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Adolf Julius Merkl

Gesammelte Schriften. Zweiter Band: Verfassungsrecht, Völkerrecht. Erster Teilband. Hrsg. von Dorothea Mayer-Maly, Herbert Schambeck, Wolf-Dietrich Grussmann

Berlin: Duncker & Humblot 1999; X, 790 S.; geb., 168,- DM; ISBN 3-428-09042-X
Merkl, 1919 mit der Schrift "Die Verfassung der Republik Deutsch-Österreich" in Wien habilitiert, hatte gemeinsam mit Hans Kelsen wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Bundesverfassung von 1920. In der heutigen sogenannten "2. Republik", für die die Verfassung von 1920 in vielfacher Hinsicht die Grundlage gebildet hat, blieb Merkl in Publizistik und Lehre des Verfassungs- und Verwaltungsrechts von großem Einfluß. Das 1973 initiierte Publikationsprojekt der Gesammelten Schriften Merkls wird mit diesem ersten Teilband des zweiten Bandes fortgeführt, der die Verfassungsentwicklung von der ausklingenden Donaumonarchie über die Republik Deutsch-Österreich zur 1. Republik 1920 und deren weitere Ausgestaltung (auch im Zeichen der sich abzeichnenden autoritären Tendenzen) bis zur Verfassungsnovelle von 1929, die das Amt des Bundespräsidenten stärkte (749 ff., 762 f.), behandelt. Dabei befaßt sich Merkl mit der Praxis der Notverordnungen während des Krieges, der staatlichen Organisation der neuen Republik und der Ausgestaltung des österreichischen Bundesstaates ebenso wie mit der Problematik der wirtschaftlichen und finanziellen Sanierung und der Völkerbundkontrolle. Ein besonderes Thema ist immer wieder die Anschlußfrage. Merkl sieht sich mit der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung darin einer Meinung, daß es ihnen "nicht um die uns zugedachte unhaltbare Eigenstaatlichkeit, sondern um die Gesamtstaatlichkeit der deutschen Nation" geht, und daß daher die Bundesverfassung "nur als ein Provisorium" (298) verstanden werden kann. Er fordert jedoch, daß Deutsch-Österreich "nicht bloß ein Objekt, sondern zugleich ein Subjekt des Anschlusses sein, [...] sich anschließen und nicht angeschlossen werden" (721) soll. Und so ist es folgerichtig, daß der kritische Denker und Verfechter von Rechtsstaat und Demokratie 1938 seines Lehramtes als Ordinarius an der Wiener Rechtsfakultät durch das NS-Regime enthoben wurde. Insgesamt ist eine Darstellung der österreichischen Verfassungsentwicklung durch einen Zeitzeugen und engagierten Mitgestalter entstanden, die ausnahmslos geistvoll und von höchster sachlicher und sprachlicher Präzision ist. Ein kritischer Einwand gilt jedoch dem Inhaltsverzeichnis, das durch seine teilweise ähnlich lautenden Kapitelüberschriften der einzigen Gliederungsebene die für systematisches Arbeiten unerläßliche Übersichtlichkeit vermissen läßt. Aus dem Inhalt: 1. Die Verordnungsgewalt im Kriege; 2. Theoretisches zur Praxis der § 14-Verordnungen; 4. Kriegsdienst und Reichsratswahlrecht; 7. Die gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt im deutschösterreichischen Staate; 12. Das Staatsoberhaupt der deutschösterreichischen Republik; 14. Der staatsrechtliche Werdegang des Staatsvertrags von Saint Germain; 15. Österreichs Verfassung und ihr Schweizer Vorbild; 16. Die Vorarlberger-Frage im Lichte des Rechtes der Selbstbestimmung; 17. Bundesstaat "Republik Österreich"; 19. Die deutschösterreichische Bundesverfassung; 20. Zum rechtstechnischen Problem der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung; 23. Staatsbürger und Wahlbürger; 25. Bundesrat und Immunität; 27. Kompetenzwidrige Landesgesetzgebung; 28. Zur staatsrechtlichen Seite der Kriegsfinanzierung; 29. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der österreichischen Verwaltung; 30. Zur Dezembergesetzgebung 1921; 31. Zur Trennung Wiens von Niederösterreich; 32. Die gerichtliche Prüfung von Gesetzen und Verordnungen; 36. Der Sanierungsplan des Völkerbundes; 37. Die Völkerbundkontrolle als Staatsrechtsinstitut; 42. Der Tag der Republik; 43. Die Rechtsform des Anschlusses; 46. Österreichs künftige Stellung im Reiche; 48. Staatsrechtseinheit zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich?; 49. Auf dem Wege der Gerichtseinheit des Reiches; 53. Ein Jahrzehnt republikanische Verfassung; 54. Richtlinien für eine Verfassungsreform; 56. Verfassungsreform und Verfassungslegende; 57. Epilog zum Verfassungskampf; 58. Verfassungsreform und Anschlußgedanke; 61. Zur Verfassungsreform. Die Verfassungsnovelle im Lichte der Demokratie; 63. Diskussionsbeitrag: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit.
Leslie Piert (LP)
Rubrizierung: 2.4 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Leslie Piert, Rezension zu: Adolf Julius Merkl: Gesammelte Schriften. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11013-gesammelte-schriften_13018, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13018 Rezension drucken