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Jean-Claude Kaufmann

Das verstehende Interview. Aus dem Französischen übersetzt von Daniela Böhmler

Konstanz: UVK Universitätsverlag 1999 (édition discours 14); 179 S.; brosch., 29,80 DM; ISBN 3-87940-612-X
Am Beispiel seiner zwei Untersuchungen ("Schmutzige Wäsche" und "Frauenkörper - Männerblicke") stellt Kaufmann eine neu erarbeitete Interviewmethode vor. Grundsätzlich begreift das "verstehende Interview" die Interviewtechniken als anpassungs- und entwicklungsfähige Instrumente (57). Im Zusammenhang mit diesem grundsätzlichen Verständnis beschreibt der Autor seine neu entwickelte Methode als eine ständig arbeitende und immer geöffnete Fabrik für improvisierende Werkzeuge. Als eine kreative Methode wurzelt das "verstehende Interview" in den ethnologischen Arbeitstechniken mit Informanten und Leitfadeninterviews. Der Autor betont jedoch mit Nachdruck, dass seine neue Methode gleichzeitig eine sehr spezifische Vorgehensweise mit einem großen inneren Kodieren darstellt (10 f.). Diese Behauptung wird leider nicht überzeugend untermauert. Nach Auffassung von Kaufmann reiht sich das "verstehende Interview" in Interviewmethoden ein, wie die von Carl Rogers (1942), die dem Informanten immer mehr Bedeutung zubilligen. Die Theorieproduktion wird in Anlehnung an Norbert Elias als das Hauptziel der Methode formuliert. Um soziale Prozesse zu erfassen, stützt sich seine Technik auch auf die von Anselm Strauss formulierte "Grounded Theory". Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Theorie und Feldforschung ist, nach Kaufmann, für die verstehende Soziologie zentral. Er unterscheidet gesellschaftliche und soziologische Modellbildung als die Modelle der Theoriebildung von einander und ordnet das "verstehende Interview" in der gesellschaftlichen Modellbildung ein. Der Autor ist der Ansicht, dass die Theorie und die Methode die Werkzeuge sind, die imstande sein müssen, weich, variabel und entwicklungsfähig zu bleiben. Das Buch ist inhaltlich gut strukturiert. Auch der theoretische Kern des "verstehenden Interviews" wurde hinreichend dargestellt. Trotzdem entsteht beim Leser nicht das Gefühl, mit einer neuen beziehungsweise mit ihren Besonderheiten verwendbaren Methode zu tun zu haben. Inhaltsübersicht: I. Die Konstruktion des Objekts: Umkehrung der Vorgehensweise: 1. Die Methodendebatte; 2. Eine andere Art und Weise der Theoriebildung; 3.Die Validität der Ergebnisse. II. Mit der Arbeit beginnen: Schnelligkeit, Wendigkeit und Empathie: 1. Der Einstieg ins Thema; 2. Entwicklungsfähige Forschungsinstrumente; 3. Das Führen der Interviews. III. Der Status des Materials: 1. Warum die Leute reden; 2. Wahrheit und Lüge. IV. Die Theoriebildung: 1. Die Auswertung des Materials; 2. Konzepte aneinander reiben; 3. Einige nützliche Hilfsmittel. V. Die Arbeit beenden: 1. Der Zeitplan; 2. Die Ästhetik des Objekts; 3. Das Schreiben.
Bernhard Stelzl (BhS)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 1.2 Empfohlene Zitierweise: Bernhard Stelzl, Rezension zu: Jean-Claude Kaufmann: Das verstehende Interview. Konstanz: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11432-das-verstehende-interview_13560, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13560 Rezension drucken