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Heinrich August Winkler

Auf ewig in Hitlers Schatten? Über die Deutschen und ihre Geschichte

München: C. H. Beck 2007; 222 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-406-56214-3
Zusammengestellt sind Essays, mit denen sich der Historiker Winkler an ein breiteres Publikum wendet und die zuvor in Tages- und Wochenzeitungen erschienen sind, ergänzt um seine Abschiedsvorlesung an der Humboldt-Universität Berlin im Februar 2007. Der Bogen spannt sich chronologisch von einem Rückblick auf Preußen und die „sperrige Revolution“ (18) von 1848 bis zur Verknüpfung der polnischen Befreiung vom Kommunismus mit der deutschen Wiedervereinigung und zur Betrachtung des langen Wegs, den Europa zu einem gemeinsamen Bild vom Jahrhundert der Extreme zurücklegt. Winkler betrachtet die deutsche Geschichte damit im europäischen Kontext, seine Essays sind aber vor allem durch die Fragen, die er immer wieder stellt, eine ergiebige Lektüre: Am Beispiel der Revolution von 1848 zeigt er, dass sich monokausale Erklärungen verbieten, weil das Geschehen dafür oft viel zu kompliziert ist. In diesem Fall geht es um die Frage, ob die bürgerlichen Kräfte wirklich einfach nur zu schwach für eine vollständige Revolution waren oder ob sie nicht auch deswegen zurücksteckten, um einen großen Krieg zu verhindern. Die Frage nach den Maßstäben des politischen Handelns und der Bedeutung der Aufrichtigkeit in der Politik entfaltet Winkler auch etwa in seiner aufschlussreichen Schilderung, wie die Sozialdemokraten 1918/19 die historische Chance verpassen, durch eine Veröffentlichung der deutschen Kriegsschuld die weiteren Geschicke des Landes zu beeinflussen. Für den Tag der Machtübernahme Hitlers fragt Winkler außerdem nach Handlungsspielräumen und Alternativen. So zeigt sich die Geschichte keinesfalls als zwangsläufige Entwicklung, sondern als von Personen gemacht und dabei stark vom zeitlichen Kontext abhängig. Auch vertritt Winkler die Position, dass ein Historiker berechtigt ist, ein – aus der Geschichte heraus begründetes – Werturteil abzugeben. Hinsichtlich des Nationalsozialismus reiche der ethische Horizont, der schon vor 1933 existierte, sichtbar am Grundrechtsteil der „Weimarer Reichsverfassung und einer alten Wert- und Rechtstradition, die Deutschland mit dem Westen verband“ (104).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.31 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Heinrich August Winkler: Auf ewig in Hitlers Schatten? München: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28205-auf-ewig-in-hitlers-schatten_33178, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 33178 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken