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John Vogler: Climate Change in World Politics

24.11.2016
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Autorenprofil
Dipl.-Journ. Wolfgang Denzler, B.A., M. Sc.
Houndmills, Basingstoke, Hampshire, Palgrave Macmillan 2016 (Energy, Climate and the Enviroment)

Über die zentrale Rolle der Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung

Es gebe schon sehr viele Bücher über den Klimawandel, darunter auch „some very good ones“ (1) über die internationalen Klimaverhandlungen, stellt John Vogler einleitend fest. Er benennt aber zugleich eine Forschungslücke, die seine Neuerscheinung rechtfertige: Die Klimadiplomatie sollte nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil des internationalen politischen Systems, das vor allem durch die Kooperation beziehungsweise Konkurrenz zwischen Staaten geprägt sei. Mit Blick auf die oft wenig erfolgreichen zwischenstaatlichen Klimaverhandlungen hätten sich die Hoffnung vieler Klimaschützer sowie der Fokus der politikwissenschaftlichen Forschung allerdings bisher vor allem auf nichtstaatliche Akteure wie NGOs konzentriert. Vogler jedoch betont die auf absehbare Zeit unverzichtbare und zentrale Rolle der Nationalstaaten im Kampf gegen die Erderwärmung. So könnten etwa nur Staaten ausreichend Ressourcen mobilisieren, um Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in ärmeren Regionen der Welt zu unterstützen beziehungsweise überhaupt erst zu ermöglichen. Der Autor widmet sich daher dem laut ihm bisher unzureichend untersuchten Verhältnis zwischen Klimaverhandlungen und dem weiten Feld der allgemeinen internationalen Politik.

Wie brisant ist das Problem des menschengemachten Klimawandels? Wie rigoros muss er bekämpft werden? Entgegen der Festschreibungen in der „United Nations Framework Convention on Climate Change“ (UNFCCC) seien aus der Perspektive der Klimaforscher, aber auch des „‚common sense‘“ (13) die staatlichen Bemühungen alles andere als ausreichend. Diese unterschiedliche Beurteilung sieht der Autor als Resultat der verschiedenen subjektiven Deutungsrahmen, in denen der Klimawandel von den Akteuren interpretiert werde. Vogler bezieht sich damit auf den sozialkonstruktivistischen Framing-Ansatz, wenn er etwa die Problematik erörtert, die klimawissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre Bedeutung für Mensch und Umwelt aus der Sphäre der akademischen Forschung in die der praktischen Politik zu übersetzen. Als Beispiel nennt er das seiner Meinung nach politisch vorherrschende wirtschaftsliberale Framing des Klimawandels als ein Problem, das am besten mit marktbasierten Instrumenten und einer weitgehenden Einbeziehung von Akteuren des privaten Sektors zu lösen sei. Alternative Ansätze würden durch so eine wirkmächtige thematische Vorstrukturierung aus der Diskussion verdrängt. Vogler beschreibt als weiteres Beispiel „concerted attempts to re-frame climate change as an international security issue“ (21). Diese Versicherheitlichung des Klimawandels sei aber empirisch schwach fundiert: Es gebe nur sehr wenige Beispiele für kriegerische Auseinandersetzungen, die in nachvollziehbarer Weise in Zusammenhang mit ökologischen Krisen gebracht werden könnten. Versuche seitens der am meisten von der Erderwärmung betroffenen Inselstaaten, den Klimawandel auf die Agenda des Sicherheitsrates zu setzen, seien wenig erfolgreich verlaufen.

In seiner Analyse des UNFCCC beschreibt Vogler eine durchaus erfolgreiche Anfangsphase, die 1997 zum Beschluss des Kyoto-Protokolls führte. Der Preis für diesen Erfolg seien aber zahlreiche Kompromisse und schwammige Formulierungen im Abkommen gewesen. Als Grundproblem sieht er die „North-South Distinction“ (58), mit der vor allem Industrieländer in die Verantwortung genommen und keine Emissions-Reduktionsziele für Schwellen- und Entwicklungsländer festgeschrieben worden seien. Erst ab 2007 habe hier ein Umdenken eingesetzt, die Differenzierung der Ländergruppen sei zwar beibehalten, aber eine verbindliche Beschränkung der Treibhausgasemissionen für alle Staaten vorgesehen worden. Insgesamt habe die Klimarahmenkonvention zu zwar nur kleinen und langsamen, aber dennoch nachweisbaren Fortschritten im Klimaschutz geführt. Vogler hebt hier insbesondere die Bereiche Finanzierung und Technologietransfer hervor.
Die Verhandlungstaktik der Staaten in der Klimadiplomatie hänge nicht zuletzt stark von den jeweiligen nationalen Interessen ab. Die nationale Klimapolitik sei wiederum oft stark beeinflusst von mächtigen Interessengruppen, etwa in den USA von Industriebranchen, deren Profite weiterhin stark von der Nutzung klimaschädlicher Kohlenwasserstoffe abhingen. Doch anhand der EU zeigt der Autor, dass diese Interessen nicht statisch konstruiert sind, dort beobachtet er etwa eine wachsende Aufmerksamkeit für die wirtschaftlichen „benefits of decarbonisation“ (83).
Vogler resümiert, dass der Erfolg und Einfluss des UNFCCC stark vom jeweiligen sozialökonomischen Kontext abhänge. Die internationale Politik habe alles in allem bisher in ihren Entscheidungs- und Aushandlungsprozessen nicht ausreichend Schritt halten können mit der Geschwindigkeit, in der sich das globale Ökosystem zum Schlechteren wandle. Die Aufmerksamkeit für die langfristige Bedrohung durch den Klimawandel stehe in ständiger Konkurrenz mit dem Fokus der Politik auf kurzfristige ökonomische Vorteile. Dies werde sich aber spätestens dann ändern, wenn der Klimawandel zu katastrophalen Änderungen an den „fundamental structures of the world system itself“ (177) geführt habe, so das Fazit des Autors.

Vogler, Professor für Internationale Beziehungen an der britischen Keele University, begann die Arbeit an seinem Buch kurz bevor die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 scheiterte. Seine daraus resultierende Enttäuschung über die Unfähigkeit der Staaten, sich auf mehr als einen minimalen Konsens zu einigen, beeinflusste den Fortgang seiner Arbeit merklich. Der Autor vollendete sein Manuskript aber offenbar vor dem überraschend erfolgreichen Abschluss der Pariser UN-Klimakonferenz im Dezember 2015. Die neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung, die als Nachfolge-Abkommen des Kyoto-Protokolls fungiert, wird von ihm daher leider nicht mehr berücksichtigt.

 

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