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Tom Koenigs

Machen wir Frieden oder haben wir Krieg? Auf UN-Mission in Afghanistan. Hrsg. von Joscha Schmierer

Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 2011 (Politik bei Wagenbach); 269 S.; 2. Aufl.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-8031-3637-4
Tom Koenigs, bereits UN-Sondergesandter im Kosovo und Leiter der UN-Mission in Guatemala, wird 2006 von den Vereinten Nationen gebeten, die Friedensmission in Afghanistan zu leiten. Seine während zweier Jahre gesammelten Eindrücke, geführten Gespräche und persönlichen Begegnungen schreibt er in an seine Familie und enge Freunde gerichteten Briefen nieder – sie wurden nun in leicht gekürzter Form veröffentlicht. Wer in Koeniges Aufzeichnungen glatte Formulierungen, Lobeshymnen auf die militärische Strategie und verbalen Beifall für das bisher Erreichte erwartet, der wird enttäuscht. Vielmehr legt Koenigs ein überaus (selbst-)kritisches, fast schon entlarvendes Zeitzeugnis vor, in dem er beispielsweise eingesteht, dass er zu Beginn seiner Tätigkeit als „uninformierter Erstankömmling aktuelle Fragen“ (16) gar nicht hätte beantworten können, allerdings bereits „unendlich viele Entscheidungen [treffen muss], deren Tragweite ich nicht übersehe, die aber dringend sind“ (19). Neben diesen auf die eigene Person bezogenen Reflexionen kann man auch die in vertraulichen Gesprächen gemachten Eingeständnisse von Militärs nachlesen – so etwa „gab der General freimütig zu, dass man aus der Kalten-Kriegs-Planung eigentlich noch gar nicht ausgebrochen sei […]. Gerade kauft man wieder Flieger, die für die Dritte Welt nichts taugen, und Panzer, die nirgends gebraucht werden; Großraumtransporter dagegen muss man von der Ukraine leihen“ (137). Und schließlich berichtet Koenigs von den zuhauf auftretenden Problemen: von den sprachlichen Barrieren und damit der Unmöglichkeit, sich nach offiziellen Terminen mit afghanischen Ministern informell zu unterhalten; von unlogischen Regeln, die besagen, dass Männer nur nach achtjähriger Schulausbildung als Wachposten fungieren dürfen oder von den Schwierigkeiten, die Ziele der UN und die Realität vor Ort an die Presse zu vermitteln. Außerdem hält Koenigs auch Gesprächsinhalte fest, die nicht unmittelbar etwas mit seiner Mission zu tun haben – so unter anderem eine Unterredung mit Wolfgang Schäuble, der bereits im Februar 2006 die Frage nach einer Neuausrichtung der Bundeswehr und damit verbunden die Umstrukturierung zur Berufsarmee aufwirft. Der Konservative spreche allerdings für „eine sicher verdienstvolle, aber doch vollkommen veraltete Politikergeneration“ (24), so Koenigs Eindruck. Insgesamt kann man sich dem Urteil Joscha Schmierers im Vorwort anschließen – die Briefe leben von „der Spannung zwischen der großen Aufgabe, vor die Tom Koenigs als höchster Vertreter der UN in Afghanistan gestellt war, und der er sich voller Engagement unterzog, und der distanzierten Ironie des Ex-Spontis und Außenseiters in der hohen Diplomatie.“ (12)
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 4.41 | 2.68 | 4.3 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Tom Koenigs: Machen wir Frieden oder haben wir Krieg? Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21755-machen-wir-frieden-oder-haben-wir-krieg_41816, veröffentlicht am 14.06.2012. Buch-Nr.: 41816 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken