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Die Welt des Stephen K. Bannon. Wie revolutionär ist die Trump-Administration?

12.06.2017
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Prof. Dr. Joachim Krause

Steve Bannon. Foto: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (Wikimedia Commons)Steve Bannon. Foto: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Steve_Bannon_(32319568893).jpg: CC BY-SA 2.0)

 

Einleitung

Die ersten Monate des neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald J. Trump lassen erkennen, dass sich der neue Herr im Weißen Haus als Speerspitze einer Mitte-Rechts-Revolution der kleinen Leute versteht, die sich gegen das politische Establishment in Washington richtet. Die oppositionelle Demokratische Partei ist sich einig in der Ablehnung dieser Revolution, das republikanische Establishment ist gespalten: auf der einen Seite die Mehrheit, die willig dem neuen Präsidenten folgt, und auf der anderen Seite die Skeptiker und Kritiker, die noch in der Minderheit sind. In Deutschland wie in anderen Ländern ist die Ratlosigkeit groß: Wie geht man mit einem Präsidenten um, der Milliardär ist und zugleich Revolutionär sein will? Wie lange wird dieser revolutionäre Impuls vorhalten? Wann wird sich die Politik der US-Administration normalisieren? Die Eskapaden von Präsident Trump und seinem Team sind beliebter Gegenstand von Witz und Satire oder von Empörung. Politisch hilft das nicht weiter. Ebenso wenig ergibt es Sinn, darauf zu hoffen, dass ein Impeachmentverfahren oder eine Krankheit dazu führen, dass Donald J. Trump vorzeitig abberufen wird.

Will die deutsche Politik mit der US-Regierung auskommen, dann muss sie die Ansichten und Motive verstehen lernen, die hinter diesem „revolutionären“ Anspruch stehen. Und um einzuschätzen, wie lange und wie nachhaltig dieser revolutionäre Impuls wirkt, muss sie die Dynamiken verstehen, die die Trump-Administration ausgelöst hat und welche sie noch auslösen wird. Ein Hauptelement dieser Dynamik sind die zentralen Wahlversprechen, die Trump vor allem in der letzten Phase des Wahlkampfes gegeben hat: Sie zielen auf die Schaffung von Millionen gut bezahlter und sicherer Arbeitsplätze in den USA durch Re-Industrialisierung, De-Regulierung, den Ausstieg aus Freihandelsabkommen und die Schließung der Grenzen für Migranten aus Lateinamerika und aus muslimischen Ländern. Diese zentralen Wahlversprechen hat ihm sein erst im Sommer 2016 eingesetzter Strategieberater Stephen K. Bannon nahegelegt. Damit hat Trump die Wahlen für sich und für die Republikaner entschieden und er bleibt somit ein Gefangener seiner Wahlversprechen. Die Einsetzung Bannons als Strategieberater des Präsidenten im Weißen Haus und dessen herausragende Position in der Administration lassen erkennen, dass er für Trump der wichtigste Anker bei der Umsetzung dieser Versprechen ist.1 Daher ist es angezeigt, sich mit dem Denken und den Ideen dieses Mannes zu beschäftigen – aber auch mit der Frage, wie realistisch seine Vorstellungen sind und wie seine Perspektiven innerhalb der Administration aussehen.

Über Stephen K. Bannon wird in den US-amerikanischen Medien ausgiebig berichtet. Er gilt als graue Eminenz hinter Trump. Die Beschreibungen seines Denkens und die Bewertungen seiner Rolle in den Kreisen der Politik, der einschlägigen Medien und der Intelligenz könnten negativer nicht ausfallen. Er gilt als der Mann, der für alles Schlechte steht, was Trump repräsentiert, als Prince of Darkness, als Darth Vader, als die dunkle Seite der Macht. Auch in den deutschen Medien und Talkshows wird er regelmäßig als Rechtsextremist, Rassist (White Suprematist und Antisemit) oder als Anti-Feminist bezeichnet. Er soll ein Bewunderer Putins sein und ihm werden faschistische Neigungen nachgesagt, etwa, weil er in einer Rede den italienischen Autor Julius Evola zitierte oder weil er Zustimmung zu einer Idee des französischen Nationalisten Charles Maurras äußerte, die dieser vor mehr als 100 Jahren entwickelt hatte. Andere sehen in ihm jemanden, der auf einen Krieg gegen den Islam hinarbeitet und von daher eine große Gefahr darstellt. Diese Beschreibungen werden von Bannon selbst zurückgewiesen und sind offenkundig auch nicht berechtigt. Bei näherem Hinsehen beruhen alle angeführten Belege auf Hörensagen und zweifelhaften Zeugen oder lassen erkennen, dass die Kritiker die entsprechenden Texte nicht oder nur oberflächlich gelesen haben.2 Dass diese Behauptungen dennoch so weite Verbreitung finden, mag an seiner Streitlust und seiner direkten Art im Umgang mit politischen Gegnern liegen. Erkennbar ist daran aber auch, wie unversöhnlich der innenpolitische Streit in den USA geworden ist. Wenn diese Kennzeichnungen in Deutschland durchweg für bare Münze genommen werden, zeigt dies, wie sehr auch unsere öffentliche Debatte von dem Zerfall der politischen Kultur in den USA in Mitleidenschaft gezogen wird – und dieser Zerfall findet auf beiden Seiten des politischen Grabens statt. Daher ist es angebracht, sich an dem zu orientieren, was der ehemalige Marinesoldat, Investmentbanker, Filmemacher und Journalist Bannon tatsächlich gesagt und geschrieben hat und nicht an dem, was ihm von Personen nachgesagt wird, die ihn als politischen Gegner ansehen. Für diese Vorgehensweise spricht auch, dass seriöse Wissenschaftler und Journalisten, die vor seinem politischen Aufstieg mit ihm zu tun hatten (und die keinesfalls zu seinen Anhängern zählen), nicht den Eindruck gewonnen hatten, dass es sich bei Bannon um einen Rassisten, Rechtsextremisten oder Kriegspropagandisten handele.3

Bannon ist nicht der typische Vertreter einer wissenschaftlichen oder theoretischen Schule, sondern hat sich eine politische Meinung oder eine Art Philosophie zurechtgelegt, die man in ihren Kernelementen wiedergeben und in Bezug zu bekannten Mustern politischen Denkens setzen kann. Bannon soll zwar in politischer Philosophie belesen sein,4 aber es ist bei ihm kein durchgehender Ansatz erkennbar, der eine bekannte politische Philosophie widerspiegelt. Seine politische Philosophie entstand in der Auseinandersetzung mit konkreten historischen Ereignissen (wie mit dem Scheitern der Operation zur Befreiung der US-amerikanischen Geiseln aus der Botschaft in Teheran Ende 1979 oder der Bankenkrise im September 2008) sowie aus persönlichen Erfahrungen und Begegnungen.5 Allerdings hat er eine Reihe von Büchern und Texten von zum Teil eher unkonventionellen Autoren gelesen und zum Teil daraus Gedanken adaptiert. Seine Überlegungen finden sich vor allem in seinen Filmen6 sowie in zwei Reden: eine Rede vom Oktober 2011 in Orlando, Florida, und eine weitere, die er im Sommer 2014 per Skype an die Teilnehmer einer Konferenz im Vatikan richtete.7 Die Inaugurationsrede von Präsident Trump vom 20. Januar 2017 verrät auch seine Denkart, sie soll von ihm formuliert worden sein. Auch lassen sich Äußerungen in der von ihm bis vor Kurzem geleiteten Internetplattform Breitbart News auswerten. Entgegen immer wieder zu hörenden Ausführungen ist Breitbart News hauptsächlich eine Internetplatform, die vor allem Kommentare und Kurzmeldungen aus dem illustren Kosmos des neuen oder alternativen Konservatismus der USA wiedergibt.8 Die Qualität der meisten Beiträge ist als amateurhaft zu qualifizieren und kann mit dem Niveau professioneller Nachrichtensender oder Zeitungen nicht mithalten.

Die zentralen Elemente der Gedankenwelt des Stephen K. Bannon sind, was die Gegenwartsanalyse betrifft, (1) die Orientierung an einem zyklischen Weltbild, das auf Schriften von William Strauss und Neil Howe basiert, (2) eine Kritik am Kapitalismus und am politischen Establishment, die von libertinären und konservativen Grundlagen ausgeht und stark von Schriften Nassim Talebs geprägt ist, die aber auch Schnittmengen mit marxistischen Denkkategorien erkennen lässt, und (3) die Furcht vor einer neuen Welle eines Totalitarismus, die aus dem politischen Islam entstehen könnte. Aus diesen drei Elementen erwachsen seine Überlegungen zur politischen Programmatik. Diese bestehen in erster Linie aus der Forderung nach (1) Wiederherstellung demokratischer Souveränität durch die Zerschlagung einer angeblich abgehobenen und parasitär gewordenen politischen Klasse in den USA, (2) Wiederherstellung nationaler Souveränität durch die Absage an Globalismus und Multilateralismus sowie (3) Vorbereitung auf einen voraussichtlich blutigen Kampf gegen den totalitären Islamismus.
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2 2017 Sirius CoverDer vollständige Text ist erschienen in Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen, Heft 2 / 2017: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2017.1.issue-2/sirius-2017-0028/sirius-2017-0028.xml?format=INT

 

 

 

 

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