori, Paul Hufe und Daniel Mahler
Wurzeln der Ungleichheit. Ist Ungleichheit gleich ungerecht?
ifo Institut, ifo Schnelldienst 05/2018: 18-22

In der Debatte über soziale Gerechtigkeit wird unter anderem die Idee der Chancengerechtigkeit als Ziel proklamiert. Doch wann kann man von einer chancengerechten Gesellschaft sprechen und wie lässt sich diese erfassen? Die Autoren skizzieren in diesem Beitrag eine neue Methode für die Messung von Chancengerechtigkeit, die sich auf die „Nutzung von Algorithmen des maschinellen Lernens“ stützt.



Marcel Helbig / Stefanie Jähnen:
Wie brüchig ist die soziale Architektur unserer Städte? Trends und Analysen der Segregation in 74 deutschen Städten
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB Discussion Paper P 2018-001, Mai 2018

Gegenstand der Analyse ist die räumlich ungleiche Verteilung der Wohnstandorte verschiedener Bevölkerungsgruppen in deutschen Städten. Untersucht werden „alle drei Dimensionen der residenziellen Segregation: die soziale, die ethnische und die demografische“ Zusammenfassend zeigt sich, , dass sowohl soziale Gruppen – und hier besonders jene mit Kindern – sowie bestimmte Altersgruppen zunehmend seltener Tür an Tür miteinander wohnen. Inwieweit diese wachsende Spaltung deutscher Städte die Lebenschancen insbesondere der jungen Generation und den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigt, muss weitere Forschung zeigen.“ (I f.)



Maurizio Bussolo / Jonathan Karver / Luis-Felipe López-Calva
Is there a middle-class crisis in Europe?
Brookings Institution, Future Development, 22. März 2018

Die Autoren blicken in ihrem kurzen Blogbeitrag auf die Entwicklung der Mittelschicht in der EU. Unabhängig von verschiedenen Messmethoden sei ihre Größe weitgehend konstant geblieben. Das eigentliche Problem in der Debatte über die Krise der „Mitte“ zeige sich darin, dass sich ihr Profil verändert habe und sie verletzbarer geworden sei. Das Risiko, in die Armut zu fallen, sei für einen Teil der Mittelschicht deutlich gestiegen.



Michael Dauderstedt / Cem Keltek
Europas Armut und Ungleichheit. Unterschätzt, aber zuletzt leicht gesunken
Friedrich-Ebert-Stiftung, WISO direkt, 13/2018

Die Autoren legen auf der Basis von Eurostat-Daten neuere Schätzungen zur sozialen Ungleichheit in Europa vor. Im Unterschied zu den Eurostat-Auswertungen wenden sie eine Methodik an, die die innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Einkommensunterschiede berücksichtigt und die in den offiziellen Statistiken bestehende nationalzentrierte Sicht überwindet. „Die so berechneten Werte liegen deutlich höher als die offiziellen Angaben“, schreiben die Autoren. Zwar sei die Ungleichheit europaweit von 2015 auf 2016 leicht zurückgegangen, doch dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 140 Millionen Menschen in Europa von Armut bedroht seien. Die Autoren sprechen von einer offiziell unterschätzen Dimension des Problems, dem durch entschiedenere Maßnahmen begegnet werden müsse, „wenn man Europa vor dem Zerfall bewahren will“.



Markus M. Grabka / Jan Goebel
Realeinkommen sind von 1991 bis 2014 im Durchschnitt gestiegen – erste Anzeichen für wieder zunehmende Einkommensungleichheit
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Wochenbericht 21/2018

„Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland sind von 1991 bis 2014 real, also unter Berücksichtigung der Preisentwicklung, um zwölf Prozent gestiegen. Das zeigt die vorliegende Studie, die auf Daten der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) basiert. Die Entwicklung verlief jedoch je nach Einkommensgruppe sehr unterschiedlich: Während die mittleren Einkommen um mehr als acht Prozent stiegen, legten die höchsten Einkommen um bis zu 26 Prozent zu. Die unteren Einkommen gingen hingegen real zurück. Folglich hat die Einkommensungleichheit insgesamt zugenommen – insbesondere in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre, in den Jahren von 1999 bis 2005 sowie in der Zeit ab 2009. Zwischenzeitlich stagnierte sie oder sank sogar. Auch das Risiko, arm zu sein, ist zuletzt wieder gestiegen.“ Der effektivste Schutz gegen Einkommensarmut sei zwar immer noch die Erwerbstätigkeit, doch, so heben die Autoren hervor, sind auch „erwerbstätige Personen armutsgefährdet. Dem entgegenwirken könnte eine Eindämmung des Niedriglohnsektors, etwa indem die Privilegierung von Minijobs mit Blick auf Steuern und Sozialabgaben aufgegeben wird. Zudem sollten Alleinerziehende nicht länger steuerlich gegenüber Paarhaushalten benachteiligt werden – dies könnte auch das Armutsrisiko von Kindern reduzieren.“ (Einleitung)



Jan Marvin Garbuszus / Notburga Ott / Sebastian Pehle / Martin Werding
Wie hat sich die Einkommenssituation von Familien entwickelt? Ein neues Messkonzept
Bertelsmann Stiftung, Februar 2018

„In den letzten 25 Jahren lagen die Einkommen von Familien in Deutschland im Durchschnitt unter denen von Paaren ohne Kinder. Dabei verschlechtert sich tendenziell mit jedem weiteren Kind die Wohlstandsposition von Familien. Zudem sind Familien noch stärker von Armut und Armutsrisiken betroffen als es bisher bekannt war. Die soziale Ungleichheit in Deutschland ist damit größer als bislang angenommen.“ (6) Die so im Vorwort der Studie skizzierten Befunde basieren auf einem neuen Messkonzept, mit dem die Autor*innen Verzerrungen und Vereinfachungen in der Einkommens- und Verteilungsforschung korrigieren wollen: Im Unterschied zu der bisher gebräuchlichen einkommensunabhängigen OECD-Skala haben die Wissenschaftler*innen der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum einkommensabhängige Äquivalenzskalen für verschiedene Haushaltstypen ermittelt. Diese neuen Skalen wurden auf die SOEP-Daten angewendet; dabei zeigten sich in der Entwicklung der Familieneinkommen für den Zeitraum 1992 bis 2015 einige bekannte, aber auch neue, bislang nicht beachtete Trends. Vor diesem Hintergrund erfolgt außerdem eine Analyse der familienpolitischen Instrumente mit Schlussfolgerungen für die künftige Sozial- und Familienpolitik.



Eric Seils / Jutta Höhne
Relative Einkommensarmut und realer Mangel. Eine Kurzauswertung aktueller Daten von Eurostat
Hans-Böckler-Stiftung, WSI Policy Brief 16, November 2017

Die Eurostat-Daten über Armutsgefährdungsquoten bestätigen weitgehend die Befunde der auf dem Mikrozensus basierenden amtlichen Sozialberichterstattung. Interessant seien die Daten vor allem deshalb, „weil sie eine Antwort auf die Frage bieten, inwiefern relative Einkommensarmut finanziell bedingten Mangel zur Folge hat.“ Die Befunde über Entbehrungen bei langlebigen Gebrauchsgütern oder im Bereich Wohnen verdeutlichen, dass relative Einkommensarmut eine Teilhabe am gesellschaftlichen „Mainstream“ erschwert.



Eric Seils / Jutta Höhne
Armut und Einwanderung. Armutsrisiken nach Migrationsstatus und Alter – Eine Kurzauswertung aktueller Daten auf Basis des Mikrozensus 2016
Hans-Böckler-Stiftung, WSI Policy Brief 12, August 2017

„Die Auswirkungen der Flüchtlingswelle des Jahres 2015 sind ein wichtiger Aspekt der verteilungspolitischen Debatte. […] Mit den jüngst erschienenen Daten des Statistischen Bundesamtes […] auf der Basis des Mikrozensus 2016 liegen erstmals amtliche Zahlen vor, die die unmittelbaren Konsequenzen der Einwanderung auf die Verbreitung von Armut in Deutschland adäquat abbilden können. In dieser Kurzauswertung werden einige zentrale Aspekte durch einen Vergleich der Armutsentwicklung unter der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund herausgearbeitet.“ (1)



Peter Krause / Christian Franz / Marcel Fratzscher
Einkommensschichten und Erwerbsformen seit 1995
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Wochenbericht 27/2017: 551-563

Die Analyse der Entwicklung der Erwerbsbeteiligung in Deutschland zeigt, dass diese in den vergangenen zwanzig Jahren zwar insgesamt zugenommen hat, doch haben sich die Einkommensschichtung und die Erwerbsformen deutlich verschoben. Insgesamt ergibt sich ein „Bild der gestiegenen Ungleichheit: Sowohl die unteren als auch die oberen Einkommensschichten sind angewachsen. Gleichzeitig gab es immer weniger Menschen in Deutschland, die über Haushaltseinkommen rund um das Medianeinkommen verfügten.“ (554) Deutlich wird auch: „In der ‚Mitte‘ arbeiten heute weniger Leute in solchen typischen Beschäftigungsverhältnissen, als es noch vor 20 Jahren der Fall war.“ Besonders in den unteren Einkommensschichten haben atypische Erwerbsformen mit niedrigen Löhnen stark zugenommen. Der Beschäftigungsanstieg der vergangenen Jahre reiche allein nicht aus, so die Schlussfolgerung der Autoren, „um allen in der Gesellschaft Wohlstand und Teilhabe zu ermöglichen“ (560).



Deutscher Bundestag
Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 19. Juni 2017
Ausschussdrucksache 18(11)1100, 16. Juni 2017

Gegenstand der öffentlichen Anhörung war der 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Das Dokument enthält die Stellungnahmen der eingeladenen und nicht eingeladenen Verbände zu Konzeption und Inhalt des Berichts sowie zu zwei Anträgen aus den Fraktionen der Linken und der Grünen.



Reiner Braun / Lorenz Thomschke, unter Mitarbeit von Lukas Fuchs
Altersarmut – heute und in der Zukunft
Deutsches Institut für Altersvorsorge, Juni 2017

Die Autoren wollen einen Beitrag zur kontroversen Debatte über eine drohende Altersarmut in Deutschland leisten. Auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme erfolgen empirisch gestützte Prognosen und Szenarien zur möglichen Entwicklung der Altersarmut. Untersucht wurden dabei auch die Haushaltsmerkmale, die mit einem erhöhten Armutsrisiko einhergehen. Danach zeigt sich bei den unter 65 bis 69-jährigen eine höheres Armutsrisiko als bei den Älteren. Bemerkenswert ist außerdem, „dass das relative Armutsrisiko im Westen (erwartungsgemäß) niedriger ausfällt als im Osten, umgekehrt aber der Anteil der Grundsicherungsbezieher im Westen nahezu doppelt so hoch ist wie im Osten“ (21).



Christoph Butterwegge
Zensiert und geschönt
Zeit Online, 12. April 2017

In diesem Gastbeitrag kritisiert Christoph Butterwegge, dass der 5. Armutsbericht der Bundesregierung erstens viel zu spät fertiggestellt und zweitens an entscheidenden Stellen entschärft wurde. „Trotz zahlloser Statistiken und informativer Schaubilder enttäuscht der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht all jene, die von ihm Handlungsempfehlungen für die Regierungsarbeit erwartet hatten. Denn er dokumentiert, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland wächst, ohne dass die Entscheidungsträger des Staates dies als Kardinalproblem der Gesellschaft wahrzunehmen oder zu bekämpfen bereit sind.“



Arbeitskreis Armutsforschung
Erklärung zum Armutsbegriff
Soziale Sicherheit 4/2017: 151-159

„Wenn ein neuer Bericht über Armut in Deutschland vorgelegt wird, entbrennt regelmäßig eine Diskussion darüber, was überhaupt unter Armut zu verstehen ist und wie Armut gemessen werden soll. Die Interpretationen gehen hier sehr weit. Dabei gibt es schon seit über 30 Jahren eine international anerkannte Methode für die Armutsmessung. Der Arbeitskreis Armutsforschung, in dem sich Wissenschaftler, Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und andere Praktiker austauschen, hat in der folgenden ‚Erklärung zum Armutsbegriff‘ die derzeit gängigsten Kritikpunkte an der Methode der Armutsmessung aufgegriffen und ihnen fundierte Antworten gegenübergestellt.“ (151)



Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.)
Armut – Die Zahlen lügen nicht
Böckler Impuls 6/2017

