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Integration bleibt eine Herausforderung in Deutschland. Zuwanderungsgruppen und Integrationsmaßnahmen

17.06.2018
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Dr. Axel Kreienbrink
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Özlem Konar, M.A.
Grafik: Geralt / PixabayGrafik: Geralt / Pixabay

 

Migration ist ein aktuelles und globales Thema. Debatten darüber erwecken den Anschein, als sei die Welt in Bewegung. Doch welchen Umfang hat die Migration tatsächlich? Laut Angabe der Vereinten Nationen (VN) betrug die Zahl der Migranten im Jahr 2017 weltweit 258 Millionen. Nach der Definition der VN zählen jene Menschen als Migranten, die nicht in ihrem Geburtsland leben. Bei einer Weltbevölkerung von 7,5 Milliarden sind damit circa 3,4 Prozent als Migranten zu bezeichnen. Dieser Anteil ist über die vergangenen Jahre zwar weitgehend stabil geblieben, angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung ist der Umfang jedoch in absoluten Zahlen gestiegen – im Vergleich sind das 49 Prozent mehr als die 173 Millionen im Jahr 2000.

Mehr als die Hälfte aller Migranten lebten 2017 in lediglich zehn Ländern, wobei an erster Stelle die USA mit einem Anteil von 19 Prozent (49,8 Millionen) stehen. Danach folgen Saudi-Arabien an zweiter und Deutschland an dritter Stelle mit jeweils 12,2 Millionen (je 5 Prozent) sowie die Russische Föderation an vierter Stelle mit 11,7 Millionen (5 Prozent), das Vereinigte Königreich mit 8,8 Millionen (3 Prozent) und die Vereinigten Arabischen Emirate mit 8,3 Millionen (3 Prozent). Unter den internationalen Migranten entfallen 10 Prozent oder 25,9 Millionen Menschen Ende 2016 auf internationale Flüchtlinge und Asylsuchende. Deutschland steht als Aufnahmeland dabei an sechster Stelle mit 1,3 Millionen. Die meisten Geflüchteten suchen allerdings Schutz in den unmittelbaren Nachbarländern der Krisenregionen. Die Hauptzielländer waren daher vor allem die Türkei (3,1 Millionen), Jordanien (2,9 Millionen), die autonomen Palästinensergebiete (2,2 Millionen), der Libanon (1,6 Millionen) und Pakistan (1,4 Millionen).1

Die Zahl von Migranten stellt stets das Ergebnis des Zuwanderungsgeschehens dar, also von Zu- und Fortzügen in ein Land. In Deutschland wurden nach den aktuell vorliegenden Wanderungszahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2016 1.865.000 Zuzüge und 1.365.000 Fortzüge über die deutschen Grenzen registriert, was einen Wanderungsüberschuss von 500.000 Personen mit sich brachte (vgl. Abbildung 1). Im Vergleich zum Vorjahr waren das 272.000 Zuzüge weniger (- 13 Prozent) und 368.000 Fortzüge mehr (+ 37 Prozent).

Abbildung 1: Zu- und Fortzüge über die Grenzen Deutschlands von 2006 bis 2016

 

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Quelle: Statistisches Bundesamt 2018 (eigene Darstellung)

 

Der Rückgang der Zuwanderung nach Deutschland ist insbesondere auf die gesunkene Fluchtmigration zurückzuführen. Während 2015 noch 890.000 Asylsuchende registriert wurden, ging die Zahl neuankommender Asylsuchender 2016 auf gut 280.000 und 2017 auf 186.644 zurück.2 Demgegenüber bildeten Zuwanderer aus den EU-Mitgliedstaaten 2016 wie bereits vor 2015 wieder die mit Abstand größte Gruppe. Diese Migration innerhalb der Europäischen Union wird im EU-Sprachgebrauch auch als Binnenmobilität bezeichnet. Zudem wurden 2016 in Deutschland 105.551 Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen erteilt, während eine annähernd ebenso große Zahl ausländischer Studierender ein Studium an einer deutschen Hochschule aufgenommen hat. Zum Zweck der Erwerbsmigration schließlich wurde 50.964 Personen ein Aufenthaltstitel erteilt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Überblick über die wichtigsten Zuwanderungsgruppen nach Deutschland 2015-2017

 

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Quellen: Statistisches Bundesamt 2018, BAMF 2017, Ausländerzentralregister, Bundesministerium des Innern

Eine Addition der Zuwanderungsgruppen zu einer Gesamtsumme ist aufgrund unterschiedlicher Erhebungskriterien (zum Beispiel Fall- vs. Personenstatistik) und Doppelzählungen (zum Beispiel EU-Binnenmigration und Saisonarbeitnehmer aus EU-Staaten) nicht möglich.

 

Die beiden größten Zuwanderungsgruppen im Profil

Zuwanderung von EU-Bürgern nach Deutschland

2016 wurden insgesamt 796.522 Zuzüge sowie 584.470 Fortzüge von EU-Bürgern in die Bundesrepublik registriert, womit sich ein positiver Wanderungssaldo von 212.052 ergab (vgl. Abbildungen 3 und 4). Unionsbürger sind freizügigkeitsberechtigt, das heißt sie können sich innerhalb der Mitgliedstaaten der EU frei bewegen, wohnen und arbeiten. Einen besonderen Anteil an den Zuzügen machen EU-Bürger aus den Mitgliedstaaten aus, die im Zuge der EU-Osterweiterungen 2004 und 2007 beigetreten sind. Rund 28 Prozent der Zuzüge entfielen auf rumänische und weitere 20 Prozent auf polnische Staatsangehörige. Damit stellten Staatsangehörige aus diesen beiden Mitgliedstaaten fast die Hälfte aller Zuzüge im Rahmen der EU-Binnenmigration dar (vgl. Abbildung 3).

 

Abbildung 3: Zuzüge von EU-Bürgern nach Deutschland im Jahr 2016

 

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Quelle: Statistisches Bundesamt 2018

Gleichzeitig entfielen 28 Prozent der Fortzüge auf Staatsangehörige aus Rumänien und 23 Prozent aus Polen. Damit stellten rumänische und polnische Staatsangehörige fast die Hälfte der Gruppe an Abwanderern dar (vgl. Abbildung 4).

 

Abbildung 4: Fortzüge von EU-Bürgern aus Deutschland im Jahr 2016

 

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Quelle: Statistisches Bundesamt 2018

Insgesamt machen EU-Bürger unter allen in Deutschland lebenden Ausländern (10.623.940 Personen) einen Anteil von 44,3 Prozent aus. Die Mehrzahl stammt aus Polen (18,4 Prozent der EU-Bürger), Italien (13,7 Prozent), Rumänien (13,2 Prozent) und Kroatien (7,8 Prozent).

Über die beiden aktuell zuzugsstärksten Gruppen aus der EU (rumänische und polnische Staatsangehörige) liegen Informationen über die Motive und Aufenthaltszwecke vor, die im Rahmen der „Repräsentativuntersuchung ausgewählte Migrantengruppen (RAM)“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2015 befragt wurden.3 Bei den seit 2010 nach Deutschland Zugewanderten beider Untersuchungsgruppen dominierten arbeitsmarktorientierte Gründe für ihre Migration: Rund 70 Prozent kamen nach Deutschland, um eine Arbeit zu suchen oder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Ergebnisse des Zuwanderungsmonitors des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) deuten darauf hin, dass die Arbeitsmarktorientierung bei Unionsbürgern insgesamt sehr stark ausgeprägt ist. So lag die Beschäftigungsquote bei Bürgern aller 27 EU-Länder (ohne Deutschland) im Alter von 15 bis unter 65 Jahren im Februar 2018 bei 53 Prozent. Bei bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen war sie mit 59 Prozent sogar etwas höher.4

Die seit 2010 nach Deutschland zugewanderten polnischen Bürger weisen nach der erwähnten BAMF-Befragung ein gutes Bildungsniveau auf.5 76 Prozent verfügen über einen mittleren oder hohen Schulabschluss, weitere 83 Prozent können eine berufliche Ausbildung oder ein Studium nachweisen. Rumänische Neuzuwanderer bringen etwas schlechtere Voraussetzungen mit – dies betrifft weniger die schulische Bildung: 68 Prozent haben einen mittleren oder hohen Schulabschluss. Allerdings können 38 Prozent keinen beruflichen Ausbildungs- oder Studienabschluss vorweisen. Da die Arbeitsmarktintegration besonders durch Bildung und Qualifikation bestimmt wird, ist das Risiko von schlechteren Arbeitsmarktchancen bei dieser Gruppe höher. Dies zeigt sich im IAB-Zuwanderungsmonitor, wonach im Januar 2018 die SGB-II-Quote6 bei bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen 17 Prozent beträgt und damit höher als bei Unionsbürgern insgesamt (10 Prozent) ausfällt.7 Zugleich ist der Anteil der Erwerbstätigen, die ergänzend Leistungen nach dem SGB II beziehen, in dieser Gruppe überproportional hoch.

In Deutschland lebende EU-Bürger haben keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Teilnahme an Integrationskursen. Dennoch werden sie unter bestimmten Bedingungen zugelassen; wenn sie beispielsweise nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen und noch freie Plätze vorhanden sind. Die EU-Bürger zeigen großes Interesse an diesen Kursen: 2015 waren noch knapp 42 Prozent der neuen Integrationskursteilnehmer Unionsbürger (75.017 Personen).8 Mit der starken Fluchtmigration 2015/2016 sank ihr Anteil 2016 auf 18 Prozent ab (60.350 Personen). Der relativ hohe Rückgang war vor allem darauf zurückzuführen, dass vermehrt Kursplätze an anspruchsberechtigte Geflüchtete vergeben wurden. 2017 war das Interesse an Integrationskursen anhaltend groß, wenngleich der Anteil mit 17,2 Prozent leicht rückläufig ist (50.166 Personen).9

Migration nach Deutschland aus humanitären Gründen

Im Jahr 2015 war die Zuwanderung nach Deutschland hauptsächlich durch humanitäre Migration geprägt, die Zahl der eingereisten Asylsuchenden erreichte in jenem Jahr mit 890.000 Personen einen historischen Höchststand. Gleichzeitig war es nicht in allen Fällen möglich, die Annahme eines Asylantrags zeitnah zur erstmaligen Registrierung als Asylsuchender durchzuführen. So fiel die Anzahl der Asylerstanträge im Vergleich zu den neueingereisten Asylsuchenden im Jahr 2015 deutlich niedriger aus (441.899). Die Antragstellung der Personen, die 2015 eingereist waren, jedoch keinen Asylantrag stellen konnten, wurde in 2016 nachgeholt – so wurden 2016 722.370 und im Jahr 2017 198.317 Erstanträge entgegengenommen, was einen Rückgang um 73 Prozent bedeutete. 2016 sowie 2017 suchten mit 280.000 beziehungsweise 186.644 Personen wesentlich weniger Menschen Schutz in Deutschland als 2015.

Die Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden waren 2016 Syrien – mit 266.250 Asylerstanträgen, was einem Anteil von 37 Prozent des Jahres entsprach –, gefolgt von Afghanistan (17 Prozent). Zusammen mit dem Irak (13 Prozent) entfielen damit etwa zwei Drittel aller 2016 gestellten Erstanträge auf diese drei Herkunftsländer (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Asylerstantragsteller (Erstanträge) nach den häufigsten Herkunftsländern im Jahr 2016

 

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Quelle: BAMF 2017

Die Zusammensetzung der zugangsstärksten Herkunftsländer hat sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr nur hinsichtlich zwei Staaten verändert: Albanien gehörte nicht mehr zur Gruppe der zehn häufigsten Herkunftsländer, weshalb nunmehr keine Staatsangehörigen aus den Westbalkan-Staaten unter diesen vertreten waren. Auch Pakistan gehört nicht mehr zu den zehn häufigsten Herkunftsländern, dafür zählten 2017 Somalia und die Türkei dazu (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Asylerstantragsteller (Erstanträge) nach den häufigsten Herkunftsländern im Jahr 2017

 

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Quelle: BAMF 2018

 

Das Profil der Asylantragsteller 2017 stellt sich wie folgt dar: 45 Prozent der Asylbewerber waren jünger als 18 und 75 Prozent jünger als 30 Jahre. Die Mehrheit der Asylerstanträge wurde von männlichen Asylantragsstellern gestellt (rund 61 Prozent). Zwei Drittel der Erstantragstellenden waren Muslime, rund 21 Prozent Christen, gefolgt von Jesiden mit einem Anteil von sieben Prozent.

Anders als bei der Erwerbsmigration oder dem Familiennachzug handelt es sich bei Fluchtmigration in der Regel nicht um geplante Migration. Auch wenn bestimmte Zufluchtsgebiete bevorzugt werden, das Erreichen des angestrebten Ziellandes ist nicht immer gewährleistet.10 Für Schutzsuchende führt diese Ausgangslage dazu, dass sie vor ihrer Einreise nicht in die im Zielland notwendigen elementaren Kompetenzen und die Sprache investieren können wie andere Zuwanderergruppen. Hinzu kommt, dass viele durch Gewalt und Flucht ihre Bildungs- beziehungsweise Erwerbsbiografie vorzeitig abbrechen mussten.

Die Ergebnisse der repräsentativen IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten vermitteln einen Einblick in die Bildung und Arbeitsmarkterfahrung von Schutzsuchenden.11 Für diese Studie wurden erwachsene Personen befragt, die in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis einschließlich 31. Januar 2016 nach Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben.

Erste Erkenntnisse zeigen, dass 16 Prozent der Befragten eine Hochschule oder berufliche Bildungseinrichtung besucht haben während weitere 35 Prozent angaben, eine weiterführende Schule besucht und abgeschlossen zu haben. Lediglich 12 Prozent haben in ihrem Herkunftsland eine Grundschule und 13 Prozent gar keine Schule besucht. Gleichzeitig ergab die Untersuchung eine hohe Bildungsaspiration: Knapp die Hälfte der Befragten will einen (höheren) Schulabschluss erwerben.

Nur ein geringer Teil der Befragten verfügte bei der Einreise über Kenntnisse der deutschen Sprache – 90 Prozent gaben an, vor ihrer Flucht überhaupt nicht Deutsch gesprochen zu haben, rund ein Drittel verfügt über Englischkenntnisse. Allerdings steigt die subjektive Einschätzung der Sprachkenntnisse mit der Dauer des Aufenthalts: 19 Prozent der Interviewten, die länger als zwei Jahre in Deutschland lebten, stuften ihre Kenntnisse der deutschen Sprache als gut oder sehr gut ein. Bei Geflüchteten, die sich bereits seit drei Jahren in Deutschland aufhalten, liegt der Anteil mit sehr guten oder guten Deutschkenntnissen bei 27 Prozent. Außerdem berichten besonders häufig anerkannte Geflüchtete, besser Deutsch zu sprechen (19 Prozent).

Maßnahmen für die Integration von Zuwanderern12

Zuwanderern stehen in Deutschland zahlreiche Maßnahmen in den Bereichen Sprachvermittlung, Bildung, Ausbildung und Arbeit sowie zur gesellschaftlichen Integration zur Verfügung. Im föderalen Mehrebenensystem der Bundesrepublik sind hierfür sowohl der Bund, die Länder als auch die Kommunen verantwortlich.13

Zentraler Punkt ist die Vermittlung der deutschen Sprache, die bereits mit Sprachfördermaßnahmen bei der frühkindlichen Bildung in den Kitas einsetzt und von der Bundesregierung mithilfe des Programms „Sprach-Kitas“ unterstützt wird.14 Daran schließt sich die schulische Sprachförderung im Fach Deutsch an, die sich an Kinder wendet, deren Deutschkenntnisse nicht ausreichen. Die Formate sind je nach Alter der Kinder, Schulform und Bundesland verschieden (Übergangsklassen, Deutschförderklassen, Basisklassen, Intensivklassen etc.).15

Integrationskurse bilden das Kernstück der Integrationsmaßnahmen für erwachsene Zuwanderer – finanziert vom Bund und umgesetzt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Neben dem allgemeinen Integrationskurs (600 Stunden Sprachkurs, 100 Stunden Orientierungskurs) werden Alphabetisierungskurse für Frauen, Eltern, Jugendliche und junge Erwachsene (die nicht mehr der Schulpflicht unterliegen) sowie Förderkurse mit einem höheren Sprachkursanteil (900 Stunden) angeboten. Zugewanderte mit einem Schul- oder Ausbildungsabschluss (analog der Hochschulreife) können einen Intensivkurs belegen (400 Stunden Sprach-, 30 Stunden Orientierungskurs). Von den bundesweit 1.736 Trägern (zum Beispiel Volkshochschulen, private Sprach- und Fachschulen, Bildungsstätten) wurden allein 2017 18.900 Kurse begonnen. Insgesamt haben zwischen 2005 und 2017 rund 1,95 Millionen Personen einen Integrationskurs begonnen, davon knapp 292.000 im Jahr 2017, was einem Rückgang von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht, der nach dem starken Anstieg 2016 (durch die Flüchtlingszuwanderung 2015) auf das nunmehr abnehmende Teilnehmerpotenzial zurückzuführen ist.

Spracherwerb wird aber auch mit Blick auf die Integration in den Arbeitsmarkt gefördert. Bereits seit 2007 konnten Zuwanderer in den ESF-BAMF-Sprachkursen berufsrelevante Sprachkenntnisse erwerben. Zur Zielgruppe zählen Personen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld I und II, aber auch Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund und geringen Sprachkenntnissen (mindestens auf Niveau A1).16 Die Kurse stellen eine „Brücke zwischen dem Integrationskurs und der Vermittlung in Beschäftigung oder Ausbildung“17 dar. Dieses Programm läuft allerdings aus. Dafür erweiterte der Bund Mitte 2016 sein Angebot dahingehend, dass die berufsbezogene Deutschsprachförderung nun zu einem Regelinstrument seiner Sprachförderung gemacht wurde. Sie wird ebenfalls vom BAMF umgesetzt und setzt auf den Integrationskursen auf. Die Förderung besteht aus unterschiedlichen Modulen, die sich wie bei einem Baukastenprinzip individuell kombinieren lassen und das Erlernen der deutschen Sprache mit Arbeitsintegrationsförderungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit verbinden. Neben dem Basismodul (400 Stunden, um das Zielsprachniveau B2 zu erreichen) gibt es Spezialmodule für verschiedene Berufe, für Personen, die sich in einem Verfahren zur Anerkennung ihrer ausländischen Qualifikationen befinden, oder für solche, die im regulären Integrationskurs nicht das Niveau B1 erreichen konnten.18

Maßnahmen zur Integration, die hier anschließen, sind zum Beispiel solche aus dem Programm „Integration durch Qualifizierung“, das über 400 Teilprojekte umfasst – mit Schwerpunkten in den Bereichen Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung. Dazu kommen Qualifizierungsmaßnahmen für Personen, die über ausländische Abschlüsse verfügen. Die Umsetzung findet durch 16 Landesnetzwerke statt.19 Für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse haben sowohl der Bund als auch die Länder für die Berufe in ihren jeweiligen Zuständigkeiten (Länder zum Beispiel Lehrer, Ingenieure, Architekten, soziale Berufe) Anerkennungsgesetze erlassen und Stellen für die Anerkennung bestimmt.20

Der Bund und die Länder fördern auch die Beratung für Zuwanderer. Seit 2005 gibt es die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) als zeitlich befristetes und individuelles Beratungsangebot durch Träger der Wohlfahrtspflege (oft in der Sprache des Herkunftslandes). Es richtet sich an Neuzugewanderte über 27 Jahre und berät zu Themen wie dem Erlernen der deutschen Sprache, Schule und Beruf, Wohnen, Gesundheit oder Ehe, Familie und Erziehung. Auch schon länger hier lebende Zuwanderer können beraten werden, wenn ein „nachholender Integrationsbedarf“ vorliegt.21 Daneben gibt es, gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Beratung der Jugendmigrationsdienste (JMD) für Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 27 Jahren. Die JMD arbeiten dabei mit Schulen, Ausbildungsbetrieben, Integrationskursträgern und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe zusammen. Die konkreten Angebote reichen von individueller Begleitung mit Integrationsförderplänen über Einzelfallberatungen und Elternarbeit bis hin zu verschiedenen Gruppenaktivitäten und Kursen.22

Daneben fördern Bund, Länder und Kommunen auch vielfältige Projekte zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern. Das können Kurse speziell für Frauen sein23 oder Angebote aus dem Bereich der Integration durch Sport mit zielgruppenspezifischen Angeboten.24 Die Vielfalt der integrationsrelevanten Maßnahmen endet aber nicht mit diesen Programmen. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration weist zu Recht darauf hin, dass neben all den spezifischen Maßnahmen für Menschen mit Migrationshintergrund auch die allgemeinen Maßnahmen in den zentralen Bereichen der Familien- und Arbeitsmarkt- sowie der Bildungspolitik integrierende Wirkung entfalten.25

Fazit

Das Migrationsgeschehen in Deutschland entwickelt sich nach der besonderen Situation 2015 mit der starken Zuwanderung von Menschen auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Verfolgung zunehmend wieder in „normalen“ Bahnen. Das heißt, dass die EU-Binnenmigranten erneut die größte Zuwanderergruppe darstellen. Gleichwohl bleibt die Integration der Geflüchteten noch auf Jahre eine Herausforderung. Bei aller Kritik an der Durchführung einzelner Integrationsmaßnahmen, die gelegentlich zu hören ist, ist das deutsche System im Vergleich zu vielen anderen EU-Staaten doch sehr umfassend und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die elementar wichtigen Schritte von Spracherwerb und Arbeitsmarktintegration zu bewältigen.


Anmerkungen

1 United Nations/Department of Economic and Social Affairs (2017): International Migration Report 2017 – Highlights. New York.

2 Vgl. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/01/asylantraege-2016.html; https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2018/01/asylantraege-2017.html

3 Christian Babka von Gostomski (2016): Aspekte der Integration von zugewanderten rumänischen und polnischen Staatsangehörigen in Deutschland, BAMF-Kurzanalyse 06/2016, S. 3 ff., https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Kurzanalysen/kurzanalyse6_integration-rumaenische-polnische-eingewanderte.pdf?__blob=publicationFile

4 Vgl. Herbert Brücker et al., Zuwanderungsmonitor April 2018, S. 5 ff., http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Zuwanderungsmonitor.pdf (17.04.2018).

5 Babka von Gostomski (Anmerkung 3), S. 5.

6 Die SGB II-Quote setzt alle hilfebedürftigen Personen nach dem SGB II – die Summe von erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen – ins Verhältnis zur Bevölkerung unter 65 Jahren. Die Anzahl hilfebedürftiger Personen nach dem SGB II stammt dabei aus der Grundsicherungsstatistik für Arbeitsuchende der Bundesagentur für Arbeit (BA), die Bevölkerungszahlen vom Statistischen Bundesamt.

7 Herbert Brücker et al. (Anmerkung 4), S. 5.

8 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2017): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2016, Abfragestand am 03.04.2017, S. 6, Online: www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Integration/2016/2016-integrationskursgeschaeftsstatistik-gesamt_bund.pdf?__blob=publicationFile (18.05.2017).

9 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2017): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2017, Abfragestand am 04.04.2018, S. 7. Online: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Integration/2017/2017-integrationskursgeschaeftsstatistik-gesamt_bund.pdf?__blob=publicationFile (28.04.2018).

