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Michael Lüders

Im Herzen Arabiens. Stolz und Leidenschaft - Begegnung mit einer zerrissenen Kultur

Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2004; 224 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-451-28347-6
Der Journalist Lüders war lange Jahre Redakteur bei der ZEIT. Er spricht Arabisch und beschäftigt sich seit langem intensiv mit dem Nahen Osten. Seinem Buch merkt man an, dass diese Region, die Kultur und die Menschen ihm am Herzen liegen. Mit großer Sympathie, aber keineswegs unkritisch zeichnet er ein farbenfrohes Bild der arabischen Kultur und Politik und ihrer Unterschiede zum Westen. Er stellt dem Leser Orte und Menschen vor, die stellvertretend für wichtige Elemente der arabischen Kultur stehen: alte Palästinenser, die von blutjungen Israelis gedemütigt werden, den 40-jährigen Abduh, der sich mit mehreren Jobs irgendwie über Wasser hält und vom Westen nur einige Klischees kennt, vier Frauen, die aus ganz verschiedenen Perspektiven ihr Leben in einer patriarchalischen Gesellschaft schildern und nicht zuletzt fanatisierte Islamisten sowie macht- und geldgierige arabische Politiker. Den Islamisten attestiert Lüders „Autismus", der ihn ebenso langweile „wie die Selbstgerechtigkeit der Lordsiegelbewahrer des christlichen Abendlandes, die unentwegt von der Verteidigung westlicher Werte schwadronieren und in erster Linie ihre eigenen Privilegien meinen." (20) Dem Westen wirft Lüders eine bornierte Ignoranz vor, die vor lauter Arroganz über die eigene, scheinbar überlegene Gesellschaft nur noch ein Abziehbild des arabischen Raums über die Bildschirme flimmern lasse. Er plädiert dafür, „eine andere Lebenswirklichkeit als gleichwertig anzuerkennen" (22). Dies sei der wichtigste erste Schritt um zu erkennen, was die Gründe für das größte Sicherheitsproblem der Gegenwart sind: „Das Gefühl politischer Ohnmacht und die eigene Perspektivlosigkeit, gepaart mit dem Vorwurf der Lüge und der Heuchelei an die Adresse des Westens: das ist der Nährboden, auf dem der islamische Fundamentalismus und der Dschihad-Terror gedeihen." (164) Materialismus und Machtpolitik sind für Lüders zu wenig, um den Menschen im arabischen Raum eine Perspektive zu bieten. „Wir haben keinerlei moralisches oder spirituelles Angebot, um die arabisch-islamische Welt für uns zu gewinnen." (165) Letztlich ist für Lüders also die Sinnkrise des Westens eng mit der trostlosen Unsicherheit im arabischen Raum verbunden. Er spart aber auch nicht mit Kritik an den politischen und ökonomischen Eliten im Nahen Osten. Diese breite Perspektive zusammen mit dem farbenfrohen Schreibstil des Verfassers machen das Buch zu einer hervorragenden Einführung in die Komplexität einer Region, von der gegenwärtig im Westen nur allzu holzschnittartige Zerrbilder gezeichnet werden.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.63 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Michael Lüders: Im Herzen Arabiens. Freiburg i. Br./Basel/Wien: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/20814-im-herzen-arabiens_24268, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 24268 Rezension drucken