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Große Koalitionen als Motoren der Polarisierung

22.09.2021
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Prof. em. Dr. Oscar W. Gabriel

GabrielGro KoBild: Marco Verch Professional Photographer, Lizenz: CC BY 2.0

 

BTW-Schwerpunkt: Gespaltene Gesellschaft

Hat die Große Koalition zu einer politischen Radikalisierung beigetragen? Oscar Gabriel untersucht diesen oft geäußerten Verdacht. Hierfür stützt er sich auf die Daten des European Social Survey und der German Longitudinal Election Study für die Jahre 2004 bis 2018. So können u.a. Veränderungen bei der Selbsteinstufung der Wähler und bei ihrer Teilnahme an außerparlamentarischen Protesten berücksichtigt werden. Gabriel unterstreicht, dass sich zwar Radikalisierungsprozesse zeigen ließen, eine „systematische Beziehung zwischen dem Amtieren einer Großen Koalition“ und einer Polarisierung der Bevölkerung aber nicht feststellbar sei. (lz)

Eine Analyse von Oscar Gabriel


1. Das Untersuchungsproblem

Am 1. Dezember 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger als Kanzler der ersten Großen Koalition der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. Obgleich viele Beobachter die Politik der neuen Bundesregierung als erfolgreich einstuften, erlebte die Bundesrepublik zwischen 1966 und 1969 eine bis dahin nicht gekannte Phase politischer Radikalisierung. Der Bildung der Großen Koalition folgte der Einzug der rechtsextremen NPD in sieben der zehn deutschen Landtage. Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte die Partei zwar an der Sperrklausel von fünf Prozent, mit 4,3 Prozent der Stimmen verbuchte sie aber dennoch einen Achtungserfolg. Mit dem Ende der Großen Koalition im Jahr 1969 begann der Abstieg der NPD zu einer unbedeutenden Splitterpartei, die in der Mitte der 1970er-Jahre aus allen Landesparlamenten verschwunden war (Pfahl-Traubger 2019, 57-69). Im Gegensatz zu den Rechtsextremen reüssierte der Linksextremismus bis zur Vereinigung Deutschlands zwar nicht als parteipolitische Kraft. In der Außerparlamentarischen Opposition spielte er jedoch in der Folgezeit eine wichtige Rolle auf der politischen Bühne der Bundesrepublik. 

Noch deutlicher als in den späten 1960er-Jahren scheinen die in den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten gebildeten Großen Koalitionen mit politischer Radikalisierung und Polarisierung einherzugehen. Noch vor dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise gelang der 2013 gegründeten AfD der Einzug in das Europäische Parlament und in drei Landesparlamente; weitere Wahlerfolge im Bund, in den Ländern und in den Kommunen schlossen sich an. Aus der Bundestagswahl 2017 ging die AfD mit einem Stimmenanteil von 12,6 Prozent als stärkste Oppositionsfraktion hervor. Seit 1949 hatte eine rechtsextreme Partei damit erstmals Bundestagsmandate gewonnen, und zwar mit einem der höchsten Stimmenanteile, den eine kleine Partei jemals bei Bundestagswahlen erzielte. Am Ende der Amtszeit der seit 2017 regierenden Großen Koalition ist die Partei flächendeckend in den deutschen Parlamenten vertreten, breite außerparlamentarische Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen flankieren das parlamentarische Agieren der AfD. 

Die Erfolge links- und rechtsextremer Gruppierungen und Parteien während der Amtszeit Großer Koalitionen weckten in der Politikwissenschaft das Interesse an den Auswirkungen dieser Regierungsbündnisse auf den politischen Prozess. Zwar beschäftigt sich die Koalitionstheorie schon längere Zeit mit der Frage, wie sich eine starke Polarisierung des Parteienwettbewerbs auf die Chancen zur Bildung stabiler und leistungsfähiger Koalitionen auswirkt (z. B. Kropp 2008, 520-522). Seltener findet man dagegen empirisch fundierte Auseinandersetzungen mit der Frage, welche Folgen die Bildung Großer Koalitionen für das politische Leben in Demokratien mit sich bringen, genauer ob, in welchem Maße und in welcher Form sie Prozesse der politischen Radikalisierung und Polarisierung bewirken (vgl. Franzmann 2019; Schmitt 2018; Schmitt und Franzmann 2017; Berman und Kudnani 2021). Die Beschäftigung mit diesem Problem ist nicht weniger wichtig als die Frage nach den Bedingungen des Zustandekommens stabiler Regierungen. Empirisch ist sie deshalb wichtig, weil Große Koalitionen in den vergangenen drei Jahrzehnten in Deutschland auf der Bundes- und Landesebene weiter verbreitet waren als vor der Vereinigung (vgl. Schniewind 2008). In demokratietheoretischer Perspektive verdient die Beschäftigung mit den Effekten der Bildung Großer Koalitionen deshalb besondere Aufmerksamkeit, da diese Regierungskonstellation mit einem Bedeutungsgewinn radikaler Flügelparteien und einer Stärkung der außerparlamentarischen Opposition einherzugehen scheint, einer Entwicklung, der negative Folgen für die Stabilität und Funktionsfähigkeit von Demokratien zugeschrieben werden (Decker 2017). 

Da strukturelle Veränderungen des Parteienwettbewerbs unter anderem aus Veränderungen der politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Wählerschaft resultieren, untersucht dieser Beitrag anhand ausgewählter Indikatoren den möglichen Einfluss der Bildung Großer Koalitionen auf die Ausbreitung radikaler politischer Einstellungen und Verhaltensdispositionen in der deutschen Wählerschaft. Als radikal werden dabei Einstellungen verstanden, die sich an den Extrempolen der individuellen Überzeugungssysteme befinden, die die politischen Positionen von Flügelparteien stärken oder sich in außerparlamentarischen Protesten manifestieren. Die Untersuchung bezieht sich ausschließlich auf die nationale Ebene des politischen Systems und erstreckt sich auf den Zeitraum 2004 bis 2018, in dem zweimal ein Wechsel zwischen Kleinen und Großen Koalitionen erfolgte. Als Grundlage der empirischen Analyse dienen die in Deutschland erhobenen Daten des European Social Survey 2004 bis 2018 (Wellen 2 bis 9) sowie der German Longitudinal Election Study (GLES) 2017. 


2. Große Koalitionen, Radikalisierung und Polarisierung – Die theoretische Einbettung

Die Annahme, die Art der Koalitionsbildung in Demokratien könne eine Radikalisierung und Polarisierung des politischen Lebens hervorrufen, ist nicht neu und kann sich auf plausible Gründe stützen (vgl. Sartori 1976). Der freie Wettbewerb zwischen konkurrierenden politischen Parteien gehört zu den Grundelementen der Demokratie. Sein Ziel besteht in der Auswahl einer handlungsfähigen Regierung, die aus einer Entscheidung der Wählerschaft zwischen den konkurrierenden programmatischen und personellen Angeboten der zur Wahl angetretenen Parteien resultiert (Schumpeter 1950, Dahl 1971). 

In Abhängigkeit vom Demokratietyp und von der Struktur des Systems soziopolitischer Konflikte folgt die Bildung von Regierungen unterschiedlichen Funktionslogiken (Lijphart 1984; 1999). In Konsensdemokratien, deren Gesellschaften durch sozioökonomische und soziokulturelle Konflikte gespalten sind, erfüllen übergroße Regierungsbündnisse die Aufgabe, die auseinanderstrebenden gesellschaftlichen Gruppen durch die Integration ihrer Repräsentanten in das politische System zu integrieren. In dieser Perspektive ist auch die Bildung Großer Koalitionen, also die Bildung von Regierungsbündnissen der beiden stärksten im Parlament vertretenen politischen Parteien, zu sehen. Sie stellt in kulturell heterogenen politischen Gemeinschaften eine Systemnotwendigkeit dar, weil sie die Regierungsmacht auf die einflussreichsten Repräsentanten der gegnerischen Lager verteilt, diese zur politischen Zusammenarbeit zwingt und so deren Anhängerschaften in das politische System einbindet. In Konsensdemokratien begründet weniger die Bildung Großer oder Übergroßer Koalitionen (zu diesen Konzepten: Kropp 2008, 517-520) die Gefahr einer Radikalisierung des politischen Lebens als vielmehr der Ausschluss eines der dominierenden politischen Lager von der Teilhabe an der Regierung.  

