Wie konnte das passieren? Eine Auswahl von Analysen zum Brexit-Votum
Der unerwartete Ausgang des EU-Referendums ist wie kaum ein anderes Ereignis in der Wissenschaft unmittelbar auf eine starke Resonanz gestoßen. Wir stellen einige der Beiträge vor, die in den Wochen und Monaten nach dem Votum und vor der Parlamentswahl im Juni 2017 erschienen sind. Dabei schimmert immer wieder das Unverständnis über das Brexit-Votum durch, dürften doch viele Wähler*innen gegen die eigenen Interessen abgestimmt haben.
Der unerwartete Ausgang des EU-Referendums ist wie kaum ein anderes Ereignis in der Wissenschaft unmittelbar auf eine starke Resonanz gestoßen. Wir stellen einige der Beiträge vor, die in den Wochen und Monaten nach dem Votum und vor der Parlamentswahl im Juni 2017 erschienen sind. Zunächst sei hier auf den Beitrag von Nicolai von Ondarza verwiesen, der die keineswegs alltägliche rechtliche Grundlegung des EU-Referendums rekapituliert. Der Beitrag ist Bestandteil einer APuZ-Ausgabe zum Thema „Brexit“, in der ebenso wie in dem Band „The Future of the UK. Between Internal and External Divisions“, herausgegeben von Marius Guderjan auf der Basis einer Ringvorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin, der gesamte Themenkomplex aus mehreren Perspektiven begutachtet wird.
In den Kommentaren verschiedener Wissenschaftler*innen, die von Foreign Affairs veröffentlicht wurden, schimmert immer wieder das Unverständnis über das Brexit-Votum durch, besteht doch kein Zweifel daran, dass sich das Vereinigte Königreich damit wirtschaftlichen Schaden zufügen wird. Zu vielen Wähler*innen habe es wohl schlicht an Wissen über die EU gefehlt, schreibt Kathleen R. McNamara – eine Vermutung, die durch die Beobachtung gestützt wird, dass sich unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisse bei Google Anfragen über die Folgen eines EU-Austritts häuften (siehe dazu die eigens eingerichtete Website von Google Trends: https://trends.google.de/trends/story/GB_cu_EoBj9FIBAAAj9M_en)
Die Einschätzung, dass diejenigen, die für den Brexit stimmten, damit gegen ihre eigenen sozialen und wirtschaftlichen Interessen handelten, ist wiederholt aus den Analysen herauszulesen. Der Philosoph und Soziologe Zygmunt Bauman vermutet eine trotzige Reaktion der Menschen, die sich als Verlierer von Globalisierung und Einwanderungsbewegungen sehen. Dieser Trotz sei allerdings falsch adressiert worden – stelle die EU doch eher das letzte Schutzschild vor den negativen Folgen der Globalisierung dar.
Das Votum gegen die EU wird nun als deutliche Aufforderung an ihre verbleibenden Mitgliedstaaten verstanden, sich zu reformieren, bürgernäher und demokratischer zu werden (als Beispiel dazu der Beitrag von Jan Techau, Claire Demesmay und Piotr Buras). Aber auch die linken Kräfte hadern mit ihrem Versagen (stellvertretend dazu der Beitrag von Judith Dellheim und Lutz Brangsch), während Toni Haastrup und Nadine Ansorg über Europa hinaus blicken und mit Bezug auf Afrika daran erinnern, dass das Vereinigte Königreich nun als ein wichtiger außenpolitischer Akteur der EU verloren geht.
Abschließend erinnert Matthew Goodwin daran, dass nach dem Votum vor der Wahl ist: Premierministerin Theresa May hoffe, durch einen Erfolg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2017 ihre politische Macht innerparteilich, innenpolitisch und gegenüber der EU ausbauen zu können.
Nicolai von Ondarza
Die verlorene Wette. Entstehung und Verlauf des britischen EU-Referendums
Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de 49–50/2016: „Brexit“, 5. Dezember 2016
http://www.bpb.de/apuz/238133/die-verlorene-wette-entstehung-und-verlauf-des-britischen-eu-referendums
Die Abhaltung eines Referendums über die EU sei in Großbritannien bereits seit Jahren umstritten und lange von der Regierung und dem Parlament abgelehnt worden, schreibt Nicolai von Ondarza, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, im Rückblick auf den Weg, der dann doch zum Referendum führte. Premierminister David Cameron habe dann seine Haltung aus zwei strategischen Gründen geändert: „Erstens wollte er damit für einen Burgfrieden innerhalb der Konservativen Partei sorgen, da sich sowohl EU-Gegner als auch -Befürworter hinter dem Referendumsversprechen vereinen konnten. [...] Zweitens hatte sein Plan eine europapolitische Komponente: Cameron kündigte bereits 2013 an, das Referendum gegenüber den EU-Partnern als Druckmittel zu nutzen, um eine Reform und eine ‚neue Stellung Großbritanniens‘ innerhalb der Union durchzusetzen.“ Ein Referendum sei an sich zwar ein seltenes, aber inzwischen gut geregeltes Verfahren, das Gesetz zum EU-Referendum sei allerdings bemerkenswert gewesen: „Erstens wurden mit der Gesetzgebung auch die Abstimmungsmodalitäten festgelegt, die sich am allgemeinen Wahlrecht für britische nationale Wahlen orientierten. Die Regierung setzte damit durch, dass – anders als beim Schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 – weder nichtbritische EU-Bürger noch Briten unter 18 wählen durften. Auslandsbriten, die länger als 15 Jahre außerhalb des Königreichs lebten, wurden ebenfalls von der Wahl ausgeschlossen. Zweitens wehrte die Regierung Forderungen der SNP und anderer Regionalparteien ab, wonach ein Austrittsvotum nur dann gelte, wenn alle vier Nationen des Vereinigten Königreichs für den Brexit stimmen. Drittens schrieb das Gesetz die endgültige, im Referendum gestellte Frage fest: ‚Sollte das Vereinigte Königreich Mitglied der EU bleiben oder die EU verlassen?‘“ Der Autor zeichnet dann den Wahlkampf nach, in dem „die wirtschaftliche Auswirkung eines Brexit und die Migration“ im Mittelpunkt gestanden hätten. Das knappe Ergebnis schließlich habe drei Bruchlinien offenbart: regional, zwischen Jung und Alt sowie zwischen den sozialen Schichten.
weitere Beiträge in dieser APuZ-Ausgabe:
Julie Smith: Europa und das Vereinigte Königreich. Kleine Geschichte der Beziehungen seit 1945; Roland Sturm: Uneiniges Königreich? Großbritannien nach dem Brexit-Votum; Sionaidh Douglas-Scott: Am Rande der Verfassungskrise? Die rechtliche Grundlage des Brexit; Annegret Eppler: Doch nicht wie ein Fahrrad. Desintegrative Momente der europäischen Einigung; Wolfgang Franzen: Europäische Union in der Krise. Sichtweisen und Bewertungen in acht Mitgliedstaaten
Marius Guderjan (Hrsg.)
The Future of the UK. Between Internal and External Divisions
Centre for British Studies, Humboldt-Universität zu Berlin, 2016
https://www.gbz.hu-berlin.de/downloads/pdf/the-future-of-the-uk_guderjan-ed_2016.pdf
Der Band, der aus einer Ringvorlesung hervorgegangen ist, umfasst folgende Beiträge: 1. Between Internal and External Divisions (Marius Guderjan), 2. The EU Referendum and the Crisis of British Democracy (Pauline Schnapper), 3.Loose but not Lost! Four Challenges for the EU in the Aftermath of the British Referendum (Sandra Schwindenhammer), 4. European, not British? Scottish Nationalism and the EU Referendum (Neil McGarvey and Fraser Stewart), 5. The Future of Scotland in the UK: Does the Remarkable Popularity of the SNP Make Independence Inevitable? (Paul Cairney), 6. Reflections from Northern Ireland on the Result of the UK Referendum on EU Membership (Paul Carmichael), 7. Moving Towards a Dissolved or Strengthened Union? (Arjan H. Schakel)
John McCormick
The New Divided Kingdom. A Brexit Post-Mortem
Foreign Affairs, Snapshot, 25. Juni 2016
https://www.foreignaffairs.com/articles/united-kingdom/2016-06-25/new-divided-kingdom?cid=nlc-fatoday-20160627&sp_mid=51702056&sp_rid=bndvaGxsZWJlbkBwdy1wb3J0YWwuZGUS1&spMailingID=51702056&spUserID=MjA0NTg2NDIzMzM4S0&spJobID=943918128&spReportId=OTQzOTE4MTI4S0
John McCormick, Jean Monnet Professor of European Union Politics an der Indiana University, verhehlt nicht seine Fassungslosigkeit darüber, dass sich eine knappe Mehrheit der britischen Wähler*innen nur vier Jahre, nachdem die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist, aus diesem Projekt verschieden will. Er verweist auf die Konfliktlinien, die mit diesem Wahlergebnis aufgebrochen sind: zwischen alten und jungen Menschen sowie angesichts der Tatsache, dass in Schottland, Nordirland und der Hauptstadt London mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt worden ist. Die schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon habe denn auch das Abstimmungsergebnis als demokratisch inakzeptabel bezeichnet, die Frage einer Unabhängigkeit Schottlands dürfte damit wieder offen sein.
R. Daniel Kelemen
London Falling. Life After Brexit
Foreign Affairs, Snapshot, 27. Juni 2016
https://www.foreignaffairs.com/articles/united-kingdom/2016-06-27/london-falling?cid=nlc-fatoday-20160627&sp_mid=51702056&sp_rid=bndvaGxsZWJlbkBwdy1wb3J0YWwuZGUS1&spMailingID=51702056&spUserID=MjA0NTg2NDIzMzM4S0&spJobID=943918128&spReportId=OTQzOTE4MTI4S0
Die Briten hätten sich in einem historischen Akt der Selbstverletzung entschieden, die Europäische Union zu verlassen, schreibt R. Daniel Kelemen, Professor of Political Science and Law an der Rutgers University (New Brunswick, New Jersey). Für ihn steht außer Frage, dass der Brexit dem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen und die weitere Durchsetzung seiner strategischen Interessen beeinträchtigen wird. Während der Verlauf der Austrittsverhandlungen völlig unklar sei, sei eines allerdings deutlich: Die Behauptung, die EU habe dem Vereinigten Königreich seine Souveränität geraubt, sei eine Lüge – überhaupt sei die gesamte Leave-Kampagne auf Lügen und leeren Versprechungen aufgebaut gewesen.
Kathleen R. McNamara
Brexit's False Democracy. What the Vote Really Revealed
Foreign Affairs, Snapshot, 28. Juni 2016
https://kathleenrmcnamara.files.wordpress.com/2016/07/brexits-false-democracy.pdf
Kathleen R. McNamara, Professorin an der Georgetown University, bedauert, dass offenbar sehr viele britische Wähler*innen nicht gewusst haben, was die EU überhaupt ist – die Eliten und mit ihnen die Medien hätten damit mit dem Referendum ungehindert ihre manipulativen Strategien verfolgen können. Die wichtigste Erkenntnis aus dem Abstimmungsergebnis sei nun die, dass die britische Gesellschaft tief gespalten sei in Kosmopoliten auf der einen Seite und den Globalisierungsverlierern auf der anderen – eine Diagnose, die auch auf andere westliche Staaten zutreffe. Ein Referendum aber sei eine denkbar ungeeignete Form, um diese unterschiedlichen Positionen politisch wirksam werden zu lassen. Die Autorin verweist darauf, dass die politischen Herausforderungen, mit denen sich die britische Gesellschaft konfrontiert sieht, Dynamiken geschuldet sind, die sich nicht aus den Regeln der EU speisen. Die Parole „Take back Control“ treffe also nicht die realen Bedingungen. Entsprechend habe bei einem der zentralen Themen der Leave-Kampagne, der Immigrationsabwehr, mehrheitlich die Einsicht gefehlt, dass das Land von der Einwanderung profitiere – was sich allein an den Steuereinnahmen nachweisen lasse. McNamara erinnert außerdem daran, dass Nationalismus und das Streben nach nationaler Einheit und Eindeutigkeit historisch immer wieder die Quelle von Gewalt war und unterstreicht damit die Bedeutung der EU als Friedensprojekt.
