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Lutz Berthold

Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan am Ende der Weimarer Republik

Berlin: Duncker & Humblot 1999; 94 S.; 68,- DM; ISBN 3-428-09988-5
Diss. Berlin. - Die Kontroversen um Schmitt erleben in jüngster Zeit eine unerwartete Konjunktur. In der Fülle der Publikationen, die das Werk des umstrittenen Politikwissenschaftlers und "Kronjuristen" des Dritten Reichs thematisieren, lässt sich dennoch ein Grundkonflikt ausmachen, um den immer wieder gestritten wird: Sympathisierte Schmitt schon vor 1933 mit nationalsozialistischen Positionen oder lässt sich ein Bruch in Schmitts Werk ausmachen, der ihn zumindest für die Zeit der Weimarer Republik entlastet? Berthold will nicht nur den Bruch in Schmitts Oeuvre neuerlich belegen, sondern Schmitt auch von dem Geruch des "Konservativen Revolutionärs" befreien, um ihn als Verteidiger der Weimarer Republik zu rehabilitieren. Um Schmitt derart neu zu bewerten, blendet das gut und prägnant geschriebene kleine Bändchen das gesamte Werk Schmitts aus und konzentriert sich ausschließlich auf dessen Haltung zu unterschiedlichen Staatsnotstandsplänen am Ende der Weimarer Republik. Berthold stützt sich dabei auf bisher wenig beachtete Quellen aus dem Nachlass, die er im Anhang publiziert. Schmitt habe zunächst die Pläne Schleichers unterstützt, um dann einen Alternativplan vorzulegen, der nach Ansicht des Autors die Weimarer Republik hätte "retten" können. Während Schleicher den von NSDAP und KPD beherrschten Reichstag auflösen und Neuwahlen unter Verstoß gegen die Verfassung verschieben wollte, habe Schmitt den "verfassungstreueren" Plan gehabt, das Misstrauensvotum des Parlaments solange nicht anzuerkennen wie es keine positive Alternative zur Regierung bilden konnte. Die amtierende Regierung Schleichers hätte durch den Präsidenten gestützt weiter regiert. Dies wäre zwar auch ein Verfassungsbruch gewesen, weil sich der Präsident über das Misstrauensvotum des Parlaments hinweggesetzt hätte, doch diesmal mit dem Ziel, die Weimarer Verfassung ihrem Sinn nach zu schützen und Hitlers Kanzlerschaft zu verhindern. Dieser angeblich von Schmitt instruierte und von Horst Michaelis verfasste Plan wurde jedoch nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezogen. - Entgegen der Argumentation Bertholds, bleibt es jedoch eine offene Frage, ob ein derartiger Alternativplan die Republik tatsächlich "retten" konnte. Das zu erwartende überwältigende Misstrauensvotum durch das Parlament hätte die Regierung Schleicher unter erheblichen Rechtfertigungsdruck gegenüber der Öffentlichkeit gesetzt, gegen den auch eine von Schmitt vorformulierte politische "Kundgebung des Reichspräsidenten" nicht viel auszurichten vermocht hätte. Abgesehen von diesen Spekulationen könnte die Unterstützung Schmitts für die Weimarer Verfassung auch aus der Not der prekären Situation heraus entstanden sein. Die Unterstützung eines autoritären Präsidialsystems, welches Schmitt öffentlich favorisierte, wäre zu diesem Zeitpunkt mit Hindenburg und Schleicher nicht durchzusetzen gewesen, ohne einen Bürgerkrieg zu riskieren. Doch selbst wenn Schmitt tatsächlich aus innerer Überzeugung die Weimarer Verfassung unterstützen wollte, widerlegt dies nicht die antidemokratische Tendenz seines Werkes. Die unter dem Titel "Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles 1923-1939" von Schmitt selbst zusammengestellten Texte legen eine Kontinuität in seinem Denken (vor und nach 1933) unzweifelhaft nahe, die durch den alternativen "Notstandsplan" von 1933 nicht berührt wird. Als Beschreibung der diversen "Notstandspläne", die zwischen den Regierungsvertretern, der Reichswehr und dem Präsidenten im letzten Jahr der Weimarer Republik kursierten, ist die Schrift sehr geeignet. Zur Revolutionierung der Carl Schmitt-Forschung wird sie hingegen kaum führen.
Claudia Bruns (CB)
Dr., Historikerin.
Rubrizierung: 2.311 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Claudia Bruns, Rezension zu: Lutz Berthold: Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan am Ende der Weimarer Republik Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11748-carl-schmitt-und-der-staatsnotstandsplan-am-ende-der-weimarer-republik_13993, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 13993 Rezension drucken