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Die Frage nach der demokratischen Substanz. Der vergleichende Blick auf die Transformation in Ostmitteleuropa

27.10.2017
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Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin

Polish Legion in Budapest 1Polnische Nationalisten reisten im März 2016 zum Jahrestag der ungarischen Revolution 1848/49 nach Budapest. Diese hatte sich zu einem Krieg gegen die österreichische Vorherrschaft entwickelt. Foto: Elekes Andor (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Polish_Legion_in_Budapest_(1).JPG: CC BY-SA 4.0)

 

Warum haben Startbedingungen, die sich zumindest auf den ersten Blick stark ähnelten, zu doch sehr unterschiedlichen Verläufen der Transformationen in Ostmitteleuropa geführt? In dem Band Totalitarismus und Transformation wird sich einer Antwort unter dem Hinweis angenähert, dass die einstigen Staaten des Ostblocks Ende der 1980er-Jahre eben keine gleichförmigen Teile eines monolithischen Ganzen gewesen seien, sondern in voneinander divergierenden Zuständen den Systemumbruch vollzogen. Neben dem Wandel von Wirtschaft und Institutionen machen die Autoren insbesondere das Bildungsniveau der Bevölkerung sowie den Einfluss der EU als wichtige Faktoren aus. Die Beantwortung der Frage, inwieweit sich demokratische Substanz und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit herausbilden konnten, hängt zudem – wie am Negativbeispiel Ungarn gezeigt wird – davon ab, ob nach 1989 überhaupt ein Wechsel der Elite stattgefunden hat oder ob die alten Kader den Aufbruch mehr oder weniger blockieren. In Büchern wie Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa wird außerdem auf eine Problematik hingewiesen, die an neuer Virulenz gewonnen hat: Rassismus und Rechtsextremismus führen zu einer Verschärfung der politischen Debatte und zur gesellschaftlichen Ausgrenzung von Gruppen, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gezählt werden.


Uwe Backes / Tytus Jaskułowski / Abel Polese (Hrsg.)

Totalitarismus und Transformation. Defizite der Demokratiekonsolidierung in Mittel- und Osteuropa

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009 (Schriften des Hannah-Ahrendt-Instituts für Totalitarismusforschung 37); 380 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-525-36911-1
„Die großen Unterschiede der östlichen Transformationen werfen die Frage auf, warum auf den ersten Blick sehr ähnliche Startbedingungen zu so unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben“ (7), schreiben die Herausgeber einleitend zu den Beiträgen, die aus Vortragsreihen und Seminaren des Hannah-Arendt-Instituts hervorgegangen sind. Diese ergänzen sich so sinnvoll, dass der Band einen guten Überblick über die verschiedenen Aspekte dieses Themas bietet. Die wichtigste Erkenntnis dürfte ...weiterlesen


Gesine Drews-Sylla / Renata Makarska (Hrsg.)

Neue alte Rassismen? Differenz und Exklusion in Europa nach 1989

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Kultur und soziale Praxis); 330 S.; kart., 29,99 €; ISBN 978-3-8376-2364-2
Lange Zeit war in west‑ wie osteuropäischen Gesellschaften die Vorstellung prägend, sich vom Rassismus befreit zu haben. „Das Problem Rassismus wurde entweder in der Vergangenheit bzw. außerhalb der eigenen Gesellschaft […] verortet.“ Genau darin sehen die Herausgeberinnen „eines der Grundprobleme rassistischen Denkens“. Erst in den 1990er‑Jahren, als Europa verstärkt und immer wieder von Rassismus betroffen war, setzte sich die Erkenntnis durch, dass dieser in einer Vielzahl von neuen, sich teils überlagernden ...weiterlesen


Gregor Mayer / Bernhard Odehnal

Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa

St. Pölten: Residenz Verlag 2010; 297 S.; hardc., 21,90 €; ISBN 978-3-7017-3175-6
Obwohl in den letzten Jahren mit verschiedenen Veröffentlichungen die extreme Rechte in Mittel- und Osteuropa in den Blick genommen wurde, liegt der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Publikationen nach wie vor auf Westeuropa. Diese werden ergänzt durch zahlreiche journalistische Analysen, die häufig durch interessante Informationen und Einblicke bestechen. Mayer und Odehnal kommt der Verdienst zu, einem deutschsprachigen Lesepublikum erstmalig solche Blicke auf die extreme Rechte in Ungarn, Tsc...weiterlesen


Hans-Joachim Veen (Hrsg.)

Nach der Diktatur. Demokratische Umbrüche in Europa - zwölf Jahre später. Redaktion: Markus Pieper

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2003 (Europäische Diktaturen und ihre Überwindung 1); 225 S.; brosch., 17,90 €; ISBN 3-412-03603-X
Welches Maß an „demokratischer Substanz" (4) wurde seit 1989 in Polen, Tschechien, Ungarn und den neuen Bundesländern gewonnen? Politikwissenschaftler, Zeithistoriker und Zeitzeugen analysieren die Entwicklungen im Kontext der Geschichte, indem sie historische Umbrüche wie das Ende des Zweiten Weltkriegs oder den Prager Frühling und die jeweilige Entwicklung in den folgenden zwölf Jahren einbeziehen. Im Hintergrund steht die Frage, ob der Totalitarismus in Europa mit dem Niedergang des Sozialism...weiterlesen

 


Hans-Joachim Veen / Peter März / Franz-Josef Schlichting (Hrsg.)

Die Folgen der Revolution. 20 Jahre nach dem Kommunismus

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2010 (Europäische Diktaturen und ihre Überwindung 15); 183 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-412-20597-3
Vier Ländergruppen seien aus dem Systemwandel in Osteuropa hervorgegangen, schreibt der ungarische Wirtschaftswissenschaftler László Csaba in dem knapp und präzise formulierten Schlussbeitrag. In der ölreichen Gruppe der GUS-Staaten scheine sich ein oligarchischer Kapitalismus herausgebildet zu haben; in einer zweiten Gruppe ein Manchesterkapitalismus mit der Folge, dass betreffende Länder wie die des Baltikums, Rumänien, die Slowakei und Bulgarien von der Finanzkrise „in Hinblick auf Ertr...weiterlesen

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Literaturhinweis

Helmut Fehr
Vergeltende Gerechtigkeit – Populismus und Vergangenheitspolitik nach 1989
Leverkusen, Verlag Barbara Budrich 2016


Rezension

Hendrik Hansen / Barbara Zehnpfennig (Hrsg.)

Die Prägung von Mentalität und politischem Denken durch die Erfahrung totalitärer Herrschaft

Baden-Baden, Nomos 2016 (Andrassy-Studien zur Europaforschung 2)


Lassen sich aus der Verknüpfung von Totalitarismustheorie und der Erforschung der Transformation Erklärungen für den heutigen Zustand der postsozialistischen Länder gewinnen? Wie tot ist der Kommunismus? Warum erstarken rechtsradikale Strömungen? In den Beiträgen dieses Bandes werden die Schwierigkeiten der empirischen Messung von Mentalität problematisiert, entsprechende Versuche dennoch unternommen und aufgezeigt, mit welchen Folgen die fehlende Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit auf Untertanengeist und soziales Misstrauen trifft.
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