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Astrid Sahm

Transformation im Schatten von Tschernobyl. Umwelt- und Energiepolitik im gesellschaftlichen Wandel von Belarus und der Ukraine

Münster: Lit 1999 (Studien zu Konflikt und Kooperation im Osten 7); 472 S.; brosch., 24,95 €; ISBN 3-8258-4549-4
Diss. Frankfurt a. M. - Komparativ untersucht die Autorin die relevanten Gemeinsamkeiten und Unterschiede im belarussischen und ukrainischen Transformationsprozess für die erste Hälfte der 90er-Jahre. Wie für die Erforschung der Transformation in Osteuropa üblich, verwendet sie den Begriff der Pfadabhängigkeit, der besagt, dass "der in der Vergangenheit entstandene institutionelle Rahmen die Handlungsoptionen der Akteure bzw. die Möglichkeiten institutioneller Neuerungen in der Gegenwart beschränkt" (13). Um die Aussagen über die Pfadabhängigkeit in Belarus und der Ukraine zu treffen, analysiert die Wissenschaftlerin das Politikfeld der Energie- und Unweltpolitik. Detailliert, anhand von zahlreichen Publikationen der beteiligten Institutionen und Akteure, durchforstet Sahm den Leitlinienwandel in den Bereichen der Tschernobyl-Politik und der Atomenergiepolitik der beiden jungen Staaten nach Zäsuren, die etwas über den nationalen Grundkonsens der Eigenstaatlichkeit aussagen. Ihre Ergebnisse bestätigen die bereits vorhandene Erkenntnis über den Transformationsprozess in den beiden Ländern: Eine Gemeinsamkeit ist, dass in Belarus und der Ukraine relevante Teile der alten Regimeeliten den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht nur ohne Machtverlust, sondern sogar mit einem Zugewinn an Macht überstanden haben. Doch in der politischen Entwicklung traten bald Unterschiede auf: In der Ukraine wirkte der Minimalkonsens der Eliten, dass die ukrainische Nationalstaatsbildung Vorrang habe, vitalisierend auf die Demokratisierung und Pluralisierung von Staat und Gesellschaft. In Belarus dagegen war das Fehlen eines solchen Konsenses die Ursache dafür, dass Präsident Lukaschenka eine autoritäre Herrschaft etablieren konnte. In ihrer Auswertung der Energie- und Umweltpolitik findet Sahm einen hohen Grad der Pfadabhängigkeit. "An dem zögerlichen Verlauf der Leitlinienrevision in der belarussischen und der ukrainischen Tschernobyl-Politik ist somit zu erkennen, mit welchen Schwierigkeiten die Abkehr von alten, überholten Legitimationsformen zusammenhängender Leitlinien in beiden Staaten fällt und wie begrenzt die Politikformulierungsfähigkeiten der Transformationsländer sind." (396) Gleichzeitig wird deutlich, welchen Einfluss umwelt- und energiepolitische Probleme auf die Nationalstaatsbildung und die Demokratisierung in Belarus und der Ukraine haben. Bisweilen sieht die ukrainische Entwicklung besser aus als die belarussische. Inhaltsübersicht: 1. Dilemmata der Transformation - theoretische Vorbemerkungen; 2. Die Stellung der Belarussischen und der Ukrainischen SSR in der Sowjetunion; 3. Politisches System und Gesellschaft in Belarus und der Ukraine seit der Unabhängigkeit und ihr Verhältnis zur Rußländischen Föderation; 4. Zur Bedeutung von Umwelt- und Energieproblemen für Belarus und die Ukraine; 5. Der Wandel der Leitlinien in der belarussischen und ukrainischen Tschernobyl-Politik; 6. Der atomenergiepolitische Kurs in Belarus und der Ukraine; 7. Zum Stellenwert von Umwelt- und Energieproblemen in den internationalen Beziehungen von Belarus und der Ukraine.
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.263 | 2.261 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Astrid Sahm: Transformation im Schatten von Tschernobyl. Münster: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11809-transformation-im-schatten-von-tschernobyl_14083, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14083 Rezension drucken