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Thomas Lindenberger

Volkspolizei. Herrschaftspraxis und öffentliche Ordnung im SED-Staat 1952-1968

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2003 (Zeithistorische Studien 23); 503 S.; 49,90 €; ISBN 3-412-02003-6
Geschichtswiss. Habilitationsschrift Potsdam; Gutachter: C. Kleßmann, B. Kroener, H. G. Hockerts. - In den ersten zwanzig Jahren nach Gründung der DDR machten viele Volkspolizisten keinen guten Eindruck. Trotzdem leistete die Volkspolizei einen „substantiellen Beitrag [...] zur Errichtung und Konsolidierung der SED-Diktatur“ (14), wie Lindenberger eindrucksvoll nachweist, wobei er gleichzeitig am Beispiel der Volkspolizei das Ausmaß der sozialen Umwälzung in der SBZ/DDR nach Kriegsende beschreibt. Von Anfang an war sie den politischen Vorgaben der SED unterworfen, nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde ihre Funktion als Instrument der Herrschaftssicherung weiter ausgebaut. Als bewaffnetes Staatsorgan erschien die Volkspolizei in der Öffentlichkeit als „Militär, Repressionsorgan und Dienstleister für öffentliche Ordnung und Sicherheit“ (92). Der totalitäre Anspruch des SED-Regimes, der hinter diesen vielfältigen Funktionen stand, scheiterte aber immer wieder an der Wirklichkeit. Lindenberger nennt dafür nicht nur die Beispiele von Volkspolizisten, deren politische Weltanschauung nicht mit moralischer Standfestigkeit einherging. Auch am „Syndrom der staatsozialistischen Unterschichtung der Mehrheitsgesellschaft“ (413) durch unabhängige Jugendkulturen, die als „Rowdys“ kriminalisiert wurden, weist der Autor „den totalitären Charakter des Kontrollanspruchs des SED-Staates“ (422) nach. Die strukturellen Ursachen und Bedingungen jugendlicher Straffälligkeit seien aber konsequent tabuisiert worden, weil sie „das Scheitern des sozialistischen Projekts belegt“ (443) hätten. Allerdings sei der Umgang mit den „Rowdys“ eine der wenigen Brücken zwischen der SED und der DDR-Bevölkerung gewesen, „die die Kommunikation gemeinsamer Wertvorstellungen ermöglichte“ (443).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Thomas Lindenberger: Volkspolizei. Köln/Weimar/Wien: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/19785-volkspolizei_23027, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 23027 Rezension drucken