Nietzsche bemerkte in den Notizen zur Vorrede seines Werkes "Der Wille zur Macht": "Daß es [das Buch] deutsch geschrieben ist, ist zum Mindesten unzeitgemäß: ich wünschte es französisch geschrieben zu haben, damit es nicht als Befürwortung irgendwelcher reichsdeutscher Aspirationen erscheint." (11) Damit nimmt Nietzsche voraus, was Riedel im Untertitel dieses Bandes "Ein deutsches Drama" nennt und was mit der Herausgabe des "Willens zur Macht" durch Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche seinen Anfang nimmt. Diese machte aus "Ein Buch zum Denken" ein "Buch zum Handeln" und stieß einen Verzerrungsmechanismus an, in dessen Folge Nietzsches Philosophie trivialisiert, verfälscht und instrumentalisiert wurde. Der Hallenser Philosophieprofessor Riedel zeichnet auf ansprechende Weise die Eckpunkte dieser Missinterpretation nach: von der Entwicklung nationalsozialistisch-faschistischer Nietzschebilder und der Identifikation der Lehre vom "Willen zur Macht" mit dem Machtwillen der Nazis hin zur Ernennung des Philosophen zum "Staatsfeind" in der DDR in seiner vermeintlichen Funktion als philosophischer Wegbereiter für die Nationalsozialisten. Dazwischen liegt die Nachkriegsgeschichte der Rezeption, in der zweierlei Nietzsche-Debatten die ideologische Teilung Deutschlands vorausnahmen. Im letzten Abschnitt behandelt Riedel den ambivalenten Umgang mit dem Nachlass des Philosophen in der DDR. Er berichtet überzeugend über eine einmalige Rezeptionsgeschichte, wobei dem Philosophen hier die Ehre gereicht wird, welche ihm lange nicht oder nur falsch verstanden gewährt wurde.