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Armut im Wohlstand. Was bedeutet soziale Ungleichheit für unsere Gesellschaft?

23.07.2018
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Anke Rösener, Diplom-Politologin

Erschienen am 23. Juli 2018, zuletzt aktualisiert im Mai 2019.

Die soziale Spaltung der Gesellschaft, die verbreiteten Abstiegsängste der Mittelschicht und die existierende wie drohende Armut einzelner Bevölkerungsgruppen sind Gegenstand aktueller öffentlicher Debatten und wissenschaftlicher Analysen, die wir mit diesem Themenschwerpunkt aufgreifen. Dabei sollen die verschiedenen Dimensionen von Armut und sozialer Ungleichheit beleuchtet sowie ihre Wechselwirkungen mit anderen gesellschaftlichen Herausforderungen beispielsweise durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und den Populismus betrachtet werden.

Über die Frage, in welchem Ausmaß Deutschland tatsächlich von Armut betroffen ist, wurde insbesondere im Zuge der Veröffentlichung der beunruhigenden Befunde des 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und in der Zeit vor der Bundestagswahl 2017 debattiert. Mit dem Digirama Armut messen – aber wie? werden verschiedene Berechnungen und Analysen vorgestellt, die in der Zusammenschau einen Eindruck von Armut im Wohlstandsland Deutschland und den unterschiedlichen Positionen hierzu vermitteln. Für einen kritischen Umgang mit Datensätzen plädiert Jutta Niehues. Sie veranschaulicht in ihrem Beitrag, dass sich je nach verwendeter Quelle und Betrachtungszeitraum unterschiedliche Trends in der Entwicklung von Einkommen und Vermögen abbilden lassen.

Dass Deutschland überhaupt von einer alarmierenden Kluft zwischen Arm und Reich betroffen ist, liegt für Franz Schultheis an dem lange gehegten Irrglauben, mit der Einführung der Sozialhilfe würde sich Armut nach kurzer Zeit quasi von selbst abschaffen. In seinem historisch-soziologischen Rückblick beschreibt er die teufelskreisartigen Folgen dieser lange verdrängten gesellschaftlichen Realität. Die wechselseitigen Dynamiken und Mechanismen von Armut sind ebenso Gegenstand der Analyse von Annett Mängel, die insbesondere einen kritischen Blick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen gegen Kinderarmut wirft. Mit den politischen Folgen sozialer Ungleichheit befasst sich Lea Elsässer. In „Wessen Stimme zählt?“ belegt sie die soziale Schieflage in der politischen Repräsentation. Auf das Problem der vererbten Armut macht zudem Isabel Frankenberg von der Interessengemeinschaft Sozialrecht e. V. aufmerksam. Der Verein fördert mit leicht verständlichen Ratgeberportalen die Hilfe zur Selbsthilfe für von Einkommensarmut Betroffene. In einem weiteren Digirama werden Studien, Aufsätze und Berichte vorgestellt, die die „Gesichter der Armut“ in ihren einzelnen strukturellen Facetten und in ihren politischen Auswirkungen näher beleuchten sowie mögliche Auswege aus der Armut aufzeigen.

Lasse Eggert betrachtet weniger die mit der konkreten Erfahrung von Armut verbundenen Herausforderungen, sondern widmet sich der vielfach als Zeit großer ökonomischer und politischer Umbrüche wahrgenommenen Gegenwart. Diese sei – als Folge der neoliberalen Agenda – von einer diffusen Angst vor dem sozialen Abstieg geprägt. In dem Essay „Armut und das Epizentrum der sozialen Frage“ erörtert Thomas Mirbach, wie über Armut kommuniziert wird. Ausgehend vom aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erörtert er, welche Bilder von Armut darin entworfen werden und wie sich die Perspektiven im Laufe der Berichterstattung gewandelt haben. Im Kern mangele es dem Bericht an einer Auseinandersetzung mit dem Wandel des Arbeitsmarktes und den strukturellen Zusammenhängen sozialer Ungleichheit.

Thomas Straubhaar nimmt den fortschreitenden digitalen Wandel in der Arbeitswelt zum Anlass, für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu werben. Gefordert sei ein radikaler Umbau unseres Sozialsystems, das durch die Besteuerung der gesamten Wertschöpfung der Unternehmen finanziert werden könne. Dem hält Christoph Butterwegge entgegen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen, so faszinierend der Gedanke auch sei, sich bei näherer Betrachtung als zutiefst ungerecht und als Irrweg der Wohlfahrtsstaatsentwicklung erweise. Die die aktuelle Debatte prägenden verschiedenen Positionen für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen haben Christoph Butterwegge und Kuno Rinke in dem Band „Grundeinkommen kontrovers“ zusammengetragen, den wir ergänzend vorstellen.

Weitere Beiträge folgen.

 

 

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