Vorgestellt wird eine in der Reihe WSI-Mitteilungen erschienene Studie von Irene Becker, die sich mit der Kritik gegenüber der Armutsforschung, sie tendiere zu einer Überzeichnung von Armut, auseinandersetzt. Dass die Aussagekraft von Armutsstatistiken regelmäßig angezweifelt wird, sei größtenteils unberechtigt.
Zum Abstract der im Nomos Verlag erschienenen Studie siehe hier. https://www.boeckler.de/wsi-mitteilungen_107519_107533.htm


 
Georg Cremer
Wie über Armut reden? Wie gegen Armut handeln?
Konrad-Adenauer-Stiftung, Analysen und Argumente 235, Januar 2017

Der Geschäftsführer des Deutschen Caritasverbands kritisiert, dass in der Diskussion über Armut und Ungleichheit häufig absolute und relative Armut sowie Armut und Armutsrisiko gleichgesetzt würden. Georg Cremer plädiert für einen unverstellten Blick auf die Daten der Armutsberichterstattung. Diese seien nützlich, wenn sie angemessen interpretiert würden. Er hebt die Stärke des Sozialstaats hervor und weist das häufig vorgetragene Argument, die Hartz-IV-Gesetze hätten die Armut in Deutschland befördert, zurück. Die größte Herausforderung sieht Cremer darin, den Sozialstaat auf den Grundsatz der Befähigung auszurichten. Für dieses mühsame Unterfangen sei – orientiert an Karl Popper – eine Politik der kleinen Schritte erforderlich.



Klaus-Heiner Röhl / Christoph Schröder
Regionale Armut in Deutschland. Risikogruppen erkennen, Politik neu ausrichten
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, IW-Analysen 113, 2017

„In regionalen Armutsvergleichen für Deutschland wurde bisher meist außer Acht gelassen, dass es zwischen den Regionen nennenswerte Preisunterschiede gibt. Diese bedeuten, dass man sich von demselben Einkommen in den verschiedenen Regionen unterschiedlich viel leisten kann. Wenn es aber bei monetärer Armut darum gehen soll, dass ein bestimmtes Einkommen auch einen (national einheitlichen) Mindestlebensstandard sichert, dann ist es geboten, die Armutsgefährdung nicht an einem einheitlichen Maßstab für das Einkommen, sondern für die Kaufkraft festzumachen und damit regional differierende Preisniveaus zu berücksichtigen. Dies geschieht in der vorliegenden Untersuchung.“ (Einleitung, 4) Anhand von Schaubildern und Tabellen machen die Autoren deutlich, wie sich durch die Berücksichtigung des Preisniveaus die Armutslandkarte verändert. Danach verringern sich die Unterschiede zwischen den Bundesländern und der Ost-West-Gegensatz tritt in den Hintergrund, während sich das Stadt-Land-Gefälle deutlich verschärft. Auf der Grundlage dieser Befunde werden Möglichkeiten für eine bessere Verzahnung von Regionalförderung und Armutsbekämpfung erörtert.



Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)
Entwicklung der Altersarmut bis 2036. Trends, Risikogruppen und Politikszenarien
2017

In dieser vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellten Studie wird „die Entwicklung der Altersarmut bis zum Jahr 2036 analysiert und aufgezeigt, wie sich diese Entwicklung für unterschiedliche Risikogruppen unterscheidet. Die empirischen Analysen basieren auf einem Simulationsmodell, das auf der Basis repräsentativer Haushaltsdaten Einkommen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung/ Beamtenversorgung, Betrieblichen Altersversorgung und privater Absicherung, Lohneinkommen sowie Steuern, Sozialabgaben und Transfers modelliert. In der Fortschreibung betrachten wir die Kohorten, die zwischen 1947 und 1969 geboren wurden. Wir stellen die Einkommen dieser Gruppe jeweils zum Alter 67 dar. Diese Betrachtungsweise erlaubt es, über die Jahre eine vergleichbare Gruppe von Rentnerinnen und Rentnern abzubilden.“ (101) Die Ergebnisse lassen insgesamt einen Anstieg der Armutsrisikos erwarten, von dem besonders Personen mit geringem Bildungsgrad, alleinstehende Frauen, Langzeitarbeitslose und ostdeutsche Haushalte betroffen sind. Die simulierten Rentenreformen wirken sich unterschiedlich stark auf einzelne Risikogruppen aus, können aber, so das Fazit, insgesamt kaum zur Lösung des Problems der Altersarmut beitragen.



Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.)
Verteilung. Was Armut bedeutet
Böckler Impuls 2/2016: 6-7

Diese kurze und verständliche Darstellung der wichtigsten Begriffe und Größen zur Armutsmessung bietet eine erste Orientierungshilfe beim Einstieg in die Thematik.



Dorothee Spannagel
Trotz Aufschwung: Einkommensungleichheit geht nicht zurück. WSI-Verteilungsbericht 2015
Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Report 26, November 2015

Die jährlich erstellten Verteilungsberichte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) verfolgen mit jeder Ausgabe besondere Fragestellungen. Im Mittelpunkt des Berichts 2015 stand die Diskussion über das Konzept der Einkommensarmut und die Frage, warum nicht alle Haushalte gleichermaßen von der guten konjunkturellen Lage profitieren konnten. Obwohl die Reallöhne gestiegen und die Arbeitslosigkeit gesunken sind, hat sich die Einkommensungleichheit verfestigt. „Zwischen den 1980er Jahren und dem Ende der 2000er-Jahre hat sich die Einkommensverteilung deutlich segmentiert. Insbesondere die Ränder der Verteilung sind deutlich persistenter geworden. Wer einmal arm ist, bleibt zunehmend arm.“ (12) Vor diesem Hintergrund lotet die Autorin verteilungspolitische Spielräume, etwa im Hinblick auf die Erhöhung des Mindestlohnniveaus oder die Besteuerung von Vermögen aus.



Nationale Armutskonferenz
Armut in Deutschland. Schattenbericht
Strassenfeger, Sonderausgabe, Oktober 2015

Diese Sonderausgabe des Straßenmagazins erschien aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Hartz-IV-Gesetze. Damit liegt, nach 2012, zum zweiten Mal ein Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz (NAK) zur Armut in Deutschland vor, in dem Betroffene und Expert*innen gleichermaßen zu Wort kommen. Im Mittelpunkt dieser Ausgabe steht die Lebenssituation von Menschen, die Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) beziehen. Sie wird entlang von Daten, Fakten und Lebensgeschichten näher beleuchtet. Dabei zeigen die Analysen, dass staatliche Hilfen oft nicht den gewünschten Effekt haben. Die NAK wurde 1991 als deutsche Sektion des Armutsnetzwerks EAPN (European Anti Poverty Network) gegründet und ist ein Zusammenschluss von Verbänden und Initiativen, die sich gegen Armut und Ausgrenzen engagieren.

 

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Armutsberichte

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Lebenslagen in Deutschland. Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (5. ARB)

 

Der Paritätische Gesamtverband (Hrsg.)
Menschenwürde ist Menschenrecht. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017

 

Statistisches Bundesamt (Hrsg.)
in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der Abteilung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB)
Datenreport 2016. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland

 

Statistisches Bundesamt (Hrsg.)
in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der Abteilung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB)
Datenreport 2018. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland
Diese Ausgabe legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen.

 

eurostat
Material deprivation and low work intensity statistics
Data from November 2016

 

World Inequality Lab
World Inequality Report 2018
Der unter Leitung von Thomas Piketty erstellte Bericht liegt auch in einer deutschen Kurzfassung vor.


Literatur

Petra Böhnke / Jörg Dittmann / Jan Goebel (Hrsg.)
Handbuch Armut. Ursachen, Trends, Maßnahmen
Opladen/Toronto, Verlag Barbara Budrich 2018 (utb)

 

Kay Bourcarde / Karsten Herzmann
Die Scheinkrise. Warum es uns besser geht als je zuvor und wir dennoch das Gefühl haben zu scheitern
Frankfurt, Wochenschau Verlag 2018

 

Jonas Beste
Armut im Lebensverlauf. Messkonzepte in der Armutsforschung
Bielefeld, wbv media 2017

 

Helmut Hartmut Kaelble
Mehr Reichtum, mehr Armut. Soziale Ungleichheit in Europa vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Frankfurt a. M., Campus 2017

 

Frieder Neumann
Soziale Mindestsicherung in Europa. Leistungsprofile im Vergleich
Berlin u. a., Lit Verlag 2016



zum Thema
Armut im Wohlstand

 

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