Skip to main content
Jürgen Wilke / Carsten Reinemann (Hrsg.)

Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung. Eine vergleichende Studie zu den Bundestagswahlen 1949-1998

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2000 (Medien in Geschichte und Gegenwart 15); 245 S.; brosch., 58,- DM; ISBN 3-412-09599-0
Welche Rolle spielt die Darstellung der jeweiligen Kanzlerkandidaten in der Berichterstattung der Medien für den Wahlausgang? Diese Frage wollen die Autoren in langfristiger kommunikationswissenschaftlicher und zeitgeschichtlicher Perspektive "zum ersten Mal vergleichend für alle Bundestagswahlen seit 1949" (1) beantworten. Wie hat sich in 50 Jahren die Berichterstattung verändert, und welche Wechselwirkungen hatte dies mit dem politischen System der Bundesrepublik? Untersucht wurden mittels der quantitativen Inhaltsanalyse die Hälfte aller relevanten Beiträge in den vier großen überregionalen Tageszeitungen FAZ (für 1949 Tagesspiegel), FR, SZ und WELT in den letzten vier Wochen vor dem jeweiligen Wahltag. Obwohl so insgesamt beeindruckende 4675 Zeitungsartikel ausgewertet wurden, taugen die Einzelergebnisse, die immer wieder in Bezug zu den Befunden früherer Analysen gesetzt werden, schon aufgrund des begrenzten Untersuchungsgegenstandes nur äußerst eingeschränkt zur Beantwortung der von den Autoren gestellten globalen Fragen. Zudem sind diese Einzelergebnisse zwar teilweise sehr interessant, doch bleiben die Autoren bei ihren Erklärungsversuchen regelmäßig auf Spekulationen angewiesen. Hier öffnet sich breiter Raum für vertiefende empirische Forschung. Im Einzelnen kommt die Studie z. B. zu der Feststellung, dass bezüglich des Umfangs der Wahlkampfberichterstattung kein klarer Trend erkennbar ist; die Ergebnisse hängen vielmehr von den besonderen Konstellationen der einzelnen Wahlen ab. Wie auch schon in früheren Studien wird festgestellt, dass die für die USA diagnostizierten Trends zur Personalisierung der Wahlberichterstattung sowie zu einer zunehmenden Schilderung von Wahlkämpfen als "horse races" in Deutschland so nicht nachweisbar sind. Bemerkenswert ist der klare Trend von tatsachenorientierter Berichterstattung hin zu "interpretierenden und meinungsbetonten Stilformen" (172), der seit 1980 mit einer auch schon in den USA diagnostizierten Tendenz zur Entauthentisierung von Äußerungen der Kandidaten einhergeht. Eine Ausnahme bildet hier die FAZ. Überhaupt sind die aufschlussreichen Informationen, die der Leser über Art und Umfang der Berichterstattung der vier ausgewerteten Zeitungen erhält, ein hochinteressanter Nebenaspekt speziell dieser Untersuchung. So wird z. B. nachgewiesen, dass die FAZ seit 1980 bei der Wahlkampfberichterstattung umfangmäßig klar vorne liegt (53), während sich in der SZ mit Abstand die meisten wertenden Aussagen finden (91). Inhaltsübersicht: 2. Wahlen und Wahlkampfberichterstattung als Forschungsgegenstand; 3. Anlage der Untersuchung; 4. Bundestagswahlen und Kanzlerkandidaten 1949-1998; 5. Der Umfang der Wahlkampfberichterstattung; 6. Formale Merkmale der Wahlkampfberichterstattung; 7. Anlässe und Themen der Wahlkampfberichterstattung; 8. Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung; 9. Kanzlerbonus oder Ausgewogenheit? Der Umfang der Berichterstattung über die Kanzlerkandidaten im Vergleich; 10. Zitierungsgrad und Authentizität; 11. Kandidatenbewertungen und politische Tendenzen; 12. Exkurs: Wahlkämpfe und Wählerbewegungen; Anhang (zusätzliche Tabellen und Schaubilder sowie Details zur Methodik der Untersuchung).
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.333 | 2.332 | 2.313 | 2.331 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Jürgen Wilke / Carsten Reinemann (Hrsg.): Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung. Köln/Weimar/Wien: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11846-kanzlerkandidaten-in-der-wahlkampfberichterstattung_14132, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14132 Rezension drucken