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Michael Brenner

Propheten des Vergangenen. Jüdische Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert

München: C. H. Beck 2006; 400 S.; geb., 34,90 €; ISBN 978-3-406-54981-6
Die Geschichte des Judentums – ist das „die Geschichte einer Nation, einer Religionsgemeinschaft oder eines ganz anders zu definierenden Kollektivs“ (12)? Diese Frage wurde im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte immer wieder unterschiedlich beantwortet, je nach Standpunkt des Schreibenden und seines Lesers. Die Genese und Entwicklung der historischen Betrachtung des Judentums ist damit ein anschauliches Beispiel dafür, welchen gesellschaftlichen Einflüssen auch derjenige ausgesetzt ist, der nach einer objektiven Betrachtung strebt. Brenner, Professor für Jüdische Geschichte und Kultur in München, beschreibt die Genese seines Fachs beginnend mit dem 19. Jahrhundert, in dem die „Geschichtsschreibung in Form von umfangreichen Büchern mit Anmerkungen und Bibliographien eine traditionelle religiöse Form der Erinnerungskultur“ (298) ablöste. Am Beispiel herausragender Historiker veranschaulicht er die Verknüpfungen von Zeitgeist und wissenschaftlicher Arbeit: Meist suchten die Historiker zu belegen, dass die Juden eine gemeinsame Geschichte (und Zukunft) mit ihrem Heimatland hatten, sie warben also für eine moderne, offene Gesellschaft. So war es wohl auch nahe liegend, dass ihnen in einem besonderen Maße die Verantwortung für politische Ziele auferlegt wurde, wie Brenner schreibt, „da die Geschichte für die kollektive Selbstdefinition der Juden in der Moderne aufgrund des Fehlens von Staatlichkeit, von einheitlicher Sprache und zunehmend auch von religiösen Gemeinsamkeiten eine herausragende Rolle spielte“ (299). Brenner verweist auch darauf, dass die Juden bis in die Gegenwart – trotz ihres geringen Anteils an den Gesamtbevölkerungen – stets in den Medien präsent seien – nicht unbedingt, dass sie sich zu Wort meldeten, sondern dass über sie berichtet werde. Die Geschichte des Judentums sei mithin ein immer noch aktuelles Thema. Insgesamt ist Brenner durch seinen an den Biografien orientierten Ansatz ein geradezu einfühlsames Buch über die jüdische Geschichtsschreibung gelungen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 1.1 | 2.31 | 2.61 | 2.64 | 5.2 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Michael Brenner: Propheten des Vergangenen. München: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26469-propheten-des-vergangenen_30850, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30850 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken