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Marco Kuhn

Humanitäre Hilfe der Europäischen Gemeinschaft. Entwicklung, System und primärrechtlicher Rahmen

Berlin: Berlin Verlag Arno Spitz GmbH 2000 (Bochumer Schriften zur Friedenssicherung und zum Humanitären Völkerrecht 37); XXXVIII, 392 S.; kart., 40,39 €; ISBN 3-87061-868-X
Rechtswiss. Diss. Bochum; Gutachter: K. Ipsen, V. Epping. - Die Ausweitung des Gemeinschaftshandelns auf neue und weitere Tätigkeitsbereiche ist, bei allen kompetenzrechtlichen Bedenken, seit Jahren ein Grundmerkmal des dynamisch fortschreitenden Integrationsprozesses der EU. Gerade für den Bereich der internationalen humanitären Hilfe kann diese Entwicklung weniger als organisatorisch oder legislativ durchdacht, sondern als pragmatische Reaktion auf die innen- und außenpolitischen Herausforderungen eines gestiegenen Bedarfs an humanitären Hilfsleistungen verstanden werden. Wie der Autor herausstellt, hat die Europäische Gemeinschaft so nach anfänglich noch punktuellen, keiner speziellen Regelung unterliegenden Maßnahmen schrittweise ein eigenständiges Hilfssystem errichtet. Der erste Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf der Darstellung dieses Entwicklungsprozesses. Insbesondere wird versucht, die von der Europäischen Gemeinschaft an Dritte gewährte humanitäre Hilfe in das Gesamtgefüge der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen einzuordnen. Dafür werden die sich ständig wandelnden befindlichen, sekundärrechtlichen wie finanziellen Rahmenbedingungen humanitärer Hilfe ausführlich erläutert. Aus einer überwiegend juristischen Perspektive werden die Abläufe der Gewährung und Koordinierung der gemeinschaftlichen humanitären Hilfe beschrieben und Versuche der Vereinheitlichung der internen Verfahrens- und Beschlussmodalitäten aufgezeigt. Da zum einen die Spannung zwischen humanitärer Hilfe und territorialer Souveränität erhebliche völkerrechtliche Probleme erzeugt und zum anderen die Europäische Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft verstanden werden kann, leitet der Autor schließlich die primärrechtlichen Grundlagen gemeinschaftlichen Tätigwerdens her. Die Gemeinschaftszuständigkeit für internationale humanitäre Hilfe sei so zunächst gewohnheitsrechtlich begründet, heute durch verschiedene völkerrechtliche Vereinbarungen nach Maßgabe des Art. 238 EWGV sowie durch Maßnahmen der Kommission nach Art. 205 EWGV in Verbindung mit Ad-hoc-Billigungen des Rates verwirklicht. Der Autor widmet sich einer umfangreichen Analyse der Rechtsgrundlagen der gemeinschaftlichen humanitären Hilfe sowie den Modalitäten ihrer Durchführung. Zur besseren Veranschaulichung der hierzu verwendeten zahlreichen Daten und Abläufe hätte sich zusätzlich ein Anhang mit erläuternden und zusammenfassenden Tabellen und Schaubildern angeboten. Die Forschungsarbeit füllt eine Lücke, die durch das bisherige weitgehende Desinteresse des europarechtlichen Schrifttums an Fragen der humanitären Hilfe entstanden ist. Zudem liegt damit eine der ersten ausführlichen Darstellungen der gemeinschaftlichen humanitären Hilfe vor. Die zugrunde liegende Fragestellung ließ eine Ausweitung der Untersuchung auf andere wesentliche Aspekte der gemeinschaftlichen humanitären Hilfe, wie z. B. das Verhältnis zwischen den Gemeinschaftsorganen und den nichtstaatlichen Implementierungspartnern, nicht zu. Weiterer Forschungsbedarf ist somit angezeigt. Aus dem Inhalt: 1. Entwicklung und System der humanitären Hilfe: A. Grundlagen; B: Humanitäre Hilfe im Gefüge der Außenbeziehungen: I. Humanitäre Hilfe im Rahmen regionaler Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern und anderen förderungsbedürftigen Staaten; II. Humanitäre Hilfe im Rahmen globaler Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern: die Nahrungsmittelsoforthilfe; III. Sonstige humanitäre Hilfe nach den Haushaltsplänen. C. Koordinierung humanitärer Hilfe; D. Das Europäische Amt für humanitäre Hilfe. 2. Primärrechtlicher Rahmen humanitärer Hilfe: A. Kompetentielle Struktur der Europäischen Gemeinschaft; B. Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Bereich der humanitären Hilfe; C. Handlungsermächtigungen für die Gewährung humanitärer Hilfe. 3. Zusammenfassung und Ausblick: B. Ausblick: Humanitäre Hilfe im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
Thomas Henzschel (TH)
Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
Rubrizierung: 3.6 | 4.41 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Marco Kuhn: Humanitäre Hilfe der Europäischen Gemeinschaft. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11641-humanitaere-hilfe-der-europaeischen-gemeinschaft_13845, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13845 Rezension drucken