Skip to main content
Peter Oliver Loew / Christian Prunitsch (Hrsg.)

Polen. Jubiläen und Debatten. Beiträge zur Erinnerungskultur

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2012 (Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt 30); 208 S.; brosch., 24,- €; ISBN 978-3-447-06560-3
Der Sammelband dokumentiert die Ergebnisse einer Ringvorlesung an der Technischen Universität Dresden und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2010/11. Ziel der Vorlesung war es, gegenwärtige Erinnerungskulturen in Polen zu untersuchen sowie wichtige Ereignisse und Persönlichkeiten für die polnische kollektive Identität darzustellen. Das Buch umfasst im Wesentlichen die bekannten Topoi der polnischen Erinnerungskultur, eignet sich aber gerade deswegen als kurzer und gut fassbarer Überblick. Ein solcher Topos ist der polnische Opferdiskurs, den Robert Traba als zentralen identitätsstiftenden Faktor der polnischen Meistererzählung vorstellt. Entstanden ist dieser Opfermythos in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als sich polnische Romantiker in Dichtung und bildender Kunst intensiv dem Verlust des Vaterlandes widmeten. In besonders gesteigerter Form zeigt sich das in Verbindung mit einem Messianismus, der Polen als den „Christus der Völker“ (31) stilisiert. Die Kontinuität dieses Opfermythos und der Streit, der sich daran entzündet, werden in den Auseinandersetzungen um die angemessene Würdigung der Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolensk noch einmal deutlich. Einem jüngeren Ort der polnischen Erinnerung widmet sich Basil Kerski in seinen Ausführungen über die Solidarność-Bewegung als europäische Revolution. Kerski betont, dass die Solidarność gleichsam der erste Stein des Dominos war, das die kommunistischen Regime Ost- und Mitteleuropas zu Fall brachte. Ob diese Tatsache in der deutschen Erinnerung so vergessen und verdrängt ist, wie es Kerski beschreibt, sei hier dahingestellt. Dass die Solidarność-Bewegung als Auslöser der osteuropäischen Revolutionen unterschätzt werde, schreibt er, liege auch daran, dass sie sich der Tradition europäischer Revolutionen bewusst widersetzte: Sie habe auf Gewalt, auf eine große Utopie und auf politische Erlösungshoffnungen verzichtet. Damit habe die polnische „Anti-Revolution“ (203) den Grundstein für eine neue politische Kultur jenseits totalitärer Utopien gelegt.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Peter Oliver Loew / Christian Prunitsch (Hrsg.): Polen. Jubiläen und Debatten. Wiesbaden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21963-polen-jubilaeen-und-debatten_42580, veröffentlicht am 22.11.2012. Buch-Nr.: 42580 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken