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Michael Borchard

Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949-1955

Düsseldorf: Droste Verlag 2000 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 35); 349 S.; Ln., 56,- DM; ISBN 3-7700-1883-4
Diss. Bonn; Gutachter: H.-P. Schwarz. - Mit der Verurteilung und Zurückhaltung der deutschen Kriegsgefangenen nach dem Zweiten Weltkrieg schaffte sich die Sowjetunion, so folgert Borchard, ein politisches Druckmittel für künftige Verhandlungen mit den Westmächten und der Bundesrepublik. "Das traurige Schicksal der Gefangenen war es, ein politisches 'Faustpfand' im Kalten Krieg geworden zu sein." (299) Damit war die Problematik der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion auch nicht auf der militärischen oder humanitären Ebene zu verhandeln. "Vielmehr ist der humanitäre Ansatz nicht erfolgreich gewesen, weil die Kriegsgefangenenfrage aus der Sicht der Sowjetunion ausschließlich eine politische Frage gewesen ist." (293) Erst die Reise Adenauers 1955 brachte den politischen Durchbruch, jedoch mit dem Zugeständnis Adenauers, diplomatische Beziehungen mit Moskau aufnehmen zu müssen. "Doch es war ein Preis, der Adenauer zumindest in den Augen der deutschen Öffentlichkeit den größten politischen Erfolg seiner Amtszeit verschaffte." (300) Dass diese politischen Zusammenhänge bisher in der historischen Forschung nicht ausreichend beleuchtet waren, nimmt Borchard zum Anlass, die politische Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage zu erörtern. Es geht ihm darum, exemplarisch darzustellen, "wie ein humanitäres und deutschlandpolitisches Problem von den Siegermächten in der politischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West eingeschätzt und behandelt wurde" (14). Dies gelingt ihm im Rahmen seiner Arbeit detailliert, umfangreich und anhand einer guten Quellenbasis, wenngleich einige sowjetische respektive russische Quellen des Präsidentenarchivs nicht eingesehen werden können. Inhaltsübersicht: I. Die Kriegsgefangenenfrage bis 1949. Allgemeine Situation, Behandlung und Lebensbedingungen; II. 1949-1950: Ein "Problem der Humanitas wird zum Politikum". Die Kriegsgefangenenfrage in Deutschland nach der Gründung der beiden deutschen Staaten; III. Die TASS-Erklärung vom 4. Mai 1950. Bedeutung und Wirkung; IV. 1950-1954: "Die UNO-Aktion". Die Initiativen der Bundesrepublik und der Westalliierten zur Behandlung der Kriegsgefangenenfrage vor den Vereinten Nationen; V. 1951-1954: Die DDR-Führung und das Problem der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion; VI. 1952-1955: Der "Moskau-Plan" des Deutschen Roten Kreuzes. Ein Beispiel für die politische Bedeutung humanitärer Initiativen der Wohlfahrtsverbände in der Kriegsgefangenenfrage; VII. 1954-1955: Im Vorfeld der Moskaureise. Erste Zeichen für Bewegung in der Kriegsgefangenenfrage; VIII. 1955-1956: Die Moskauer Verhandlungen im September 1955 und ihre Bedeutung für die Kriegsgefangenenfrage; IX. Der größte Erfolg Konrad Adenauers? Eine Bewertung und Zusammenfassung der Kriegsgefangenenproblematik von 1949 bis 1955.
Wilhelm Johann Siemers (Sie)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.313 | 2.314 | 4.2 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Michael Borchard: Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Düsseldorf: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11595-die-deutschen-kriegsgefangenen-in-der-sowjetunion_13780, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13780 Rezension drucken