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Eckhard Priller / Annette Zimmer

Der Dritte Sektor: Wachstum und Wandel. Aktuelle deutsche Trends. The Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project, Phase II

Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 2001 (Konzepte Stiftungen 2); 46 S.; brosch., 7,16 €; ISBN 3-89204-530-5
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Ehrenamt, Nonprofit-Organisationen oder Drittem Sektor hat - angestoßen nicht zuletzt durch die Bundes- bzw. Landespolitik - Konjunktur. Finanziell unterstützt wird diese Forschung auch durch private Institutionen. So hat die Bertelsmann Stiftung in den letzten Jahren u. a. die deutschen Teile des international vergleichend angelegten Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project gefördert. Die Broschüre ist Teil dieses längerfristigen Engagements der Stiftung. Aus der Perspektive des genannten Johns Hopkins-Projekts stellen die Autoren hierin zunächst zentrale Begriffsdefinitionen und Typologien vor und skizzieren die Datenlage für den bundesdeutschen Fall. Die Autoren können auf dieser Basis den Dritten Sektor und seine quantitative Entwicklung in den letzten Jahren international vergleichend skizzieren. Es zeigt sich, dass der Dritte Sektor in Deutschland durch seinen Beitrag zur Wirtschaft, zum Arbeitsmarkt und zur gesellschaftlichen und politischen Integration eine wichtige Rolle spielt. Dabei zerfällt der Dritte Sektor in der Bundesrepublik in zwei sehr ungleiche Teile: Im Gesundheits- und Sozialwesen dominieren hochprofessionalisierte, gemeinwohlorientierte, im Wesentlichen über staatlich gewährleistete Systeme der sozialen Sicherung finanzierte (Dach-)Verbände, in denen das Ehrenamt und die Selbstorganisation auf lokaler Ebene eine untergeordnete Rolle spielen. Letztere dominieren dagegen eindeutig bei Sport, Bildung, Kultur oder Bürgerinitiativen zu Umwelt und internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung. Insgesamt hat sich der bundesdeutsche NPO-Sektor von 1990 bis 1995 deutlich ausgeweitet und an Gewicht gewonnen. Obschon insbesondere in den neuen Bundesländern eine enorme Gründungswelle entsprechender Organisationen zu verzeichnen ist, sind wichtige Strukturunterschiede zwischen West und Ost erkennbar. Hervorzuheben sind die größere beschäftigungspolitische Bedeutung und die deutlich schlechtere Eigenfinanzierung der NPOs in Ostdeutschland. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern rangiert der Dritte Sektor in Deutschland im Mittelfeld. Dies alles sind wichtige, knapp und ansprechend präsentierte Befunde. Bestenfalls nur angerissen werden dagegen die besonderen historischen Traditionen der Selbstorganisation der deutschen Gesellschaft sowie der Entwicklung des deutschen Sozialstaats seit Beginn der industriellen Moderne um 1850. Das Subsidiaritätsprinzip erscheint hier entgegen seiner ursprünglichen Intention einer Begrenzung des staatlichen Handelns zu Gunsten der Selbstorganisation gesellschaftlicher (Groß-)Gruppen allein als Ursache und Motor staatlicher Einflussnahme und Verflechtung. Diskussionswürdig sind zudem die sehr negative Einschätzung der zukünftigen Rolle des Staates (44) und die Konsequenzen, die für die weitere Forschung aus der Einsicht zu ziehen sind, dass sich bei den Organisationen in Deutschland "noch kein 'Sektorbewusstsein' entwickelt" habe (10).
Antonius Liedhegener (LI)
Dr., wiss. Ass., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.uni-jena.de/svw/powi/sys/liedhege.html).
Rubrizierung: 2.342 Empfohlene Zitierweise: Antonius Liedhegener, Rezension zu: Eckhard Priller / Annette Zimmer: Der Dritte Sektor: Wachstum und Wandel. Gütersloh: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13830-der-dritte-sektor-wachstum-und-wandel_16575, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16575 Rezension drucken