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Günther Rüther

Literatur und Politik. Ein deutsches Verhängnis?

Göttingen: Wallstein Verlag 2013; 351 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-8353-1233-3
In der Vergangenheit gestaltete sich das zur Antithetik gesteigerte Verhältnis zwischen Macht und Geist als ein wechselseitiges Spiel um Vereinnahmung und Abgrenzung. Nicht nur, dass die Politik versuchte, Einfluss auf die Intellektuellen zu nehmen und diese für ihre Ziele zu instrumentalisieren, auch zahlreiche Schriftsteller haben sich selbst der Verführung durch die Macht hingegeben, da sie sich Vorteile davon versprachen. Günther Rüther beschränkt sich in seiner Betrachtung auf Deutschland, in dem das Jahrhunderte alte Wechselspiel von Macht und Geist besonders interessante Blüten getrieben und von denen der Autor eine kleine, aber eindrucksvolle Auswahl zusammengetragen hat. Dabei bleibt es jedoch nicht aus, dass er selbst in Antinomien denkt, die die Betrachtung verzerren und an einigen Stellen grob und unzulässig vereinfachen. Das gilt etwa für die Gegenüberstellung von Aufklärung und Romantik, die übersieht, dass Letztere von Ersterer inspiriert war und die Irrtümer des radikalen Vernunftdogmas durch eine gefühlsbetont‑ethische Komponente korrigieren wollte. In der in drei Teile gegliederten Studie eröffnet Rüther den Reigen mit Thomas Mann. Über Miniaturen von Franz Fühmann, Johannes Bobrowski, Anna Seghers, Christa Wolf, Günther de Bruyn, Herta Müller und anderen gelangt er zu einer Charakterisierung der Schreibbedingungen in der DDR und einer Gesamtanalyse der Rolle der Schriftsteller und des Staates im geteilten Deutschland. Die Konsequenzen dieses Spiels reichten dabei von der Anbiederung über die innere Emigration und die subtile Provokation bis hin zum aktiven Widerstand. Insbesondere in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung dann will der Autor eine Entspannung im beiderseitigen Verhältnis beobachtet haben. Die allerletzte Konsequenz aber, dass nämlich auch die Intellektuellen ohne die konstruierte Antinomie von Macht und Geist wie viele deutsche Parteipolitiker der Gegenwart bis zur Profillosigkeit abgeschliffen werden und damit als solche ganz grundsätzlich an Format verlieren könnten, wird von Rüther leider nicht thematisiert.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Günther Rüther: Literatur und Politik. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/168-literatur-und-politik_43573, veröffentlicht am 11.04.2013. Buch-Nr.: 43573 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken