Ruchniewicz, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Wrocław, stellt verschiedene historische Probleme des 20. Jahrhunderts vor: Die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus in Polen, die sowjetischen Kriegsverbrechen in Katyń, die polnische Erinnerung an den Aufstand im Warschauer Ghetto, die Reaktionen auf Willy Brandts Kniefall vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau 1970, die deutsche Wahrnehmung des Warschauer Aufstandes und das Jahr 1956 in Polen (1956 kam es in Posen zu einer Reihe von Streiks und Aufständen, die den Führungswechsel zu Gomułka, dem vorher geschassten Nationalkommunisten, bewirkten, der eine Tauwetterpolitik einleitete). Der umfangreiche Einleitungsaufsatz zum historischen Denken der Polen macht zuvor auf wichtige Eigenarten des polnischen Geschichtsdiskurses aufmerksam. Dass die Geschichtspolitik in Polen einen so breiten Raum einnimmt, ist beispielsweise aus deutscher Sicht nicht sofort verständlich und wird der polnischen Regierung gern zum Vorwurf gemacht. Wenn Ruchniewicz demgegenüber darauf aufmerksam macht, dass mangels einer nationalstaatlichen Tradition (die allen voran Deutschland/Preußen behinderte) für das nationale Selbstverständnis der Polen vor allem Sprache, Konfession, Kultur und Geschichte ausschlaggebend sind, dann ist für das gegenseitige Verständnis schon etwas gewonnen. Diese Sammlung zuvor bereits schon einmal publizierter Aufsätze (der Band enthält nur einen Originalbeitrag) wendet sich eher an Einsteiger in Sachen polnischer Geschichte. Es werden eine Reihe interessanter Quellen zum weiteren Studium vorgestellt.