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Henning Boekle / Volker Rittberger / Wolfgang Wagner

Normen und Außenpolitik: Konstruktivistische Außenpolitiktheorie

Tübingen: Institut für Politikwissenschaft der Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1999 (Tübinger Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Friedensforschung 34); 58 S.; 2,- DM; ISBN 3-927604-30-5
Die Autoren unternehmen den sehr zu begrüßenden Versuch, die verschiedenen Konzepte der Auswirkung von sozialen und kulturellen Normen auf die Außenpolitik eines Staates zu ordnen und operationalisierbar zu machen. So soll in diesem Fall eine Antwort auf die Frage gefunden werden, warum die neue Machtposition der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung nicht zu einer Änderung ihrer bisherigen Außenpolitik geführt hat, wie es nach der realistischen Theorie der Internationalen Beziehungen zu erwarten gewesen wäre. Statt dessen gehen Konstruktivisten davon aus, daß die Kontinuität deutscher Außenpolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts vor allem auf die Folgen der Internalisierung bestimmter Normen von Kooperation und Multilateralismus zurückzuführen ist. Boekle, Rittberger und Wagner übernehmen die Definition von Normen als "intersubjektiv geteilte, wertgestützte [...] Erwartungen angemessenen Verhaltens" (3), die erst bei ausreichender "Kommunalität" (innerhalb der Gesellschaft) und "Spezifizität" (bezüglich der zu erwartenden Sanktionen bei Nichterfüllung) vorliegen. Weiterhin treffen sie die sehr wichtige Unterscheidung nach internationalen (z. B. humanitären) und gesellschaftlichen Normen (die in der politischen Kultur des Landes begründet liegen, wie etwa die schweizerische Neutralität), die jeweils die außenpolitischen Entscheidungsträger eines Staates beeinflussen können. Bei der systematischen Betrachtung der Wechselwirkungen verschiedener Normen kommen die Autoren jedoch zu einem traurigen Schluß: Nur wenn internationale und gesellschaftliche Normen nicht zueinander im Gegensatz stehen, sondern sich verstärken, und nur wenn zumindest von einer "mittleren Kommunalität" (7) der Norm ausgegangen werden kann, hat die "konstruktivistische Theorie" (15) überhaupt eine hohe Aussagekraft! Trotz des beachtlichen Versuchs, die Möglichkeiten der konstruktivistischen Ansätze zu ordnen und für die Außenpolitikanalyse nutzbar zu machen, kommt dieser Schluß doch einer Kapitulation gleich: So kann jedenfalls auch das zentrale Problem der Erklärung außenpolitischen Wandels nicht sinnvoll konzeptionalisiert oder gar gelöst werden. Es erscheint hilfreicher, die Erklärungskraft von Macht im Sinne Webers als der sozialen Durchsetzungsfähigkeit bestimmter Normen aus ihrer Verbannung (9) zurückzuholen: Außenpolitischer Wandel würde sich dann ergeben, wenn sich neue Normen innerhalb der außenpolitischen Elite eines Landes durchsetzten. Diesen Prozeß zu erklären, wäre dann die Aufgabe des konstruktivistischen Theorieansatzes.
Tamara Keating (TK)
Dr., Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 4.1 | 4.2 Empfohlene Zitierweise: Tamara Keating, Rezension zu: Henning Boekle / Volker Rittberger / Wolfgang Wagner: Normen und Außenpolitik: Konstruktivistische Außenpolitiktheorie Tübingen: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11428-normen-und-aussenpolitik-konstruktivistische-aussenpolitiktheorie_13554, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13554 Rezension drucken