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Benjamin Vauteck

Das Volk und seine Verfassung. Zur Kulturhermeneutik des liberalen Konstitutionalismus: USA und Kanada

Online-Publikation 2005 (http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=977779076); 228 S.
Diss. Erlangen-Nürnberg; Gutachter: J. Gebhardt, C. Kauffmann. – Nicht die US-amerikanische Verfassung biete sich als Vorbild für ein demokratisches „nation building“ beispielsweise im Irak oder auch in Russland und Osteuropa an, so das Fazit des Autors. Konstruktive Hinweise ließen sich vielmehr der kanadischen Verfassung entnehmen. Im Gegensatz zur US-amerikanischen habe diese in ihren sechs verschiedenen Fassungen seit 1763 stets unter dem Eindruck eines Konfliktes mit Minderheitennationalismen gestanden. Während man in den USA immer davon ausgegangen sei, dass sich die Verfassung nur an ein Volk richte, seien in Kanada seit 1867 durch Sprachrechte und föderale Strukturen die Minderheitennationalismen (als „deep diversity“ umschrieben) berücksichtigt worden. Als Pierre Elliott Trudeau mit dem „White Paper“ 1969 kollektive Rechte durch individuelle habe ersetzen und damit eine Synthese aus britisch-kanadischem und US-amerikanischem Konstitutionalismus habe schaffen wollen, so der Autor, sei das Gegenteil des von ihm erhofften eingetreten: Statt durch eine neue Verfassung ein kanadisches Volk zu erfinden, hätten sich die Minderheiten in ihrer kulturellen Identität bedroht gesehen – als Folge sei die Einheit des Staates nicht gefördert, sondern gefährdet worden. Übertragen auf den demokratischen Transformationsprozess im ehemaligen Ostblock oder im Irak bestehe die Gefahr, dass sich Minderheiten angesichts des als Vorbild propagierten kulturneutralen US-Modells fast notgedrungen vom liberalen Konstitutionalismus abwendeten, weil sie sich in ihren kollektiven Rechten benachteiligt sehen würden. Deren Nationenbildungsprojekte könnten damit radikal und illiberal werden. Die kanadische Erfahrung dagegen sei ein wichtiger Modellfall für eine andere Möglichkeit des liberalen Konstitutionalismus und biete Hinweise für die Entwicklungsmöglichkeiten anderer Staaten.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.64 | 2.21 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Benjamin Vauteck: Das Volk und seine Verfassung. 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/25966-das-volk-und-seine-verfassung_30189, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30189 Rezension drucken