Skip to main content

„Illegitim, aber nicht illegal“. Der Umbau der ungarischen Demokratie im Spiegel der Literatur

27.10.2017
1 Ergebnis(se)
Autorenprofil
Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin

Foto: Nikodem Nijaki (Wikimedia Commons)Erinnerung an den Holocaust am Budapester Donauufer. Foto: Nikodem Nijaki (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shoes_Danube_Promenade_IMGP1297.jpg: CC BY-SA 3.0)„Es sind beklemmende Nachrichten, die seit 2010 mit wachsender Dringlichkeit aus Ungarn zu hören sind, diesem Land, das jahrzehntelang als Vorkämpfer der Demokratie im einstigen sowjetischen Machtbereich galt“, heißt es in der Einleitung des Bandes Ungarn und Europa. Positionen und Digressionen. Als wichtiger Gradmesser gilt die Meinungsfreiheit, die über neue Mediengesetze eingeschränkt worden ist – was in Constitutional Crisis in the European Constitutional Area als Angriff auf die konstitutionelle Demokratie identifiziert wird. Als außerdem problematisch wird in verschiedenen Büchern die Verklärung der Geschichte eingeordnet. Das Verhältnis von Politik und Gesellschaft zu den drei rechtsdiktatorischen Vergangenheiten – Horthy-Regierung, Pfeilkreuzler-Regime und NS-Besatzungsherrschaft – sei bis in die Gegenwart nicht geklärt, schreibt Regina Fritz in ihrer Dissertation Nach Krieg und Judenmord. Auch die Erinnerung an den Holocaust sei stark von parteipolitischen Zuspitzungen überformt. Insgesamt sei das Geschichtsbild durch die Ansicht geprägt, „dass es zum Schicksal der ungarischen Nation gehöre, sich gegen äußere Gegner erwehren zu müssen“ – so nachzulesen in dem Band Ungarn 1989-2014. Aus dieser Quelle speist sich ein als dezidiert exklusiv verstehender Nationalismus, vor dessen Hintergrund Ministerpräsident Viktor Orbán mit illegitimen, aber meist nicht illegalen Mitteln versucht, eine geschlossene Gesellschaft zu etablieren, wie Jan-Werner Müller in Wo Europa endet schreibt. Möglich sei dies, weil das Land seit hundert Jahren durch den tiefen Bruch zwischen Patriotismus und Liberalismus gekennzeichnet sei, meint Paul Lendvai in Mein verspieltes Land, und bisher es sei nicht gelungen, diesen zu schließen.









 

Neueste Beiträge aus
Repräsentation und Parlamentarismus
  • Biblio Link Michael Kolkmann / 19.02.2024

    Gerhard Paul: Die Bundesrepublik. Eine visuelle Geschichte

    Der Historiker Gerhard Paul hat mit seiner visuellen Geschichte der Bundesrepublik ein Buch vorgelegt, das unseren Rezensenten Michael Kolkmann vollends begeistert. Anhand zahlreicher Fotos und ausfü...
  • Biblio Link Ansgar Drücker / 07.02.2024

    Hendrik Cremer: Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist.

    Die AfD sei eine rechtsextreme Partei, die sich durch offenen Rassismus, Gewaltbereitschaft und Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus auszeichnet: Zu dieser Bewertung kommt der Jurist Hendrik Cremer...
  • Biblio Link Michael Kolkmann / 18.01.2024

    Martin Fuchs, Martin Motzkau: Digitale Wahlkämpfe. Politische Kommunikation in der Bundestagswahl 2021

    Der Sammelband behandelt die digitalen Wahlkämpfe im Bundestagswahljahr 2021. Die Beitragsautor*innen beleuchten erfolgreiche Kampagnen, Parteien und Kandidat*innen, die von digitaler Kommunikation p...

Mehr zum Thema

 

Analyse / Zsolt K. Lengyel / 29.11.2018

Das Ungarn-Bild der deutschen Medien. Entwicklungslinien nach 1990 und thematische Schwerpunkte von 2010 bis 2016

In seiner ausführlichen Analyse der Berichterstattung deutscher Leitmedien zeigt Zsolt K. Lengyel, geschäftsführender Direktor des „Hungaricum – Ungarisches Institut“ an der Universität Regensburg, dass das Ungarn-Bild der Deutschen Schlagseite erlitten habe. 

 

Mehr zum Themenfeld Parlamente und Parteiendemokratien unter Druck

 

Neueste Beiträge aus
Repräsentation und Parlamentarismus
  • Biblio Link Michael Kolkmann / 19.02.2024

    Gerhard Paul: Die Bundesrepublik. Eine visuelle Geschichte

    Der Historiker Gerhard Paul hat mit seiner visuellen Geschichte der Bundesrepublik ein Buch vorgelegt, das unseren Rezensenten Michael Kolkmann vollends begeistert. Anhand zahlreicher Fotos und ausfü...
  • Biblio Link Ansgar Drücker / 07.02.2024

    Hendrik Cremer: Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist.

    Die AfD sei eine rechtsextreme Partei, die sich durch offenen Rassismus, Gewaltbereitschaft und Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus auszeichnet: Zu dieser Bewertung kommt der Jurist Hendrik Cremer...
  • Biblio Link Michael Kolkmann / 18.01.2024

    Martin Fuchs, Martin Motzkau: Digitale Wahlkämpfe. Politische Kommunikation in der Bundestagswahl 2021

    Der Sammelband behandelt die digitalen Wahlkämpfe im Bundestagswahljahr 2021. Die Beitragsautor*innen beleuchten erfolgreiche Kampagnen, Parteien und Kandidat*innen, die von digitaler Kommunikation p...