Anders verhält es sich in Wettbewerbsdemokratien. In diesen stehen sich idealiter zwei annähernd gleich starke Parteien oder Parteibündnisse im Wettbewerb um die Regierungsmacht gegenüber. Den Regierungsauftrag erhält diejenige Partei oder Parteienkoalition, deren personelle und programmatische Angebote die Unterstützung der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gewinnen. Die im Wettbewerb unterlegenen Parteien übernehmen die Rolle der Opposition. Ihre Aufgabe besteht darin, sich der Wählerschaft als Regierung im Wartestand zu präsentieren. Während der gesamten Dauer der Legislaturperiode des Parlaments treten die Oppositionsparteien als Alternative zur amtierenden Regierung auf und versuchen, die Wählerschaft von ihren Konzepten zu überzeugen. Die Kritik der Opposition an der Ausrichtung und am Erfolg der Regierungspolitik sowie der Wettbewerb um die Unterstützung der Wählermehrheit gehören zu den Funktionsprinzipien von Wettbewerbsdemokratien. Am Ende der Wahlperiode des Parlaments stellen sich Regierungs- und Oppositionsparteien dem Urteil der Wählerschaft. Sie werden entweder in ihren bisherigen Rollen bestätigt oder es erfolgt ein Rollenwechsel. Unter den Bedingungen Großer Koalitionen funktioniert dieses für Wettbewerbsdemokratien typische Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition suboptimal, da die beiden stärksten Parteien gemeinsam die Regierungsverantwortung tragen und die Ablösung einer Regierung, die das Vertrauen der Wählermehrheit verloren hat, durch eine aussichtsreiche Opposition nicht ohne Probleme möglich ist. 

Die Bildung Großer Koalitionen greift insofern stark in die Möglichkeit der am Ende einer Wahlperiode Wählenden ein, durch ihre Stimmabgabe eine Richtungs- und Leistungskontrolle der Regierungsarbeit vorzunehmen und den demokratischen Prozess des Machtwechsels in Gang zu setzen. Dieser Vorgang funktioniert nur dann, wenn die Wählerschaft über die Möglichkeit verfügt, die Regierung aus dem Amt zu entfernen, indem sie für eine Oppositionspartei votiert, die eine realistische Chance zur Machtübernahme hat. Eine gemeinsame Regierungstätigkeit der beiden stärksten Parlamentsfraktionen setzt diesen Mechanismus außer Kraft, weil eine Koalition mehrerer Kleinparteien zumeist nicht ausreicht, um die beiden großen Regierungsparteien gleichzeitig auf die Oppositionsbänke zu verweisen. In diesem Falle bleibt den mit der Regierung unzufriedenen Wählerinnen und Wählern nur die Möglichkeit, sich bei Wahlen der Stimme zu enthalten, einer radikalen Partei ihre Stimme zu geben oder zu außerparlamentarischen Formen des Protests zu greifen.

In Abhängigkeit vom nationalen Verlauf des politischen Modernisierungsprozesses prägen unterschiedliche Konflikte die Struktur des Parteienwettbewerbs. Während die Dynamik der politischen Modernisierung in allen europäischen Gesellschaften eine sozioökonomische Konfliktlinie hervorbrachte, blieben in einigen von ihnen auch ältere soziokulturelle Cleavages bestehen (Lane und Ersson 1999, 37-75; Dalton 2018). Als wichtigste Streitfrage auf der sozioökonomischen Konfliktachse, die bis heute Bestand hat, kristallisierte sich die Präferenz für den Staat beziehungsweise den Markt als Steuerungsinstanz der Wirtschaft heraus. Politische Kräfte am linken Extrempol dieses Kontinuums und ihre Unterstützer in der Öffentlichkeit setzen auf eine umfassende staatliche Kontrolle des Wirtschaftslebens (sozioökonomischer Etatismus). Am rechten Extrempol steht dem der Wunsch nach einer vollständig marktgesteuerten Wirtschaft gegenüber (sozioökonomischer Liberalismus). Dem entsprechend favorisieren Akteure auf den zentralen Positionen des Links-Rechts-Kontinuums eine Mischung aus staats- und marktwirtschaftlicher Elemente. Moderat Linke stehen einer staatlichen Einflussnahme auf wirtschaftliche Abläufe positiver gegenüber als moderat Rechte, die dem Markt eine aktivere Rolle zuweisen als dem Staat. Die in Wettbewerbsdemokratien möglichen Reaktionen der Wählerschaft auf die Bildung Großer Koalitionen sind nicht allein in der Funktionslogik des Wählens, sondern auch in der Struktur der europäischen Parteiensysteme angelegt. Im Verlaufe des politischen Modernisierungsprozesses bildeten die Mitglieder europäischer Gesellschaften auf der Basis ihrer politischen Wertvorstellungen und Interessen Allianzen mit bestimmten Teilen der politischen Elite und vertrauten einer Gruppierung die Vertretung ihrer Interessen und Wertvorstellungen im politischen System an (Lipset und Rokkan 1967). Die für diese Bündnisse maßgeblichen, unterschiedlichen Vorstellungen von den Eigenschaften einer guten Gesellschaft verdichten sich nach Converse (1964) zu einem Links-Rechts-Gegensatz, für dessen Pole viele Aspekte von Bewahrung und Veränderung beziehungsweise Tradition und Moderne stehen. Die mit der Selbstpositionierung auf dieser Achse verbundenen Vorstellungsinhalte bilden das Kernelement des individuellen und kollektiven Überzeugungssystems der Bürgerschaft moderner Demokratien. Es umfasst neben den grundlegenden politischen Überzeugungen eine Vielzahl peripherer politischer Einstellungen, unter anderem die für politische Partizipation und Wahlentscheidungen bedeutsamen Einstellungen zu tagespolitischen Streitfragen (Dalton 2019, 15-37). Diese politischen Präferenzen bilden sich in einem Zusammenspiel aus politischen Prädispositionen und aktuellen Informationen über die politische Wirklichkeit (vgl. Zaller 1992). 

Der soziokulturelle Konflikt drehte sich in den meisten europäischen Gesellschaften ursprünglich um die Trennung von Kirche und Staat beziehungsweise den Einfluss religiöser Überzeugungen auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Im Zuge des in den 1970er-Jahren einsetzenden Wertewandels veränderte sich die inhaltliche Ausrichtung der soziokulturellen Konfliktachse. Der traditionelle Streit über die wünschenswerte Beziehung zwischen Religion und Politik wurde dabei zu einem Teilaspekt einer generalisierten Vorstellung von Tradition und Moderne, deren Gegenpole sich als kultureller Konservatismus beziehungsweise Liberalismus beschreiben lassen. Für den kulturellen Konservatismus stehen unter anderem die Ideen der nationalen Identität, der sozialen Anpassung und Kontrolle und der Hierarchie. Der kulturelle Liberalismus definiert sich durch Prinzipien wie individuelle Autonomie und Selbstverwirklichung, Kosmopolitismus und soziale Gleichheit. Ähnlich wie auf der sozioökonomischen Konfliktachse nehmen verschiedene Parteien in soziokulturellen Streitfragen moderate oder extreme Positionen ein (Grande und Kriesi 2012; Dalton 2018, 2019, 87-106).

Wie in anderen europäischer Gesellschaften hat sich das deutsche Parteiensystem auf der Grundlage des Links-Rechts-Gegensatzes ausdifferenziert. In der Frage der Steuerung der Wirtschaft und der für das gesellschaftliche Zusammenleben maßgeblichen Leitwerte vertreten Sozialdemokratische Parteien moderat linke, Konservative, Christdemokraten und Liberale moderat rechte politische Positionen und besetzen damit das Zentrum des politischen Raumes. Durch das Angebot unterschiedlicher, aber nicht völlig gegensätzlicher, Konzepte für die ökonomische und kulturelle Gestaltung der Gesellschaft vermochten es die Parteien der linken und der rechten Mitte, große Wählergruppen an sich zu binden und dadurch eine dominierende Rolle im europäischen Parteienwettbewerb zu erringen (Pappi 1977; Inglehart 1983). Ihre Erfolge auf dem Wählermarkt verdanken sie unter anderem der Fähigkeit, trotz ihrer Mittezentrierung auch radikaleren Positionen eine politische Heimat zu bieten und auf diese Weise ein breites Spektrum ideologischer Grundüberzeugungen abzudecken. 

Die Position der deutschen Parteien auf dem Links-Rechts-Kontinuum sowie auf der sozioökonomischen und der soziokulturellen Konfliktachse lässt bis heute das Grundmuster eines moderaten Pluralismus erkennen: Gemessen an der Selbsteinstufung ihrer Wählerinnen und Wähler befanden sich die beiden großen Parteiformationen, die CDU/CSU und die SPD, auf sämtlichen Konfliktachsen im Jahr 2017 in der Nähe der Mittelposition. Auf der Links-Rechts-Achse nahm die CDU/CSU gemeinsam mit der FDP eine Position im moderat rechten Sektor ein, die SPD war im moderat linken Sektor platziert. Die Positionen der jüngeren Parteien auf dem Links-Rechts-Kontinuum indizieren ein zweites Strukturmerkmal des gesamtdeutschen Parteiensystems, den Übergang vom moderaten zum polarisierten Pluralismus. Auf dieser traditionellen politischen Spaltungslinie nahmen die Linkspartei und die AfD im Jahr 2017 die Flügelpositionen ein. Die Grünen befanden sich im linken Sektor im politischen Zentrum und nahmen eine Position etwas links von der SPD ein. Die im Vergleich mit den Mitte-Rechts-Parteien größere Distanz der beiden moderat linken Parteien lässt sich unter strategischen Gesichtspunkten vermutlich durch die ideologische Position der Gesamtwählerschaft erklären. Die Durchschnittswähler ordnen sich leicht links der Mitte ein. Von dieser Position sind Union (,73) und SPD (,67) nahezu gleich weit entfernt (Abbildung 1).


Abbildung 1: Die Positionen der deutschen Parteien auf der Links-Rechts-Achse, 2017

 

Grafik 1 Gabriel


Quelle:
eigene Darstellung auf der Grundlage der GLES-Daten: Roßteutscher, Sigrid; Schoen, Harald, Schmitt-Beck, Rüdiger; Weßels, Bernhard; Wolf, Christof; Wagner, Aiko (2017): Vorwahl-Nachwahl-Querschnitt (GLES 2017). GESIS Datenarchiv, Köln: ZA6801 Datenfile Version 1.0.0, doi: 10.4232/1.12954. 
Anmerkung: Angegeben sind die Mittelwerte der Parteiwählerschaften auf der Links-Rechts-Achse, Gewichtung: sozial- und regionalstrukturelles Gewicht, gesamt (mit Ost-West-Gewicht), N 4.291.
Fragewortlaut Parteipräferenz Vorwahl: „Bei der Bundestagswahl könnten Sie ja zwei Stimmen vergeben. Die Erststimme für einen Kandidaten aus Ihrem Wahlkreis und die Zweitstimme für eine Partei. Hier ist ein Musterstimmzettel, ähnlich wie Sie ihn bei der Bundestagswahl erhalten würden. Was würden Sie auf Ihrem Stimmzettel ankreuzen? Bitte nennen Sie mir jeweils die Kennziffer für Ihre Erst- und Zweitstimme
Parteipräferenz Nachwahl: „Bei der Bundestagswahl konnten Sie ja zwei Stimmen vergeben. Die Erststimme für einen Kandidaten aus Ihrem Wahlkreis, die Zweitstimme für eine Partei. Hier ist ein Musterstimmzettel, ähnlich wie Sie ihn bei der Bundestagswahl erhalten haben. Wie haben Sie auf Ihrem Stimmzettel angekreuzt? Bitte nennen Sie mir jeweils die Kennziffer für Ihre (Erst- und) Zweitstimme.“ 
Antwortvorgaben: CDU/CSU, SPD, DIE LINKE, GRÜNE, FDP, AfD, PIRATEN, NPD, andere Partei, und zwar …; (-83) ungültig gewählt (-97) trifft nicht zu (-98) weiß nicht (-99) keine Angabe. In der Auswertung der Daten wurden nur die im 19. Bundestag vertretenen Parteien berücksichtigt. 
Links-Rechts-Selbsteinstufung: „In der Politik reden die Leute häufig von ‚links‘ und ‚rechts‘. Wenn Sie diese Skala von 1 bis 11 benutzen, (wo würden Sie die folgenden Parteien einordnen, wenn 1 "links" und 11 "rechts" ist?) Und wie ist das mit Ihnen selbst? Wo würden Sie sich auf der Skala von 1 bis 11 einordnen?“ 
Antwortvorgaben: 1 links … 11 rechts. Die Angaben wurden auf den Wertebereich 0 bis 10 rekodiert.   


Zur Beschreibung der aktuellen politischen Konfliktlage wird die Selbsteinstufung der Wählerschaft auf dem Links-Rechts-Kontinuum nicht mehr als ausreichend betrachtet. Vielmehr bedarf es einer Erweiterung der Analyse um die Positionen der Parteien auf der sozioökonomischen und soziokulturellen Konfliktlinie (vgl. Dalton 2018). Allerdings bestätigen die dabei ermittelten Ergebnisse weitgehend die Erkenntnisse aus der Positionierung der Wählerschaft auf der Links-Rechts-Achse. Wie Abbildung 2 zeigt, besetzen die SPD-Wählerinnen und Wähler eine sozioökonomisch moderat etatistische in Verbindung mit einer soziokulturell moderat konservativen Position. Die soziokulturellen Überzeugungen der Unions-Wählerschaft sind auf beiden Dimensionen ebenfalls moderat ausgeprägt und ähneln denen der FDP-Wählerschaft, die sozioökonomisch etwas liberaler eingestellt ist. Beide Parteigruppierungen repräsentieren einen gemäßigten soziökonomischen Liberalismus und einen ebenfalls gemäßigten soziokulturellen Konservatismus. Gemeinsam mit der SPD und der Gesamtwählerschaft nehmen die Union und die FDP Positionen im Zentrum des politischen Raumes ein; CDU/CSU und SPD besetzen aber zugleich unterschiedliche Sektoren. Diese Befunde belegen recht eindrucksvoll, dass das Parteiensystem der alten Bundesrepublik geradezu idealtypisch dem Modell des moderaten Pluralismus entsprach. Es ermöglichte einen alternierenden Wettbewerb um die Regierungsmacht und brachte Regierungswechsel in der Form alternierender Zentrumskoalitionen einer der beiden Großparteien mit der FDP zustande. Das Entstehen radikaler politischer Bewegungen und Parteien war unter diesen Bedingungen wenig wahrscheinlich. Als ein weiteres Merkmal politischer Stabilität und Kontinuität erwiesen sich die vergleichsweise langen Amtszeiten der Koalitionen, die bis zum Jahre 1990 zwischen drei und vierzehn Jahren lagen. 

Trotz einer Schwächung der beiden Großparteien, die die Bildung kleiner Zentrumskoalitionen erschwert, blieb das Muster eines moderaten Parteienpluralismus zwar in seinem Kern erhalten, jedoch indizieren auch die Daten in Abbildung 2 den Übergang zu einem polarisierten Pluralismus. Wie auf der Links-Rechts-Achse fungieren die Linke und die AfD auf der sozioökonomischen Konfliktachse als Extreme, ihre Wählerschaft ist auf dieser Dimension allerdings nicht sehr weit vom ideologischen Zentrum und von der mittleren Position der Wählerschaft entfernt. Im etatistischen Sektor des politischen Raumes gilt dies auch für die Distanz der Linkspartei zu den moderat linken Parteien. Die Distanz zwischen den Flügelparteien Linke und AfD fällt mit zwei Skalenpunkten vergleichsweise gering aus.   

Auf der soziokulturellen Dimension bilden die Grünen und die AfD die Antipoden. Die Überzeugungen ihrer Wählerschaft sind im Durchschnitt durch eine Distanz von mehr als vier Skalenpunkten voneinander getrennt. Auf dieser Konfliktachse unterscheidet sich die Wählerschaft der Grünen auch von der der CDU/CSU, der FDP und der SPD recht deutlich, aber weniger stark als die Wählerschaft der AfD. Insbesondere deren Auftreten hat die Polarisierung des deutschen Parteiensystems beträchtlich verstärkt. Sie nimmt auf sämtlichen Konfliktachsen die Position der Flügelpartei ein und ist insbesondere in den soziokulturellen Orientierungen ihrer Wählerschaft weit von den Wählerinnen und Wähler anderer Parteien und der Gesamtwählerschaft entfernt.


 Abbildung 2: Die Positionen der deutschen Parteien im System sozioökonomischer und soziokultureller Konflikte, 2017.

Grafik 2 Gabriel


Quelle
: wie Abbildung 1. 
Anmerkungen: Angaben, Gewichtung und N wie Abbildung 1.
Fragewortlaut Parteipräferenz wie Abbildung 1. 
Ökonomischer Liberalismus: „Nun zu einigen politischen Streitfragen. Manche wollen weniger Steuern und Abgaben, auch wenn das weniger sozialstaatliche Leistungen bedeutet, andere wollen mehr sozialstaatliche Leistungen, auch wenn das mehr Steuern und Abgaben bedeutet. … Und wie ist Ihre Position zum Thema Steuern und sozialstaatliche Leistungen? Bitte benutzen Sie diese Skala (von 1 bis 11).“
Antwortvorgaben: 1 weniger Steuern und Abgaben, auch wenn das weniger sozialstaatliche Leistungen bedeutet … 11 mehr sozialstaatliche Leistungen, auch wenn das mehr Steuern und Abgaben bedeutet.
Fragewortlaut kultureller Liberalismus: „Jetzt geht es um Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer. Sollten die Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer erleichtert oder eingeschränkt werden? … Und wie ist Ihre Position zum Thema Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer? Bitte benutzen Sie diese Skala (von 1 bis 11). Antwortvorgaben: 1 Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer sollten erleichtert werden … 11 Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer sollten eingeschränkt werden.“
Die Merkmalsausprägungen auf beiden Dimensionen wurden auf einen Wertebereich von 0 bis 10 recodiert, sodass hohe Werte für ökonomisch liberale und kulturell konservative Positionen stehen. 


Wie die Befunde über die Struktur des aktuell gegebenen Systems politischer Konflikte in Deutschland zeigen, hat die Bildung einer Großen Koalition für den politischen Wettbewerb die folgende Bedeutung: Als ihre Trägerparteien fungieren die beiden stärksten parlamentarischen Gruppierungen, die sich auf der Links-Rechts-Achse zwar gegenüberstehen, aber die moderaten Positionen im politischen Raum besetzen. Sie gestalten gemeinsam die Regierungspolitik und entschärfen zumindest für die Dauer ihrer Zusammenarbeit den Parteienwettbewerb im Zentrum des politischen Raumes. Ob sie ihn mehr oder weniger suspendieren, hängt erstens von Stil, Inhalt und Dauer ihrer Zusammenarbeit in der Regierung und zweitens von den im Parteiensystem verfügbaren Alternativen zu ihnen ab. Je stärker die Regierungsparteien bei der Gestaltung der staatlichen Politik Kompromisse zwischen ihren konkurrierenden Positionen eingehen, je deutlicher sie diese Kompromisse auf das Zentrum des politischen Raumes ausrichten und je harmonischer sie ihren Umgang miteinander gestalten, desto stärker entfernen sie sich von den innerhalb und außerhalb ihrer Anhängerschaft vorhandenen radikaleren politischen Positionen und geben dieses Segment des Wählermarktes für andere Gruppierungen frei. Die unzufriedenen Teile der Wählerschaft können ihre Kritik an der amtierenden Regierung durch die für Wettbewerbsdemokratien typische Entscheidung für eine starke Oppositionspartei nicht effektiv ausdrücken, sondern sind dazu gezwungen, auf radikalere Verhaltensweisen wie die Wahl einer Flügelpartei oder auf die Nichtwahl auszuweichen. 

Gegenüber der in der alten Bundesrepublik bestehenden Konstellation hat sich die Ausgangslage, in der die Bildung Großer Koalitionen erfolgt, in mehrfacher Hinsicht verändert. Die Fragmentierung und Volatilität der Wählerschaft ist gestiegen, die innerparteiliche Vielfalt ist gewachsen und jenseits der moderaten Parteien der Linken und der Rechten entstanden radikalere Flügelparteien (Niedermayer 2018a). Seit der Jahrtausendwende regierte zudem in drei von fünf Legislaturperioden eine Große Koalition. Unabhängig von der Frage nach Ursache und Wirkung deuten alle diese Faktoren auf eine wachsende Radikalisierung und Polarisierung hin, die sich nicht allein im Parteiensystem vollzieht, sondern darüber hinaus die parlamentarische Arena sowie die Einstellungen und das Verhalten der Bevölkerung erfasst hat. Im parlamentarischen Prozess findet dies seinen Ausdruck in einem Stilwandel der Auseinandersetzung, der von intensiver geführten Debatten über eine vermehrte und aggressivere Nutzung parlamentarischer Kontrollrechte bis zur Verletzung formaler und informeller Verhaltensnormen im Parlamentsalltag reicht (Niedermayer 2018b). Auch in Teilen der Bevölkerung zeigt sich, zum Beispiel in der Auseinandersetzung über die Themen Globalisierung und Migration, Klimawandel oder Bekämpfung der Corona-Pandemie, ein zunehmend aggressives politisches Verhalten in Verbindung mit abnehmender Toleranz gegenüber Andersdenkenden. 


3. Bisherige Erkenntnisse und Befunde

Die bisherigen Studien über die Konsequenzen der Bildung Großer Koalitionen in der deutschen Wettbewerbsdemokratie nehmen vor allem die Veränderung ausgewählter Einstellungen und Verhaltensdispositionen der Wählerschaft und die daraus resultierende Polarisierung des Parteiensystems in den Blick. Vorgänge in der parlamentarischen Arena und außerparlamentarische Protestaktivitäten der Bevölkerung wurden in diesem Kontext kaum untersucht. In einer international vergleichenden Studie wiesen Schmitt und Franzmann nach, dass Zentrumskoalitionen aller Art, zu denen auch die in Deutschland gebildeten Großen Koalitionen gehören, die ideologische Spannweite des Parteiensystems vergrößern und die Unterstützung radikaler Parteien fördern (Schmitt und Franzmann 2017, 104-111). Diese Erkenntnisse vertiefte und differenzierte Schmitt (2018) für die Bundesrepublik Deutschland und zeigte auf, dass die in den Jahren 2005 bis 2009 gebildete Große Koalition keine Polarisierung des Parteienwettbewerbs auslöste, während dies für die Große Koalition der Jahre 2013 bis 2017 sehr wohl zutraf (vgl. auch Franzmann 2019). Die von der 2005 gebildeten Großen Koalition ausgelösten Wirkung widerspricht der Ausgangshypothese der Autoren, der Effekt der nach 2013 amtierenden Koalitionsregierung stützt sie dagegen.

Im Unterschied zu den erwähnten Studien, die den Einfluss Großer Koalitionen auf die Polarisierung des Parteiensystems in den Blick nehmen und ihre Befunde durch Mikroanalysen fundieren, zielt die folgende empirische Untersuchung ausschließlich auf den Einfluss der Bildung Großer Koalitionen auf individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen. Wie in den vorliegenden Studien wird die Polarisierung an der Selbstpositionierung der Bürgerinnen und Bürger auf dem Links-Rechts-Kontinuum und an der Präferenz für Flügelparteien festgemacht. Zudem schließt die Untersuchung – leider auf der Basis einer suboptimalen Datenlage – die Unterstützung extremer Einstellungen zu sozioökonomischen und soziokulturellen Streitfragen und die Beteiligung an Protestaktivitäten ein. Als Datengrundlage der Analyse dient der European Social Survey (ESS) Deutschland 2004 bis 2018, in dessen Erhebungszeitraum drei der vier in Deutschland gebildeten Großen Koalitionen amtierten. Das Vorhandensein einer Serie von Beobachtungsdaten schafft die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen der Regierungskonstellation und der Polarisierung von Einstellungen und Verhaltensweisen der Wählerschaft nicht nur statisch zu betrachten, sondern zusätzlich Entwicklungsdynamiken aufzuzeigen. 

Einen ersten Eindruck von den möglichen Wirkungen der Bildung Großer Koalitionen auf die ausgewählten politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der deutschen Bevölkerung gewinnt man durch einen Vergleich des Polarisierungsgrades individueller Einstellungen und Verhaltensweisen während und außerhalb der Amtszeit Großer Koalitionen. In dem durch die Erhebungen des ESS abgedeckten Zeitraum amtierten drei Arten von Koalitionen. In den Jahren 2002 bis 2005 und 2009 bis 2013 regierten von SPD und Grünen beziehungsweise von CDU/CSU und FDP getragene Zentrumskoalitionen, von 2005 bis 2009, 2013 bis 2017 und 2017 bis 2021 Große Koalitionen aus CDU/CSU und SPD. Nach der hier zu testenden Ausgangshypothese müsste die Polarisierung während der Amtszeit der Großen Koalitionen stärker ausgeprägt sein als in anderen Regierungskonstellationen. Dem steht jedoch die durch empirische Befunde gestützte Annahme gegenüber, dass sich die polarisierenden Effekte Großer und Kleiner Zentrumskoalitionen nicht voneinander unterscheiden (Schmitt und Franzmann 2017).

Ein Vergleich der Verteilung der ideologischen Selbstpositionierung, der Einstellung zur staatlichen Einkommensumverteilung und zur Homosexualität, der Parteipräferenz und der Beteiligung an Protestaktivitäten während und außerhalb der Amtszeiten Großer Koalitionen liefert keine überzeugenden Hinweise auf polarisierende Wirkung der Bildung Großer Koalitionen (Tabelle 1). Zwar entsprechen die Unterschiede in den Verteilungen von vier der fünf untersuchten Merkmale in ihrer Richtung überwiegend den Erwartungen, ungeachtet ihrer statistischen Signifikanz bleiben die Unterschiede in ihrem Ausmaß aber zu schwach, um die Polarisierungsannahme zu stützen. Die extremen Positionen auf dem Links-Rechts-Kontinuum und die Beteiligung an Protestaktivitäten liegen während der Amtszeit Großer Koalitionen um einen Prozentpunkt über denen des Vergleichszeitraums. Bei der Unterstützung radikaler soziokultureller Positionen beträgt der Unterschied vier und bei der Präferenz für Flügelparteien drei Prozentpunkte. Bei der Interpretation dieser Werte ist zudem in Rechnung zu stellen, dass neben der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung weitere Faktoren die Einstellungs- und Verhaltensunterschiede zwischen den untersuchten Zeitabschnitten beeinflusst haben dürften. Während der Amtszeit der ersten Koalitionsregierung Merkel gab es einen intensiven Streit über die Fortführung des von der Vorgängerregierung eingeleiteten Umbaus der Sozialsysteme, an ihrem Ende machte sich die Krise der Finanzmärkte bemerkbar. Im Zeitraum 2013 bis 2021 überschattete der Streit über die Migrationspolitik die Arbeit der Großen Koalition, daneben entwickelte sich der Umgang mit dem Klimawandel zu einer bedeutsamen politischen Streitfrage. Diese Ereignisse kommen als Antriebskräfte politischer Polarisierung zumindest ebenso stark infrage wie ein Protest gegen die Bildung einer Großen Koalition. 


 Tabelle 1: Die Polarisierung der deutschen Bevölkerung während der Amtszeit Großer Koalitionen und anderer Regierungsbündnisse, 2004-2018.

 

Polarisierungsdimension

Große Koalition

Andere Regierung

Differenz

N

Links-Rechts-Selbsteinstufung

Extrem links (0,1)

6

5

1

1118

Moderat links (2,3)

21

19

2

4314

Mitte (4,5,6)

61

63

-2

12970

Moderat rechts (7,8)

10

11

-1

2210

Extrem rechts (9,10)

2

2

0

454

Radikal

8

7

1

N

12918

8148

23818

Cramer’s V

,03a / ,01n.s.

Sozioökonomischer Liberalismus

Sehr stark

22

22

0

4878

Stark

47

45

2

10313

Unentschieden

15

16

-1

3521

Schwach

13

15

-2

3081

Sehr schwach

2

3

-1

558

Radikal

24

25

-1

N

11600

8655

22351

Cramer’s V

,04a / ,01n.s.

Soziokultureller Liberalismus

Sehr stark

39

34

5

8308

Stark

43

45

-2

9915

Unentschieden

9

10

-1

2220

Schwach

6

7

-1

1326

Sehr schwach

3

4

-1

820

Radikal

42

38

4

N

13774

8715

25443

Cramer’s V

,05a / ,04a.

Wahlverhalten

Nichtwähler

31

32

-1

6406

Moderate Partei

61

63

-2

12480

Linke Flügelpartei

5

4

1

959

Rechte Flügelpartei

3

1

2

372

Radikal

8

5

3

N

12423

7794

20217

Cramer’s V

,07a / ,06a

Protest

Kein Protest

52

53

-1

11914

Eine Aktivität

28

29

-1

6505

Zwei Aktivitäten

16

14

2

3479

Drei Aktivitäten

4

3

1

776

Radikal

4

3

1

N

13864

8810

22674

Cramer’s V

,02a / ,01n.s.

                         

 

Quelle: Kumulierter Datensatz des European Social Survey (ESS) Welle 2 (2004) bis Welle 9 (2018), N= 22.781, Gewicht: Poststratifikationsgewicht.Angaben: gerundete Prozentanteile. Der zuerst angegebene Effektkoeffizient Cramer’s V weist die Stärke der in der Tabelle ausgewiesenen Unterschiede aus, der zweite betrifft den Unterschied zwischen radikalen und nichtradikalen Positionen oder Verhaltensweisen. Signifikanzen Chi2 a ≤ ,001, n.s. p ˃ ,05.
Fragewortlaute und Antwortvorgaben:
Links-Rechts-Selbsteinstufung: „In der Politik spricht man manchmal von ‚links‘ und ‚rechts‘. Wo auf der Skala auf Liste 10 würden Sie sich selbst einstufen, wenn 0 für links steht und 10 für rechts?“ Als radikal wurde die Einstufung auf den Skalenpunkten 0, 1, 9 und 10 klassifiziert.
Sozioökonomischer Liberalismus: „Der Staat sollte Maßnahmen ergreifen, um Einkommensunterschiede zu verringern.“
Soziokultureller Liberalismus: „Schwule und Lesben sollten ihr Leben so führen dürfen, wie sie es wollen.“ Antwortvorgaben: Stimme stark zu (1), stimme zu (2), weder noch (3), lehne ab (4), lehne stark ab (5). Als radikal wurden die starke Zustimmung und die starke Ablehnung klassifiziert.
Wahlverhalten: „Bei der Bundestagswahl konnten Sie ja zwei Stimmen vergeben. Die Erststimme für einen Kandidaten aus Ihrem Wahlkreis, die Zweitstimme für eine Partei. … Und welche Partei haben Sie mit Ihrer Zweitstimme gewählt?“
Antwortvorgaben: CDU/CSU, SPD, Die Linke, FDP, AfD, Piratenpartei, NPD, Andere Partei. Als Radikal wurden AfD, NPD und Die Linke klassifiziert.
Protest: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen man versuchen kann, etwas in Deutschland zu verbessern oder zu verhindern, dass sich etwas verschlechtert. Haben Sie im Verlauf der letzten 12 Monate irgendetwas davon unternommen? Haben Sie... sich an einer Unterschriftensammlung beteiligt, an einer genehmigten öffentlichen Demonstration teilgenommen, bestimmte Produkte boykottiert?“
Als radikaler Protest wurde die Beteiligung an allen drei Aktivitäten klassifiziert.