10 Antonia Scholz (2012): Warum Deutschland? Einflussfaktoren bei der Zielstaatssuche von Asylbewerbern. Ergebnisse einer Expertenbefragung. Forschungsbericht 19, Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

11 Vgl. Herbert Brücker/Nina Rother/Jürgen Schupp (Hrsg.) (2017): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: Studiendesign, Feldergebnisse sowie Analysen zu schulischer wie beruflicher Qualifikation, Sprachkenntnissen sowie kognitiven Potenzialen. Forschungsbericht 30, Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb30-iab-bamf-soep-befragung-gefluechtete-2016.pdf?__blob=publicationFile

12 Der Abschnitt orientiert sich an Özlem Konar et al. (2017), Zuwanderung und Integration. Aktuelle Zahlen, Entwicklungen, Maßnahmen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 27-29/2017, S. 13-20, hier S. 18 f. http://www.bpb.de/apuz/251215/zuwanderung-und-integration-aktuelle-zahlen-entwicklungen-massnahmen?p=all

13 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Integration im föderalen System: Bund, Länder und die Rolle der Kommunen. Jahresgutachten 2012. https://www.stiftung-mercator.de/media/downloads/3_Publikationen/SVR_Jahresgutachten_2012_Integration_im_foederalen_System.pdf

14 Vgl. http://sprach-kitas.fruehe-chancen.de/

15 Zu verschiedenen Modellen Mona Massoumi et al. (2015), Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche im deutschen Schulsystem, Köln, S. 43-51.

16 Vgl. www.bamf.de/DE/Willkommen/DeutschLernen/DeutschBeruf/Deutschberuf-esf/deutschberuf-esf-node.html.

17 Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration (2016), 11. Bericht der Beauftragten – Teilhabe, Chancengleichheit und Rechtsentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland, Berlin, S. 76. https://m.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BPA/IB/11-Lagebericht_09-12-2016.pdf;jsessionid=562544D3D9DEEAC260DCBEF41FFE4E5A.s4t1?__blob=publicationFile&v=6

18 Vgl. http://www.bamf.de/DE/Willkommen/DeutschLernen/DeutschBeruf/Bundesprogramm-45a/bundesprogramm-45a-node.html.

19 Vgl. www.netzwerk-iq.de/foerderprogramm-iq/programmuebersicht.html.

20 Vgl. https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/

21 Ausführlich Lisa Brandt et al. (2015): Zehn Jahre Migrationsberatung für Erwachsene (MBE). Forschungsbericht 25, Nürnberg. https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb25-migrationsberatung.pdf?__blob=publicationFile

22 Vgl. http://www.bamf.de/DE/Willkommen/InformationBeratung/JugendlicheBeratung/jugendlicheberatung-node.html.

23 Siehe hierzu www.bamf.de/DE/Infothek/Projekttraeger/Frauenkurse/frauenkurse.html?nn=1367536 (24.01.2017).

24 Beauftragte (Anm. 17), S. 305-315.

25 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR): Deutschlands Wandel zum modernen Einwanderungsland. Jahresgutachten 2014 mit Integrationsbarometer, Berlin, S. 152-160. https://www.svr-migration.de/publikationen/jahresgutachten-2014/

 

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Lektüre

Herbert Brücker et al. (2016):
Flucht, Ankunft in Deutschland und erste Schritte der Integration,
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW-Wochenbericht, Nr. 46/2016 vom 16. November 2016.

Abstract :„Mit einer repräsentativen Befragung von insgesamt 4 500 Geflüchteten stellen das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am DIW Berlin eine völlig neue Datengrundlage für die Analyse der Fluchtmigration und der Integration Geflüchteter bereit. Die hier vorgelegten Befunde basieren auf dem ersten Teil der Befragung, bei der gut 2 300 Personen interviewt wurden. Erhoben werden nicht nur Fluchtursachen und Fluchtwege, Bildungs- und Erwerbsbiografien, sondern auch Werte, Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale der Geflüchteten sowie ihre Integration in den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem. Die wichtigsten Fluchtmotive sind Angst vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Zudem zeigt sich, dass die Kosten und Risiken der Flucht hoch sind. Die Allgemeinbildung der Geflüchteten ist sehr heterogen. Der Anteil der Personen mit Berufs- und Hochschulabschlüssen ist gering. Insgesamt zeigen die Geflüchteten jedoch hohe Bildungsaspirationen. In ihren Wertvorstellungen weisen die Geflüchteten sehr viel mehr Gemeinsamkeiten mit der deutschen Bevölkerung auf als mit der Bevölkerung aus den Herkunftsländern. Die Integration in den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem steht erst am Anfang, allerdings zeigen integrationspolitische Maßnahmen erste Wirkungen.“


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