Skip to main content
Susanne Meinl

Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz

Berlin: Siedler Verlag 2000; 447 S.; Ln., 58,- DM; ISBN 3-88680-703-7
Diss. Bochum. - Anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, beginnt Meinl die Geschichte der "Nationalsozialisten gegen Hitler" bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Exemplarisch wird die Biographie des rechtsextremen Nationalrevolutionärs Heinz nachgezeichnet, der direkt von der Schulbank freiwillig in den Krieg zog. Die Schlachten des Ersten Weltkriegs empfand er als Herausforderung für seinen soldatischen "Abenteuergeist" und als Gelegenheit zu militärischer Auszeichnung. So war er 1918 ein erbitterter Gegner des Waffenstillstands und tauchte in einem der halblegalen Freikorpsverbände unter. Zunächst in der berüchtigten rechtsradikalen Szene der "Brigade Ehrhardt", dann im "Bund Wiking" war Heinz verstrickt in die Vorbereitung der rechten Putschversuche zu Beginn der Weimarer Republik und der politischen Morde an Matthias Erzberger, Walter Rathenau und Philipp Scheidemann. Nach seiner Tätigkeit im "Stahlhelm" trat Heinz zur NSDAP über. Innerhalb der NSDAP zählte Heinz neben Otto Straßer (und dem Berliner Gauleiter Goebbels) zur "aktivistischen Opposition". Die Abwendung der NSDAP vom elitären Männerbund und von außerparlamentarischer, militanter "Avantgarde" hin zur Strategie der legalen Unterwanderung des parlamentarischen Systems der Weimarer Republik empfanden die Nationalrevolutionäre als "Verrat" an der "nationalsozialistischen Idee". Entsprechend lehnte Heinz Hitlers inhaltliche Annäherung an die konservative Rechte genauso ab wie die außenpolitische Westorientierung. In seinen Grundzügen war das nationalrevolutionäre Ideengebäude explizit antikapitalistisch, proklamierte aber den Ständestaat, lehnte den Kolonialismus ab, forderte aber gleichzeitig mehr Lebensraum und verherrlichte den Krieg. Zusammen mit anderen Nationalrevolutionären aus dem Umfeld der paramilitärischen "Brigade Ehrhardt" versuchte Heinz zwischen 1938-1940 mit eigenen Umsturzplänen und Gesellschaftsentwürfen (die auf eine Hohenzollernmonarchie hinausliefen) Einfluss auf den geplanten Staatsstreich der nationalkonservativen Opposition von Ludwig Beck und Carl Goerdeler zu nehmen. Im Nachkriegsdeutschland leitete Heinz den Nachrichtendienst im "Amt Blank", nachdem er bereits 1936 in der Spionageabwehr tätig gewesen war. Die besondere Stärke des Buches liegt in der gelungenen Verknüpfung der politischen Karriere von Heinz mit der minutiösen und sehr kenntnisreichen Beschreibung der unterschiedlichen rechtsradikalen Gruppierungen. Personelle Netzwerke werden genauso detailliert geschildert wie Publikationsorgane, politisch-strategische Differenzen und interne Machtkämpfe. Überdies besticht diese "Widerstandsbiographie" dadurch, dass sie sich weder zur persönlichen Identifikation noch zur politischen Legitimation eignet, sondern sich um kritische Distanz bemüht.
Claudia Bruns (CB)
Dr., Historikerin.
Rubrizierung: 2.312 | 2.311 Empfohlene Zitierweise: Claudia Bruns, Rezension zu: Susanne Meinl: Nationalsozialisten gegen Hitler. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11771-nationalsozialisten-gegen-hitler_14019, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 14019 Rezension drucken