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Julija Bogoeva / Caroline Fetscher (Hrsg.)

Sebrenica. Ein Prozeß. Dokumente aus dem Verfahren gegen General Radislav Kristić vor dem Internationalen Strafgerichtshof

Frankfurt a. M.: Suhrkamp Taschenbuch Verlag 2002 (edition suhrkamp 2275); 365 S.; 13,- €; ISBN 3-518-12275-4
Schätzungen gehen von 7.500 Menschen aus, die im Juli 1995 aus der UN-Schutzzone Srebrenica verschleppt und getötet wurden. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat im Verfahren gegen den bosnisch-serbischen General Kristi? die Tragödie von Srebrenica, ihr menschliches Leid, die unvorstellbaren Gräuel und das Maß des begangenen Unrechts aufzuarbeiten versucht. In ihrer Dokumentensammlung geben Bogoeva und Fetscher einen authentischen Einblick in die Verhandlungen in Den Haag. Wiedergegeben werden vornehmlich Zeugenaussagen, die kaum der Kommentierung bedürfen: „Es ging weniger darum, die völkerstrafrechtlichen Aspekte dieses Prozesses in den Vordergrund zu stellen, als die Zeugen zu Wort kommen zu lassen, deren Aussagen über ein Menschheitsverbrechen im späten 20. Jahrhundert in Europa das Publikum interessieren sollten." (28) Zu Wort kommen aus der Fülle von insgesamt 77 Zeugen unter anderem zwei Männer, die unter mehreren Schichten bereits erschossener Menschen die Massenexekutionen überlebt haben - aber auch ein niederländischer Blauhelmsoldat. Die Texte sind sorgsam ediert, ihr Kontext wird durch kursiv gesetzte Zusammenfassungen und Erläuterungen gewahrt. Der Edition vorangestellt ist eine Darstellung der Entstehungsgeschichte des Tribunals von Fetscher (11-27). Dem Verfahren entsprechend werden die Plädoyers von Anklage und Verteidigung dokumentiert sowie das Urteil vom August 2001, in dem Richter Almiro Rodrigues feststellt: „Im Juli 1995 haben Sie, General Kristi?, in das Böse eingewilligt, und deshalb verurteilt Sie dieses Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechsundvierzig Jahren." Rodrigues fügte hinzu: „Dennoch möchten wir auch zeigen, dass es hinsichtlich der auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens begangenen Verbrechen gewisse Menschen gibt, deren individuelle Verantwortung wesentlich größer ist als die Ihre." (297) Im Anhang finden sich weitere Dokumente, wie etwa der Bericht des UNO-Generalsekretärs zu Srebrenica mit seiner deutlichen Selbstkritik der Weltorganisation und Mitgliedstaaten oder der so genannte „Manning-Report" mit einer Zusammenfassung der forensischen Untersuchungsergebnisse bezüglich der Hinrichtungsstätten und Massengräber. Dem Buch sind Fotos, Karten, eine Zeittafel und weitere Literaturhinweise beigegeben.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.25 | 4.3 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Julija Bogoeva / Caroline Fetscher (Hrsg.): Sebrenica. Frankfurt a. M.: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16763-sebrenica_19260, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19260 Rezension drucken