Eine Gegenüberstellung der Verteilung radikaler Einstellungen und Verhaltensmuster während und außerhalb der Amtszeit Großer Koalitionen vermittelt nur ein statisches und damit unvollständiges Bild der untersuchten Beziehung, weil sie die Prozesse, die diese Verteilungen hervorrufen könnten, nicht in den Blick nimmt. Ohne die Auswertung von Paneldaten lässt sich ein solches Entwicklungsmuster nicht sauber abbilden. Zur näherungsweisen Erfassung der Entwicklungsdynamik der politischen Polarisierung eignet sich eine quasi-experimentelle Versuchsanordnung, die den Zeitpunkt des Amtsantritts einer Großen Koalition (2005, 2013, 2018) als Stimulus einführt, der einen Wandel individueller Einstellungen und Verhaltensweisen auslösen kann. Die Übernahme der Regierung durch ein Bündnis der beiden stärksten Parlamentsfraktionen müsste unserer Hypothese zufolge dazu führen, dass in der Bevölkerung nach der Bildung einer Großen Koalition radikalere Einstellungen und Verhaltensmuster nachzuweisen sind als vor diesem Schritt. Systemische Relevanz gewinnt ein solcher Radikalisierungsprozess allerdings nur dann, wenn er nicht nur eine unmittelbare, zeitlich befristete Reaktion auf Regierungswechsel darstellt, sondern langfristiger Natur ist. Da die für die folgende Untersuchung verwandten Daten im Zeitraum 2004 bis 2018 im Zwei-Jahres-Turnus erhoben wurden, erlauben sie unterschiedliche Modellierungen zeitlicher Effekte. Die daraus ableitbaren Erkenntnisse stehen natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass neben der veränderten Regierungskonstellation weitere Faktoren zu einer Radikalisierung der politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung beitragen können.

Auch die Daten in Abbildung 3 liefern keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die Bildung einer Großen Koalition eine Radikalisierung der politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung auslösen könnte. Diese Interpretation stützt sich nicht allein auf die oft insignifikanten und substanziell sehr schwach ausgeprägten Unterschiede der politischen Einstellungen und Verhaltensmuster in den Jahren vor und nach dem Amtsantritt Großer Koalitionen. Mindestens so deutlich spricht das völlig inkonsistente Muster des Einstellungs- und Verhaltenswandels im Umfeld der Bildung Großer Koalitionen gegen einen systematischen Zusammenhang zwischen dieser Regierungskonstellation und einer politischen Polarisierung in der Bevölkerung. Im Zeitraum 2004 bis 2006 löste die Umbildung der Regierung keinerlei signifikante beziehungsweise substanziell bedeutsame Änderungen der hier untersuchten Einstellungen und Verhaltensformen aus. Im Zeitraum 2012 bis 2014 fielen einige dieser Änderungen zwar stärker auf, sie bewegten sich aber in unterschiedliche Richtungen. Lediglich im Umfeld der Bildung der letzten Großen Koalition zeigte sich über alle Indikatoren hinweg eine geringfügig wachsende, meist statistisch signifikante Radikalisierung, die in ihrem Ausmaß aber innerhalb des Bereichs statistischer Zufallsabweichungen bleibt (extreme Selbstpositionierung auf dem Links-Rechts-Kontinuum: +2%), extreme Überzeugungen auf den Dimensionen des kulturellen und ökonomischen Liberalismus: +3 bzw. +1%, Unterstützung von Flügelparteien: +3%). Auf die Beteiligung an legalen Demonstrationen, Unterschriftenaktionen und Boykotten hatte die Neuauflage der Großen Koalition im Jahr 2017 keinen Einfluss. 


 Abbildung 3: Veränderung radikaler politischer Einstellungen und Verhaltensweisen Kontext der Bildung großer Koalitionen 2004 bis 2018.

Gabriel Bild 3

 

Zusammenhangsmaße Cramer’s V für Amtsantritt GroKo und …

2005

2013

2018

Ideologie

,03n. s.

,03n. s.

,05c

ökonomischer Liberalismus

,07a

,06a

,03n. s.

kultureller Liberalismus

,04c

,07a

,05b

Extremwahl

,02n. s.

,11a

,08a

Protest

,02n. s.

,03n. s.

,01n. s.

Quelle: wie in Tabelle 1. 
Anmerkung: Gewichtung und N wie in Tabelle 1.
Angaben: gerundete Prozentanteile. Die unten ngegebenen Effektkoeffizienten geben die Stärke des Zusammenhanges zwischen dem Radikalisierungsmaß und dem (erneuten) Amtsantritt einer Großen Koalition an, Signifikanz der Unterschiede: Chi2aa p ≤ ,001, b p ≤ ,01, ≤ ,001, n. s. p ˃ ,05.


Ein Blick auf die beiden letzten Regierungsbildungen (2013, 2018) deutet allenfalls auf eine mittelfristig wachsende Radikalisierung des Wahlverhaltens hin. Nach der Bildung der Großen Koalition lag der Anteil der Befragten, die ihren Angaben zufolge einer linken oder rechten Flügelpartei ihre Stimme gegeben hatten, höher als in den Erhebungen vor dem Wahljahr und stieg vom Jahr vor der Bildung der dritten Regierung Merkel (2012) bis zum Jahr 2018 von fünf auf zwölf Prozent. Dies kam in erster Linie der AfD zugute und dürfte zu einem beträchtlichen Teil der Einstellung zur Migrationspolitik der Regierung geschuldet sein. Eine in zwei aufeinander folgenden Wahlen wachsende Unterstützung extremer Parteien um jeweils drei Prozentpunkte nimmt sich auf den ersten Blick zwar nicht bedeutend aus, sie bedeutet aber, dass sich die Wählerschaft dieser Gruppierung zwischen 2012 und 2018 mehr als verdoppelt, im Falle der rechtsextremen Parteien sogar versechsfacht hat. Wenn man die Wirkung sozialer Erwünschtheit auf Antworten nach der Wahl extremer Parteien in Rechnung stellt, liegt der tatsächliche Anstieg der Präferenz für Flügelparteien vermutlich noch höher. 

Der ebenfalls zu beobachtende Anstieg extrem liberaler beziehungsweise konservativer Einstellungen zur Homosexualität während der beiden letzten Amtszeiten der Großen Koalition lässt sich nicht als Reaktion auf die Bildung einer Großen Koalition interpretieren. Vielmehr handelt es sich bei diesem Wandel politischer Überzeugungen um eine zunehmende Unterstützung kulturell liberaler Positionen, die am konservativen Gegenpol keine Entsprechung findet, also nicht als Polarisierung gedeutet werden darf. Diese Entwicklung steht mit einem langfristigen Prozess des Wertewandels in Zusammenhang, stellt aber sicher keine Antwort auf die Form der Regierungsbildung dar


4. Ausblick auf die Bundestagswahl 2021

Verglichen mit dem vier Jahre zuvor abgehaltenen Urnengang brachte die Bundestagswahl 2017 zwar nicht auf allen hier untersuchten Dimensionen eine zunehmende Radikalisierung und Polarisierung der Öffentlichkeit mit sich. Dennoch belegen die Daten der amtlichen Wahlstatistik ebenso wie die Umfragedaten ein Wachstum der Flügelparteien und eine damit verbundene Polarisierung des Parteiensystems. Die beiden großen Parteien des politischen Zentrums, CDU/CSU und SPD, mussten am Ende ihrer gemeinsamen Regierungszeit einen kumulierten Stimmenverlust von 13,4 Prozentpunkten hinnehmen. Von diesem profitierten die Flügelparteien (AfD, Linke) mit einem Zuwachs von 8,6 Prozentpunkten etwas stärker als die beiden kleinen zentristischen Parteien, die FDP und die Grünen. Sie konnten gemeinsam einen Zuwachs von 6,4 Prozentpunkten verbuchen. Dadurch stieg zwar die Fragmentierung des Parteiensystems, aber die damit verbundene Verschiebung der parteipolitischen Kräfteverhältnisse vollzog sich zu einem beträchtlichen Teil innerhalb des politischen Zentrums (vgl. Tabelle 2).

Bei der Bundestagswahl 2021 wird die Große Koalition acht Jahre lang amtiert haben. Da die Dauerhaftigkeit von Zentrumskoalitionen als eine der Bedingungen der Polarisierung des Parteiensystems gilt (Schmitt und Franzmann 2017: 100), könnte die Polarisierung bei der kommenden Wahl erneut zunehmen. Da diese noch bevorsteht, sind Aussagen über einen polarisierenden Effekt der Amtszeit der Großen Koalition von 2017 bis 2021 nur mit Vorbehalten möglich. Sie können sich mangels Daten über die anderen Aspekte der Polarisierung auch nur auf die Parteipräferenzen der Wählerschaft beziehen und der Analyse nur Angaben über Wahlabsichten, aber nicht solche über die tatsächliche Wahlentscheidung zugrunde legen. Zusätzliche Unsicherheitsfaktoren ergeben sich aus dem Anteil von 20 bis 40 Prozent Unentschlossener, über den die Forschungsgruppe Wahlen, Forsa und das Institut für Demoskopie Allensbach in ihren jüngsten Umfragen berichten.[1]

Auf der Grundlage des Mittelwertes aller am 13. September 2021 auf der Website von wahlrecht.de veröffentlichen Umfragen zur Wahlabsicht steht der CDU/CSU als langjähriger Kanzlerpartei eine herbe Wahlniederlage ins Haus. Bei der derzeitigen Datenlage muss sie im Vergleich mit 2017 mit einem Stimmenverlust von elf bis zwölf Prozentpunkten rechnen. Gegenüber der vorangegangenen Wahl – und auch gegenüber der Bundestagswahl 2009 – ergibt sich aber insoweit eine neue Situation, als für die SPD als kleinere Koalitionspartnerin ein Stimmenzuwachs von nahezu fünf Prozentpunkten vorhergesagt wird. In dieser Hinsicht gleicht die Situation der des Jahres 1969, als die SPD von der Mitarbeit in der Großen Koalition profitierte und die Union als langjährige Kanzlerpartei ablösen konnte. Anders als 2017 ist beim derzeitigen Stand der Umfragen zu erwarten, dass die Stimmenverluste der CDU/CSU vollständig innerhalb des politischen Zentrums aufgefangen werden können. Neben der SPD dürfen auch die Grünen und die FDP mit Zuwächsen rechnen, die sich gemeinsam mit dem der SPD auf knapp 13 Prozentpunkte summieren. Den vorliegenden Umfragen zufolge stehen neben der CDU/CSU auch die beiden Flügelparteien mit einem gemeinsamen Verlust von knapp fünf Prozentpunkten auf der Verliererseite. Die Fragmentierung des Parteiensystems wird sich demnach fortsetzen, aber nicht mit einer zunehmenden Polarisierung einhergehen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die zentripetalen Kräfte im deutschen Parteiensystem gestärkt werden. 


 Tabelle 2: Erwartbare Stimmenverschiebungen bei der Bundestagswahl 2021

 
 

Mittelwert Projektion BTW 2021

Ergebnis BTW 2017

Ergebnis BTW 2013

Differenz 21-17

Differenz 17-13

Differenz 23-13

 

 
   

CDU/CSU

21,4

32,9

41,5

-11,5

-8,6

-20,1

   

SPD

25,5

20,9

25,7

4,6

-4,8

-0,2

   

GRÜNE

16,2

8,9

8,4

7,3

0,5

7,8

   

FDP

11,7

10,7

4,8

1,0

5,9

6,9

   

LINKE

6,0

9,2

8,6

-3,2

0,6

-2,6

   

AfD

11,4

12,6

4,7

-1,2

7,9

6,7

   

Sonstige

7,5

5,0

6,2

2,5

-1,2

1,3

   

 

Quelle: https://www.wahlrecht.de/umfragen/letzter Zugriff am 13.9.2021 und Bundeswahlleiter.


 
5. Folgerungen und Diskussion

Die Erfolge rechtsextremer Parteien während der Amtszeit Großer Koalitionen in Deutschland gaben der Diskussion über die Frage Auftrieb, ob zwischen diesen beiden Sachverhalten ein systematischer Zusammenhang bestehe. Sie stimulierten darüber hinaus einige empirische Studien, die allerdings nicht zu einer eindeutigen Bestätigung dieser Annahme führten. Auch die in diesem Beitrag vorgelegten Befunde vermitteln kein eindeutiges Bild der Sachlage. Eine Gesamtbilanz der Entwicklung seit der ersten Großen Koalition im vereinten Deutschland (2005) zeigt nur wenige Anzeichen einer sich substanziell und konsistent verstärkenden politischen Radikalisierung und Polarisierung. Die wenigen Symptome lassen sich zudem ausschließlich an der langfristig gewachsenen Unterstützung von Parteien festmachen, die die Extrempositionen auf dem Links-Rechts-Kontinuum einnehmen. Weder eine zunehmend radikale Selbsteinstufung der Wählerschaft auf der Links-Rechts-Achse noch die Beteiligung an außerparlamentarischen Protestaktionen stützen die Annahme einer systematischen Beziehung zwischen dem Amtieren einer Großen Koalition und einer Radikalisierung und Polarisierung der Bürgerschaft. 

Unabhängig von den begrenzten empirischen Belegen sprechen einige methodologische Überlegungen gegen eine vorschnelle Einschätzung Großer Koalitionen als Auslöser politischer Polarisierung und Radikalisierung. Politische Ereignisse oder Prozesse lassen sich nur selten auf eine einzige Ursache zurückführen, sondern resultieren aus einem Zusammenspiel mehrerer, oft vielschichtiger, Faktoren. In diesem Sinne können Große Koalitionen zu politischer Radikalisierung führen, weil die Schwäche kleiner zentristischer Oppositionsparteien und das mit ihrer Wahl verbundene geringe Sanktionspotenzial gegen die Regierung radikale Proteste erforderlich zu machen scheint. Diese manifestieren sich in der Unterstützung extremistischer Parteien oder in außerparlamentarischen Protestaktionen. Verhaltensmuster dieser Art können statt der Ablehnung einer Großen Koalition als Form des Regierens auch die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit dem Inhalt spezifischer Regierungsentscheidungen zum Ausdruck bringen. Für den hier untersuchten Zeitraum 2004 bis 2018 erscheint die zweite Erklärung höchst plausibel. So könnte der Stimmenzuwachs der Linkspartei bei der Bundestagswahl 2009 einen Protest gegen den von der Regierung Schröder eingeleiteten, von der ersten Regierung Merkel weitergeführten Umbau des deutschen Sozialstaates reflektieren. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit resultierte der Aufstieg der AfD aus der Unzufriedenheit eines großen Teiles der Bevölkerung mit der Migrationspolitik der Bundesregierung, war aber weniger gegen die Große Koalition per se gerichtet. Radikalisierungsprozesse lassen sich im hier untersuchten Zeitraum empirisch belegen, neben der Ablehnung Großer Koalitionen dürften sie aber auf eine Reihe weiterer Faktoren zurückgehen.

Schließlich darf man aus der zeitlichen Koinzidenz von Ereignissen nicht auf die Existenz kausaler Zusammenhänge zwischen ihnen schließen. Kausalitäten setzen erstens den Nachweis einer klaren zeitlichen Abfolge der betreffenden Ereignisse und zweitens die Kontrolle der Bedeutung von Drittvariablen für ihr Auftreten voraus. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen an den Nachweis kausaler Zusammenhänge dürfte die Bildung Großer Koalitionen in einer komplexen Wechselwirkung mit Prozessen der Radikalisierung und Polarisierung stehen. Beide Phänomene dürften einander wechselseitig bedingen. Folglich können Große Koalitionen mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit aus Prozessen der Radikalisierung und Polarisierung resultieren, wie sie diese hervorrufen. Diese Feststellung trifft vermutlich für alle drei Fälle einer Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD im hier untersuchten Zeitraum zu. Nach den Bundestagswahlen 2005, 2013 und 2017 fehlte auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag eine zwingende Alternative zu einer Großen Koalition. Nach keinem der drei genannten Wahlgänge hätte eine kleine Zentrums- oder Flügelkoalition einander auf der Links-Rechts-Achse benachbarter Parteien ausgereicht, um eine Regierungsmehrheit zustande zu bringen. In Anbetracht der bei der Bildung ideologisch heterogener Dreierkoalitionen erwartbaren Probleme für eine effektive Gestaltung der Regierungspolitik erschien die Bildung einer Großen Koalition den maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren vermutlich als angemessene Reaktion auf die gewachsene Fragmentierung und Polarisierung des deutschen Parteiensystems. 

Die nach drei nur für eine Wahlperiode unterbrochenen Amtszeiten einer Großen Koalition sind die Anzeichen einer Polarisierung des politischen Lebens in Deutschland schwächer als man vermuten könnte. Dies mag zum Teil der suboptimalen Datenlage geschuldet sein. Dies gilt insbesondere für die hier benutzten Indikatoren des sozioökonomischen und des soziokulturellen Pluralismus und des politischen Protests. Doch selbst die etablierten Polarisierungsindikatoren, die Präferenz für Flügelparteien und eine extreme Selbstpositionierung auf dem Links-Rechts-Kontinuum belegen Polarisierungsprozesse nur partiell. Dass die Indizien nicht stärker ausfallen, hat vermutlich mit Effekten der sozialen Erwünschtheit zu tun, die die Antworten der Befragten auf die entsprechenden Fragen verfälschen. Selbst die verlässlichen Daten der amtlichen Wahlstatistik belegen, dass die Bevölkerung auf perzipierte Leistungsschwächen und Abnutzungserscheinungen von Zentrumskoalitionen nicht ausschließlich durch Abwanderung zu Flügelparteien oder Stimmenthaltung, sondern auch durch einen Wechsel der Parteipräferenzen innerhalb des Zentrums des politischen Raumes reagiert.

Auf die Möglichkeit einer Bewältigung dieser Prozesse durch den Wettbewerb zwischen demokratischen Parteien des politischen Zentrums verweist der Ausblick auf die kommende Bundestagswahl. Nach einer Regierungszeit von vier Legislaturperioden scheint sich für die Union das Schicksal der Jahre 1969 und 1998 zu wiederholen, allerdings in deutlich verschärfter Ausprägung. Gegenüber 2013, dem Startjahr der zweiten Großen Koalition nach der Jahrtausendwende, wird sie nach den vorliegenden Umfragedaten bei der kommenden Bundestagswahl fast die Hälfte ihres Stimmenanteils verlieren. Im Vergleich mit der Bundestagswahl 2005, der die Bildung der ersten Großen Koalition unter der Führung Angela Merkels folgte, betragen ihre prognostizierten Verluste mehr als zehn Prozentpunkte. Im Gegensatz dazu scheint sich die SPD als Koalitionspartnerin der Union von der 2017 erreichten Talsohle zu entfernen und auf dem niedrigen Niveau der Jahre 2009 und 2013 zu stabilisieren. Ob ihr langfristig zu beobachtender Abstieg damit zu einem Ende kommt, ist angesichts der enorm gewachsenen Volatilität der Wählerschaft schwer abzuschätzen. 

Ungeachtet der langfristigen Stimmenverluste der CDU/CSU und der SPD sind die substanziellen Veränderungen im Parteiensystem der Bundesrepublik mit dem Konzept der Polarisierung nur unvollständig beschrieben. Die beiden kleineren Zentrumsparteien, Grüne und FDP, konnten ihre Position im deutschen Parteiensystem festigen beziehungsweise sogar deutlich ausbauen. Die Partei der Grünen, deren Zuwächse nicht zuletzt durch eine wachsende Unterstützung dezidiert liberaler Positionen auf der soziokulturellen Konfliktachse bedingt sind, ist die eindeutige Gewinnerin der jüngsten Wählerwanderungen. Ausweislich der in den vergangenen beiden Jahren durchgeführten Umfragen haben sie das Potenzial, in der Wählerunterstützung mit der Union und den Sozialdemokraten gleichzuziehen. Langfristig könnte hieraus eine Veränderung des bipolaren Parteiensystems der Bundesrepublik zu einem mehrpoligen System resultieren (vgl. auch Wagner 2019). Wie die Entwicklung von Parteiensystem und Regierungsbildung in den deutschen Bundesländern zeigt, sind in einem solchen Systemkontext Große Koalitionen nicht mehr gleichbedeutend mit Bündnissen von Union und SPD. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf neue parteipolitische Konstellationen sind so ungewiss wie die zukünftig zu erwartenden Koalitionen. 



 Fußnoten

 [1] https://www.wahlrecht.de/umfragen/letzter Zugriff am 13.9.2021; FAZ 15.9.2021, S. 1 und 8.

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Annalena Baerbock, Hillary Cliton, Angela Merkel – wann immer Frauen nach der Macht streben, entsteht eine Debatte darüber, ob Politikerinnen in den Medien einen schwereren Stand haben als ihre männlichen Kollegen. Wir haben Jürgen Maier von der Universität Konstanz-Landau dazu interviewt, wie sich ein solcher Verdacht wissenschaftlich überprüfen ließe.

 

Interview / Maximilian Oehl, Louise Zbiranski / 16.09.2021

Warum es ein vielfältigeres Parlament braucht. Die Initiative Brand New Bundestag

BrandNew Start

Die soziale Zusammensetzung des Bundestags weicht deutlich von der der deutschen Bevölkerung ab. Viele Parteien haben erkannt, dass mangelnde Vielfalt auch ein Problem für sie selber darstellt, und bemühen sich um eine bessere Einbindung bislang wenig vertretener sozialer Gruppen. Dem Verein Brand New Bundestag allerdings reichen diese Schritte nicht. Warum das so ist und warum mehr Diversität im Parlament so wichtig ist, erklärt Maximilian Oehl, Mit-Gründer der Initiative, im Videointerview. 

 

Einführung / Louise Zbiranski / 05.07.2021

Die Bundestagswahl 2021 auf dem Portal für Politikwissenschaft

Bundestagswahlbild LZ 3Foto: adobestock

Wie blicken Politikwissenschaftler*innen auf die Bundestagswahl im September 2021? In unserem Schwerpunkt BTW21 lassen wir sie zu Wort kommen.

 

 

Mehr zum Themenfeld Effizienz und Leistungsfähigkeit parlamentarischer Strukturen

 

Mehr zum Themenfeld Parlamente und Parteiendemokratien unter Druck

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