Das Leben theoretischer Vernunft. Teleologische und praktische Aspekte der Erfahrungstheorie Kants
Es mutet bizarr an, dass Dörflinger ausgerechnet in Bezug auf Kants Philosophie den Begriff des Lebens betont. Nimmt doch der Begriff des Lebens vor allem in der Philosophie des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine Zentralstellung ein, vor allem in Opposition zum Theoretischen und Rationalen. Autoren wie Schopenhauer, Nietzsche, Dilthey, Bergson oder Spengler betonten je unterschiedlich im Begriff Leben die Bedeutung des Triebhaften sowie Gefühlserfüllten und erteilten damit der Vernunftdominanz der kantischen Philosophie eine Absage. Dörflinger verwahrt sich in seiner Studie gegen eine einseitige Inanspruchnahme des Lebensbegriffs durch voluntaristische sowie irrationalistische Denkschulen und streicht die Bedeutung des Lebensbegriffs im kantischen System heraus. Entgegen der landläufigen Meinung, lediglich in der "Kritik der teleologischen Urteilskraft" widme Kant sich dem Phänomen des Lebens, zeigt der Autor, dass auch in der "Kritik der reinen Vernunft" ein rationaler Begriff des Lebens als wichtiger Hintergrundbegriff fungiert, sowohl bei der Theorie der Anschauungsformen als auch bei deren Anwendung auf das Selbstbewusstsein im Paralogismus-Kapitel. Das Buch verbleibt in der im engeren Sinne philosophischen Thematik. Politikwissenschaftlich relevant sind die Ergebnisse der Studie allenfalls im Rahmen allgemeiner wissenschaftstheoretischer Überlegungen.