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Vera Lengsfeld

Von nun an ging's bergauf ... Mein Weg zur Freiheit

München: Langen Müller 2002; 392 S.; 19,90 €; ISBN 3-7844-2857-6
Es gibt (Auto-)Biografien, die für eine ganze Generation, für ein ganzes Land stehen, obwohl und gerade weil sie ungewöhnlich sind. Dies trifft auf den Lebensweg der CDU-Politikerin Lengsfeld zu, die unter dem Namen Wollenberger eine bekannte DDR-Bürgerrechtlerin war. Ihr Schicksal hatte noch nach der Wende eine tragische Wendung genommen: Ihr Ehemann wurde als IM enttarnt, er hatte sie über Jahre hinweg bespitzelt. Lengsfeld beschreibt ausführlich ihren Weg von der SED in die Opposition. "Wir wollten das System nicht kippen, wir weichten es halb unbewusst von unten auf." (138) Die Stärke dieses Buches liegt in der Schilderung, wie sich die Oppositionsgruppen zusammengefunden und wie sie gearbeitet haben und warum sie trotz der Staatssicherheit existieren konnten. Die Rolle der IM in diesen Gruppen betrachtet Lengsfeld mit Fassungslosigkeit: "Überhaupt ist es eines der vielen unerklärlichen Phänomene, dass viele Inoffizielle Mitarbeiter außer für die Staatssicherheit auch tatsächlich für die Opposition gearbeitet haben." (212) Viele Aktionen wären nur durch die tatkräftige Hilfe Einzelner, die später enttarnt worden seien, möglich gewesen. Die Stasi und ihre IM zogen aber nicht in Betracht, dass die Bürgerrechtler erfolgreich sein könnten. Ein Grund für diese Einschätzung mag die "ideologische Verkettung mit einem sozialistischen Gesellschaftsmodell" (196) gewesen sein, die Lengsfeld davon abhielt, über die westlichen Medien eine Öffentlichkeit zu schaffen. Die schwersten Fehler wurden nach Lengsfelds Ansicht direkt nach der Maueröffnung gemacht: Die Bürgerrechtler hätten nicht in die Modrow-Regierung eintreten und diese so vor Kritik schützen dürfen. Auch sich mit der SED/PDS zusammen an den Runden Tisch zu setzen, sei falsch gewesen. Der SED/PDS habe es so ungehindert gelingen können, ihr Vermögen zu sichern und Regelungen zugunsten von Altkadern durchzusetzen, zum Beispiel mit der Vernichtung der Daten über die Auslandsspionage der Staatssicherheit. Aufschlussreich sind außerdem die Erlebnisse Lengsfelds mit den Anwälten Schnur und Gysi, wobei aus ihrer Aktenlage auch die Spitzeltätigkeit des Letzteren eindeutig hervorgehe. Vor diesem biografischen Hintergrund wäre für sie eine politische Zusammenarbeit mit der PDS völlig indiskutabel.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Vera Lengsfeld: Von nun an ging's bergauf ... München: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/17332-von-nun-an-gings-bergauf-_19942, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 19942 Rezension drucken