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Frederik Obermaier

Land am Abgrund – Staatszerfall und Kriegsgefahr in der Republik Jemen

Marburg: Tectum Verlag 2010; 132 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2440-9
Die jüngsten Proteste gegen Präsident Saleh, die im Kontext der Demokratisierungsbewegung in der arabischen Welt stehen, haben auch den Jemen wieder in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt. Dieser Staat droht allerdings schon seit Längerem zu zerfallen und beherbergt zudem einen Teil von Al-Kaida, weshalb er als „ein evidentes Sicherheitsproblem für die internationale Gemeinschaft“ (10) betrachtet werden kann. Obermaier unterzieht die von außen eher verwirrend scheinenden Zustände im Land einer kompakten wie gründlichen Analyse. Dabei konzentriert er sich auf die möglichen Ursachen und auslösenden Faktoren eines Staatszerfalls. Die gute Nachricht lautet: „Noch ist der Jemen nicht zerfallen“ (62), die Zustände seien um ein Vielfaches besser als im nur wenige Kilometer entfernten Somalia. Allerdings erfüllt der Staat seine Sicherheitsfunktion nur noch rund um Sanaa und in Aden, tribale Gemeinschaften haben in den anderen Teilen des Landes ihre Macht gegenüber der Zentralregierung erhalten. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus den gesellschaftlichen Bruchlinien, wie Obermaier erklärt, die sowohl religiöser und tribaler Art sind als auch zwischen Männern und Frauen verlaufen. Weltweit sind die Frauen im Jemen am stärksten benachteiligt. Außerdem ist das Land unterdurchschnittlich entwickelt, fast die Hälfte der Kinder ist unterernährt. Diese Faktoren verschulden aber nicht zwangsläufig einen Staatszerfall. Obermaier identifiziert als maßgebliche auslösende Faktoren vor allem die delegitime Herrschaft von Präsident Saleh und die damit verbundene Korruption, außerdem die tribale Gewalt und die Präsenz von Piraten, Sezessionisten, Milizen und Al-Kaida – das Terrornetzwerk hat im Land bereits mehrere Anschläge verübt. Um dem Zerfall dieses semimodernen Staats entgegenzuwirken, rät Obermaier zur Unterstützung innerstaatlicher Lösungen. Nötig sei, neben einer umfassenden Entwaffnung und einer Stärkung der privaten Wirtschaft, eine Staatsreform, „die den Zentralismus als Basis von Korruption und Neopatrimonalismus und die daraus resultierende Delegitimität beseitigt“ (90). Über eine zweite, föderalistisch organisierte Parlamentskammer sollten lokal gewählte (und damit tribale) Politiker Einfluss nehmen können sowie Polizei und Gerichte gestärkt werden. Dieser innerstaatliche Lösungsweg sei auch angezeigt, wenn es zu Staatszerfall und Bürgerkrieg kommen sollte – der Einsatz westlicher Soldaten im Rahmen einer UN-Mission würde angesichts der vorhandenen Ressentiments wahrscheinlich eskalierend wirken.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.63 | 2.2 | 2.21 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Frederik Obermaier: Land am Abgrund – Staatszerfall und Kriegsgefahr in der Republik Jemen Marburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21743-land-am-abgrund--staatszerfall-und-kriegsgefahr-in-der-republik-jemen_40613, veröffentlicht am 29.09.2011. Buch-Nr.: 40613 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken