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Jörg Ulrich

Individualität als politische Religion. Theologisches Mucken und metaphysische Abgründe (post)moderner Subjektivität

Albeck bei Ulm: Verlag Ulmer Manuskripte 2002 (Sozialwissenschaften und Kultur); 343 S.; hc., 36,- €; ISBN 3-934869-77-7
Politikwiss. Diss. Gießen. - Leben wir in einer postreligiösen Gesellschaft? Der Autor verneint dies entschieden und analysiert, was Individualität von dieser Fragestellung aus betrachtet heute bedeutet. Er stützt sich dabei auf die Marx'sche Kapitalismustheorie und die Kritische Theorie Horkheimers sowie Adornos und geht von der Annahme aus, dass sich der Kapitalismus von den Menschen als konkreten Subjekten emanzipiert. Zugleich werde dem Individuum die höchste Bedeutung zugeschrieben. Mit der "Absolutsetzung des Individuums" aber gehe "sein Verschwinden im abstrakten Allgemeinen" (17) einher. In dieser "säkularen Religion" (20) gibt es keinen Gott als höhere Macht mehr. Stattdessen sei die Individualität heute "eine bestimmte geschichtliche Form politischer Religiosität" (21). Ulrich kann in dieser Entwicklung keine Befreiung des Menschen erkennen, sondern - folgerichtig vom marxistischen Ansatz aus - nur eine "Verfeinerung der Mechanismen von Macht und Herrschaft" (34 f.). Inhaltsübersicht: 1. Menschendämmerung: Das Individuum als Modernisierungsverlierer; 2. Religion und gesellschaftliche Integration; 3. Erkenntnissubjekt und Wirtschaftssubjekt - die Rückbindung des Individuums an wissenschaftliche und ökonomische Rationalität: Kant und Marx; Exkurs: Emanuele Severino: Metaphysik und Nihilismus; 4. Konsequenzen für die Lebenswelt: Alltagsbewusstsein, Alltagsreligion, funktionale Äquivalente; 5. Die Sektenhaftigkeit (post)moderner Individualität; Exkurs: Nietzsche und die nihilistische Logik der abendländischen Geschichte oder: Die geistigen Kollateralschäden der Modernisierung; 6. Der nihilistische Diskurs der Postmoderne: Das "Ende der großen Erzählungen" als große Erzählung; 7. Max Stirner: Kritik der Menschenrechte oder: Die Geburt des Un-Menschen aus dem Geist des freien Individuums; 8. Politische Religion; 9. Der Sturz Gottes in den metaphysischen Abgrund seines Begriffs.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.23 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jörg Ulrich: Individualität als politische Religion. Albeck bei Ulm: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/18442-individualitaet-als-politische-religion_21366, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 21366 Rezension drucken