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Rüdiger von Wechmar

Akteur in der Loge. Weltläufige Erinnerungen

Berlin: Siedler Verlag 2000; 411 S.; Ln., 48,- DM; ISBN 3-88680-692-8
Von Wechmars Autobiographie handelt von einer bemerkenswerten Bandbreite verschiedener Tätigkeiten, interessanter Persönlichkeiten und kurioser Begebenheiten. Vom Napola-Schüler und den Kriegsjahren als Soldat in Nordafrika über diverse Anstellungen als Journalist hin zum Regierungssprecher Willy Brandts, Ständigen Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen und Spitzenkandidaten der FDP bei der Europawahl ist von Wechmars Lebensweg auf erstaunliche Weise mit der Entwicklung der Bundesrepublik verknüpft. Von Wechmar, der aus einer "alten Soldatenfamilie" (45) stammt, schildert auch im Rückblick das Kriegserleben in Nordafrika eher in den Kategorien eines jugendlichen Abenteuers: "Damals war ich achtzehn, wäre also nach heutigem Gesetz wahlberechtigt gewesen, aber im Dritten Reich gab es sowieso nichts zu wählen. Statt dessen war ich freiwillig an der Front und wollte mit einer erbeuteten britischen Lafette meinem Vaterland dienen." (54) Nach der Kriegsgefangenschaft in Amerika nimmt er an Ausbildungskursen in Demokratie und Verwaltung teil, die ihm den Einstieg in den Neuaufbau der westdeutschen Gesellschaft erheblich erleichtern. Als Journalist erlebt er hautnah die Nürnberger Prozesse und den Parlamentarischen Rat. Bei Adenauers Moskau-Reise 1955 ist er vor Ort. Dem folgt der Wechsel ins Auswärtige Amt als Pressereferent am Generalkonsulat in New York - jener Stadt, in der er einschließlich seiner UNO-Tätigkeit vierzehn Jahre seines Lebens verbringen wird. Hier beginnen auch zahlreiche anekdotische Begegnungen nicht nur mit führenden Politikern der damaligen Zeit, sondern auch mit Personen wie Ernest Hemingway, Andy Warhol oder Leonard Bernstein. Orte und Begegnungen wechseln mit weiteren Posten als ZDF-Korrespondent in Osteuropa, Präsident der UNO-Generalversammlung sowie Botschafter in Rom und London. In der flüssig geschriebenen Darstellung tauchen nur gelegentlich Hinweise auf handfeste Meinungsunterschiede und Probleme auf, wie etwa als Helmut Schmidt von Wechmar nach dem Rücktritt Brandts in Missachtung eines Versprechens nicht als Regierungssprecher übernimmt. Zwar widmet von Wechmar der Schilderung gesellschaftlicher Anlässe mindestens ebenso viel Raum wie für detaillierte Einblicke in den Politik-Betrieb (1973: "Meine Frau Susi war bei dieser 'Kanzler-Kirmes' begehrtes Objekt der Fotografen, weil sie das Festpublikum mutig mit Hot pants unter einem Rock aus lagunenfarbenem Jacquard schockiert hatte." [257]), doch bietet sein Buch interessante Perspektiven auf wichtige Etappen der bundesrepublikanischen Geschichte.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.3 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Rüdiger von Wechmar: Akteur in der Loge. Berlin: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11773-akteur-in-der-loge_14021, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14021 Rezension drucken