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Ferdinand Kroh

Wendemanöver. Die geheimen Wege zur Wiedervereinigung

München/Wien: Carl Hanser Verlag 2005; XII, 343 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-446-40271-3
Auf der Basis von Interviews schildert der Journalist Kroh seine Sicht auf die Vorgeschichte der Wiedervereinigung. Seit Jahren sei in den deutsch-deutschen Beziehungen und vonseiten der ehemaligen Alliierten an eine Föderation oder Einheit gedacht worden, dennoch habe die bundesdeutsche Seite 1988 ein sowjetisches Angebot zur Wiedervereinigung ignoriert. Dabei erweckt Kroh fälschlich den Eindruck, als ob die von den Sowjets geforderte Neutralität eines geeinten Deutschlands ein marginaler Aspekt gewesen sei. Im Übrigen greift Kroh Fakten auf, die längst bekannt sind, lässt aber alles ganz geheim erscheinen. Als ein Beispiel nennt er die Thesen des späteren außenpolitischen Beraters von Gorbatschow, Daschitschew. Dieser hatte ein Szenario zur Beendigung des Kalten Krieges entworfen, in dessen Mittelpunkt die damals ungeklärte deutsche Frage stand. Aber der Leser sollte besser zu Daschitschews Buch selbst greifen („Moskaus Griff nach der Weltmacht“, siehe ZPol 3/03: 1.767), um eine weniger verkürzte und weniger zugespitzte Darstellung zu erhalten. Weitere Beispiele ließen sich nennen. Krohs reißerische Darstellung kulminiert in nebulösen Spekulationen über die der RAF zugeschriebenen Attentate an Karl Heinz Beckurts, Gero von Braunmühl und Alfred Herrhausen. So interessant die Frage nach den Tätern und den Hintergründen dieser Morde auch sein mag, erhellen Krohs Hinweise auf die Machenschaften des MfS und anderer Geheimdienste nichts. Leider fördert Kroh beim Griff in die Klischeekiste auch antisemitische Stereotype zutage: Der britische Verleger Robert Maxwell muss als Protagonist der vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung herhalten. Insgesamt krankt das Buch an den vielen Unterstellungen und überspitzten Interpretationen der Ereignisse. Und warum überhaupt sollten die damaligen Akteure ihre Bemühungen – einer Verschwörung gleich – noch heute geheim halten? Wohl doch nicht nur, weil man in der Rückschau vieles besser weiß?
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.315 | 2.314 | 4.2 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ferdinand Kroh: Wendemanöver. München/Wien: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24640-wendemanoever_28461, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 28461 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken