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Philipp Adorf: Die Republikanische Partei in den USA

18.03.2020
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Autorenprofil
Dr. Michael Kolkmann
München, UVK Verlag 2019 (UTB)

Blickt man auf die Literaturlandschaft zum politischen System der Vereinigten Staaten, so überwiegen die eher allgemein gehaltenen Einführungswerke sowie der Fokus auf einzelne Präsidenten und deren Administrationen. Umso löblicher ist es, dass der Bonner Politikwissenschaftler Philipp Adorf mit „Die Republikanische Partei in den USA“ eine der beiden großen US-amerikanischen Parteien herausgreift und einer tiefgehenden Analyse unterzieht. Dabei gelingt es ihm – so viel sei vorweggenommen –, stets auf vorbildliche Art und Weise die Verbindung dieses Themas zu allgemeineren Fragen des politischen Systems zu halten. Adorf selbst betont: „Der Werdegang der Republikanischen Partei liefert […] auch Einblicke in die allgemeinen Herausforderungen, mit denen sich die amerikanische Demokratie im 21. Jahrhundert konfrontiert sieht“ (11). Unter der Hand entwickelt sich diese Parteienstudie somit zu einer Darstellung der zentralen politischen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten der Nachkriegszeit. Und der Blick auf das Verhalten der Republikaner im US-Kongress der jüngsten Zeit, besonders erhellend anhand des Impeachment-Verfahrens gegen Präsident Donald Trump im Winter 2019/20, zeigt die einschneidenden und langfristig wirkenden Veränderungen dieser Partei im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte bis zum heutigen Zustand.

Einleitend rekurriert Adorf auf die Präsidentschaftswahl 2016 und konstatiert, dass „die Trump-Kandidatur und ihr schlussendlicher Erfolg […] Analysten, Wissenschaftler und das Führungspersonal der Republikanischen Partei vor ein Rätsel“ (7) gestellt hat. Eindringlich beschreibt Adorf jedoch nicht nur aktuelle Ereignisse und Prozesse innerhalb des politischen Systems der Vereinigten Staaten, sondern identifiziert Trump und seine Politik als Konsequenz der Entwicklung der Republikanischen Partei seit den 1960er-Jahren, denn: „[O]hne die jahrzehntelange Vorarbeit anderer republikanischer Politiker und Strategen“ wäre „Trumps Kandidatur und sein innerparteilicher Erfolg auf der Basis seines nativistischen Populismus“ nicht möglich gewesen. Daher legt der Verfasser seinen Fokus auf die Aspekte, „die Trumps erfolgreiche Kandidatur ermöglichten, die seine Popularität in den eigenen Reihen erklären und die darüber hinaus die Zukunft der Republikanischen Partei erklären werden“ (8).

Ausführlich geht Adorf zunächst in Kapitel zwei auf die „Eroberung des Südens“ (13) durch die Republikanische Partei ein. Dabei spannt er den Bogen von Barry Goldwaters Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen von 1964 (der Anfang der „Southern Strategy“ [28, Hervorhebung im Original]) über Richard Nixons „Adjustierung der Southern Strategy (41) bis hin zu Ronald Reagans „Perfektionierung der Southern Strategy“ (57) sowie deren Rolle seit der Präsidentschaft Reagans (1981-1989) ein. Im dritten Kapitel wird unter anderem die Frage thematisiert, ob man in Bezug auf Donald Trump von einer „Krönung der Southern Strategy“ sprechen könne (vgl. 128). Zuzustimmen ist Adorfs Einschätzung, wenn er schreibt: „Moralisch sicherlich mehr als fragwürdig, führte der Siegeszug im Süden dank der Fokussierung auf weiße Wähler mit rassistischen Ressentiments zu einer politischen Dominanz, die der Republikanischen Partei auf verschiedenen politischen Ebenen zum Status des federführenden Akteurs verhalf.“ (221)

Im bereits erwähnten dritten Kapitel beschreibt Adorf anschließend die Zusammensetzung der Republikanischen Partei zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dabei geht er auf die politische Elite der Partei ebenso auf wie auf die Rolle und Bedeutung der christlich-konservativen Wähler und der seit 2008 aktiven „Tea Party“-Bewegung ein (vgl. 93 ff.).

Immer wieder greift der Autor problemorientiert wichtige Aspekte auf, die er jeweils einer genaueren Analyse unterzieht. Die eigene Identität („identity“) zum Beispiel ist laut Adorf zu einer der zentralen politischen und gesellschaftlichen Konfliktlinien geworden: „Politik wird hierbei innerhalb eines beträchtlichen Teils der republikanischen Stammwählerschaft immer stärker als Kampf der verschiedenen ethnischen Gruppen wahrgenommen, in dem der Anstieg an politischem Einfluss der Minderheiten (nicht zuletzt symbolisiert durch den Sieg Barack Obamas) unweigerlich auf Kosten der eigenen politischen Relevanz kommt. Es ist ein Narrativ, das von republikanischer Seite seit Jahrzehnten genährt wird – Donald Trumps Triumph stellt hierbei in gewisser Weise nur das jüngste Beispiel dieser bewährten Strategie dar.“ (9) Zugleich erläutert Adorf aber auch die möglichen Grenzen dieser Politik: „Gegenüber einer Wählerschaft, die immer säkularer, gebildeter und weniger weiß geworden ist (und werden wird), präsentiert sich die Republikanische Partei kurz vor der Präsidentschaftswahl 2020 als eine Partei der weißen, (christlich-)konservativen Wählerinnen und Wähler ohne Hochschulabschluss“ (9). Zusammengefasst bedeutet dies: „Der Republikanischen Partei gehen die Wähler aus. Denn so gut wie jeder demografische Trend des Landes spricht für ihren demokratischen Gegner“ (11; ausführlicher 149 ff.).

Auf den ersten Blick scheint die Lage der Republikanischen Partei im Jahre 2019 nicht allzu schlecht zu sein: Sie kontrolliert das Amt des Präsidenten, stellt die Mehrheit im US-Senat sowie eine überwältigende Mehrheit der Parlamentskammern auf der Ebene der Bundesstaaten, „in denen weiterhin oft die wichtigsten alltäglichen politischen Entscheidungen des Landes getroffen werden“ (vgl. 221 f.). Auch wenn „die Partei seit 1992 nur ein einziges Mal in sieben Versuchen die Popular Vote der Präsidentschaftswahl gewinnen konnte, verfügt sie trotzdem über eine Zusammensetzung der Wählerschaft, die es ihr dank des Modus des Electoral College erlaubt, auch in diesem elektoralen Umfeld wettbewerbsfähig zu sein“ (222, Hervorhebungen im Original).

Auf den zweiten (und dritten) Blick jedoch wird „der demografische Wandel des Landes […] der Partei keine andere Möglichkeit offenlassen, als Wählersegmente anzusprechen, die sie bis jetzt missachtet hat.“ (224) In diesem Kontext werden sehr ausführlich vor allem dieser demografische Wandel der Vereinigten Staaten als auch die Veränderungen der ethnischen Zusammensetzung des Landes sowie „[r]epublikanische Defizite in […] wachsenden Segmenten der US-Bevölkerung“ vorgestellt sowie republikanische Maßnahmen des Machterhalts wie das redistricting (und damit einhergehend das Ungleichgewicht der Repräsentation im US-Repräsentantenhaus) sowie Aktivitäten zur Einschränkung des Wahlrechts erörtert (vgl. 180 ff.).

Dabei ist es wichtig, den folgenden Aspekt im Hinterkopf zu behalten, wie Adorf später im Fazit bilanziert: Die Wähler, die Trump ins Weiße Haus getragen haben, bilden „keineswegs den radikalen Rand der Republikanischen Partei, sondern vielmehr ihr ideologisches Herz“ (222). Die Republikanische Partei muss dabei als „ein Konstrukt von beeindruckender ideologischer (sowie auch demografischer) Homogenität“ (223) verstanden werden.

So sehr Adorf aus politikwissenschaftlicher Sicht auf die „party in the electorate“, sprich: die elektorale Nachfrageseite abhebt und dabei quasi auch ein Stück politische und gesellschaftliche Geschichte der Vereinigten Staaten schreibt, so sehr hätte man sich gewünscht, dass auch die „party organization“, also der strukturelle Aufbau der Partei mit seinen diversen Leitungsgremien und Führungspersönlichkeiten stärker berücksichtigt worden wäre. Auch der wichtige Bereich des „Party in Congress“ beziehungsweise „Party in Government“ hätte (noch) mehr Aufmerksamkeit erfahren dürfen. Wie sehr aber das Bild dieser Partei, gerade in der Wahrnehmung der US-amerikanischen Öffentlichkeit, auch vom Wirken ihrer Abgeordneten bestimmt wird, wird auf diese Art und Weise leider nicht weiter ausgeführt.

Wer aber summa summarum mehr darüber wissen möchte, warum die Republikanische Partei und deren Akteure heute so handeln wie sie es tun, der ist mit diesem Buch bestens bedient, denn en passant weitet sich die Parteigeschichte und Charakterisierung der Republikanischen Partei zu einer Darstellung der allgemeinen politischen Entwicklung der Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahrzehnten. Das Werk besticht durch eine Fülle an Zahlen, Fakten und Daten. Den Einschätzungen und Urteilen Adorfs ist dabei in nahezu allen Fällen zu folgen. Ein detailliert ausgefallenes Quellenverzeichnis lädt am Ende des Buches zum Weiterlesen ein. Der geneigte Leser wartet jetzt darauf, dass ein ähnlicher Band auch für die Demokratische Partei der Vereinigten Staaten geschrieben wird. Dieser Band dürfte sicherlich ebenfalls so aufschlussreich und spannend ausfallen wie das hier vorgestellte Buch.

 

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