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Alan Sokal / Jean Bricmont

Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen. Ins Deutsche übertragen von Johannes Schwab und Dietmar Zimmer

München: C. H. Beck 1999; 350 S.; brosch., 39,80 DM; ISBN 3-406-45274-4
Der Band, im französischen Original bereits 1997 erschienen, geht in der Übersetzung hauptsächlich zurück auf die amerikanische Ausgabe von 1998. Hintergrund des Buches ist ein rasch berühmt gewordener Artikel des Physikers Sokal von 1996, der mit postmodernen Worthülsen in parodistischer Absicht Unsinniges verkündete - und trotzdem zur Publikation angenommen wurde. Hieran knüpfte sich schnell eine leidenschaftliche und lang anhaltende Debatte. Der Artikel, die noch im gleichen Jahr veröffentlichte Erklärung des Autors, es habe sich dabei um eine Parodie gehandelt, sowie erläuternde Anmerkungen zu einigen der im Artikel versteckten Scherze (mit ernstem Hintergrund) finden sich am Ende des Buches. Nach Aussage der Autoren entstand der Band - in Weiterführung des Artikels - aus ihrer Ablehnung gegenüber postmodernen und relativistischen Tendenzen, die in den Geistes- und Sozialwissenschaften zunehmend an Bedeutung gewännen. Dabei geht es ihnen in keiner Weise um einen Angriff auf die Geistes- und Sozialwissenschaften "in ihrer Gesamtheit" (22). Ihr Ziel ist vielmehr, nach der kurzen Parodie nun anhand umfangreicheren Textmaterials und allgemeinverständlich zu erklären, dass und wie Intellektuelle wie Gilles Deleuze, Jacques Derrida, Félix Guattari, Luce Irigaray, Jacques Lacan, Bruno Latour, Jean-François Lyotard, Michel Serres, Paul Virilio, Jean Baudrillard und Julia Kristeva "wiederholt mit wissenschaftlichen Ideen und Begriffen Mißbrauch getrieben haben" (10). Ihre sehr kritische und stark wertende Textanalyse beschränkt sich dabei ausschließlich auf solche Textpassagen der genannten Autoren, in denen diese die "angeblichen philosophischen und gesellschaftlichen Implikationen der Mathematik und der Naturwissenschaften" (19) konstatieren. Das Ergebnis ist beeindruckend. Es gelingt dem Buch sehr überzeugend, den genannten Autoren in deren offensichtlich bewusster Verwendung naturwissenschaftlicher Fachbegriffe wieder und wieder nachzuweisen, dass sie diese Begriffe lediglich als Schlagworte und/oder zur künstlichen Verkomplizierung ihrer Texte benutzen, ohne selbst deren ursprüngliche Bedeutung und Implikationen verstanden zu haben und/oder ohne "die geringste inhaltliche oder empirische Rechtfertigung" (21) für deren Gebrauch in fachfremden Kontexten zu liefern. Dies führe an vielen Stellen entweder zu sinnentleerten Aussagen oder schlicht zu grobem "Unfug" (13). Neben solchen "Mißbräuchen im engeren Sinne" (34) wurden auch "bestimmte wissenschaftliche und philosophische Irrtümer analysiert, die dem postmodernen Denken häufig zugrunde liegen" (34) und "auf einer viel tieferen Ebene angesiedelt sind" (155) - hier geht es den Autoren in eingeschobenen Kapiteln etwa um eine generelle Kritik am epistemischen Relativismus in der Wissenschaftstheorie, sowie an der Chaostheorie und der "'postmoderne[n] Wissenschaft' nach Lyotard" (155). Am Rande sei erwähnt, daß Sokal seine Kritik auch politisch versteht. Als bekennender politisch Linker ist es sein Anliegen, damit "die Linke [...] vor einem derzeit populären Teil ihrer selbst zu schützen" (13).
Thomas Nitzsche (TN)
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
Rubrizierung: 5.2 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Nitzsche, Rezension zu: Alan Sokal / Jean Bricmont: Eleganter Unsinn. München: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11706-eleganter-unsinn_13938, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13938 Rezension drucken