Anand Menon
Uniting the United Kingdom. What Comes After Brexit
Foreign Affairs, Snapshot, 6. Juli 2016
https://www.foreignaffairs.com/articles/united-kingdom/2016-07-06/uniting-united-kingdom?cid=nlc-fatoday-20160708&sp_mid=51790413&sp_rid=bndvaGxsZWJlbkBwdy1wb3J0YWwuZGUS1&spMailingID=51790413&spUserID=MjA0NTg2NDIzMzM4S0&spJobID=961089173&spReportId=OTYxMDg5MTczS0
Das Referendum habe die Zerrissenheit des Land deutlich werden lassen, diese aber nicht erst hervorgerufen, schreibt Anand Menon, Professor für europäische und auswärtige Politik am King’s College London. Viele Wähler*innen, die zuvor der Politik den Rücken gekehrt hatten, nutzten seiner Einschätzung nach die Abstimmung als Gelegenheit, um sich wieder zu Wort zu melden – und die Leave-Kampagne habe sich deren Unmut zu Nutzen machen können. Entsprechend sei die Abstimmung ausgefallen: Die Zugehörigkeit zur EU habe den Wohlstand im Land zwar steigen lassen, diesen aber nicht gleichmäßig verteilt. Die höchste Zustimmung zum Brexit sei denn auch dort erzielt worden, wo das Einkommen deutlich unter dem Durchschnitt liege.
Helena Celestino
Bauman: History repeats itself. We are coming back to the small, tribal states
Political Critique, Interview mit Zygmunt Bauman, 22. Juli 2016
http://politicalcritique.org/world/2016/bauman-history-repeats-itself-interview/
Der Philosoph Zygmunt Bauman, der am 9. Januar 2017 verstorben ist, zeigt in diesem Interview auf, dass das EU-Referendum für diejenigen, die unter den deregulierten Märkten und dem globalen Finanzkapitalismus leiden und sich von der wachsenden Ungleichheit und dem eigenen sozialen Abstieg bedroht sehen, eine einzigartige Gelegenheit geboten hat, um sich politisch eindeutig zu artikulieren – mit ihrer Zustimmung zum Brexit sei auch die Angst vor Einwanderern zum Ausdruck gekommen, die als Ursache für ein weiteres Absinken der Löhne und drohende Arbeitslosigkeit gesehen würden. Allerdings hätten sich diese „anti-establishment protesters“ damit ausgerechnet gegen ihren einzigen Schutzschild – die EU – gewandt statt gegen die wahren Verursacher ihrer Probleme: Finanz- und Handelsmächte sowie Terroristen und kriminelle Organisationen, die mit Waffen, Drogen und Menschen handeln und dabei global agieren. Es stehe fest, dass sich vor diesem Hintergrund das britische Establishment mit der Entscheidung für den Brexit „selbst in den Fuß geschossen“ habe, vielen Leave-Wähler*innen dürfte ihr Fehler inzwischen aufgefallen sein. Ein zweites Referendum sei daher denkbar. Bauman sieht den britischen Rückschritt in den Nationalismus als unzeitgemäße Entwicklung angesichts einer Globalisierung, die die Bedeutung von Grenzen längst gemindert hat. Eine neue Weltordnung – die nach 1945 sei mit dem Fall der Berliner Mauer obsolet geworden, seitdem seien die USA mit dem Versuch, eine Pax Americana zu etablieren, gescheitert – sei aber noch nicht gefunden, vor allem fehle es noch an einem angemessenen kosmopolitischen Bewusstsein. Dies zeige sich insbesondere auch in der umstrittenen Frage des Umgangs mit Flüchtlingen und Einwanderern in Europa.
Jan Techau / Claire Demesmay / Piotr Buras
After Brexit
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Internationale Politik, Juli 2016
https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschriftindex.php?option=com_content&view=article&id=41317
Die drei Autoren repräsentieren Stimmen aus Deutschland, Frankreich und Polen. Claire Demesmay stellt die Entscheidung für den Brexit in den Kontext der französischen Präsidentschaftswahlen, während Jan Techau aus deutscher Perspektive „mindestens drei grundlegende Großreformen“ benennt, die die EU in „den nächsten fünf bis zehn Jahren“ vollbringen müsse. So gelte es, eine Fiskalunion zu gestalten, um die gemeinsame Währung zu erhalten. Da dies aber unweigerlich zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führen werde, müsse „eine politisch akzeptable und praktisch durchführbare Organisationsform für eine EU gefunden werden, die sich in Euro-Staaten und Nicht-Euro-Staaten teilt“. Schließlich sei es erforderlich, die EU „und insbesondere die dann neu aufgestellte Euro-Zone“ so zu demokratisieren, „dass sich die Bürger in substanziellen Fragen am Entscheidungsprozess beteiligt fühlen“. Piotr Buras schreibt, dass Polen mit dem Ausscheiden Großbritanniens den liebsten Verbündeten in der EU verliere. Mit dem Brexit seien nun ganz konkrete Sorgen verbunden: Wenn dieser „durchgesetzt ist, würde nach geltender Rechtslage etwa die Hälfte [der 700.000 Polen, die in Großbritannien leben und arbeiten] die Aufenthaltsgenehmigung für Großbritannien verlieren. Wenn dann alle gezwungen wären, nach Polen zurückzukehren, würde dies den heimischen Arbeitsmarkt zusätzlich belasten und womöglich zu sozialen und politischen Spannungen führen“. Zugleich bestätige die Entscheidung zum Brexit die polnische Regierung in ihrer Auffassung, dass die EU einer grundlegenden Reform bedürfe.
Toni Haastrup / Nadine Ansorg
Brexit will blow a hole in EU-Africa relations
The Conversation, 29. September 2016
https://theconversation.com/brexit-will-blow-a-hole-in-eu-africa-relations-65925
Die beiden Wissenschaftlerinnen sehen den Brexit auch als Schaden für die europäisch-afrikanischen Beziehungen: Großbritannien habe in der EU als wichtiger Akteur und auch Anwalt für die afrikanischen Belange gewirkt und dies in drei Bereichen: Wirtschaftsbeziehungen, Sicherheitspolitik und regionale Integration. Gerade für den letztgenannten Komplex biete nun ausgerechnet Großbritannien mit dem Brexit ein negatives Beispiel.
Judith Dellheim / Lutz Brangsch
Der Brexit und die Linke in Europa
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Standpunkte 32/16, November 2016
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_32-2016.pdf
Das Autorenteam interpretiert den Ausgang des Referendums als Zeichen der Schwäche der europäischen Linken. Diese habe es nicht verstanden, sich über die Jahrzehnte konsequent für eine Demokratisierung einzusetzen und auch nach Ausbruch der Finanzkrise nicht politisch gestaltend gewirkt. Den anderen politischen Kräften sei dadurch viel Spielraum eingeräumt, mit fatalen Folgen: „Nüchtern betrachtet hat der Versuch, die EU für die Etablierung eines exklusiven neoliberalen Konsenses zu nutzen, zu einer Vertiefung der Widersprüche geführt, die durch nationalistische Töne zwar überdeckt, aber nicht gelöst werden können. Der Brexit ist so ein Ausdruck der Schwäche aller beteiligten Interessengruppen.“ Gefordert sei nun eine solidarische Reform der EU.
Matthew Goodwin
Theresa May’s Snap Election Isn’t All About Brexit
Politico, 19. April 2017
http://www.politico.eu/article/why-theresa-mays-snap-election-isnt-all-about-brexit/
Die für den 8. Juni 2017 angesetzten Parlamentswahlen seien für die regierenden Konservativen und Premierministerin Theresa May ausgesprochen wichtig, weil man sich von einem klaren Wahlsieg große Symbolkraft verspreche, schreibt Matthew J. Goodwin, Politik-Professor am Rutherford College (University of Kent). Man wolle bei den Brexit-Verhandlungen gegenüber der EU mit dem Mandat eines in sich geeinten Landes auftreten, was zu gelingen scheine: „In this respect, it should be noted that Britain is no longer a nation divided, as it was last June, between the ‚52- and 48-percenters.‘ More recent polls suggest that a large majority of 69 percent want to proceed with Brexit while only 21 percent want to overturn the result. Mobilizing voters around the need to present a united front is a logical response.” May könne hoffen, ihre bislang schwache parlamentarische Mehrheit deutlich zu verbessern.
Zu den Daten der aktuellen Meinungsumfragen siehe:
Financial Times
UK’s EU referendum: Brexit poll tracker
https://ig.ft.com/sites/brexit-polling/
Demokratie und Frieden