Diss. Göttingen; Gutachter: E. Kuper, S. Gissendanner. – Zwischen dem europäischen und dem türkischen Minderheitenbegriff gibt es zurzeit noch gravierende Unterschiede. Daher bereitet das politische Beitrittskriterium „Achtung und Schutz von Minderheiten“ dem EU-Beitrittskandidaten Türkei die größten Probleme. Erinnert sei an die Problematik mit der kurdischen Minderheit sowie an die Diskriminierung von nicht-muslimischen Glaubensgemeinschaften. Unter Berücksichtigung der für das jeweilige Minderheitenverständnis unverzichtbaren historischen und politischen Hintergründe arbeitet Künnecke die unterschiedlichen Auffassungen der EU und der Türkei zum Minderheitenbegriff heraus. Diese stellt er sowohl dogmatisch als auch praktisch anhand der auf dem Gebiet der Türkei vom türkischen bzw. europäischen Minderheitenbegriff anerkannten und anzuerkennenden Minderheiten gegenüber. Schließlich zeigt er politisch realisierbare Wege zur Annäherung der divergierenden Minderheitenbegriffe auf, die zu einer Lösung des Problems im Rahmen der Beitrittsverhandlungen beitragen können. Der Autor kritisiert das bisherige Vorgehen der EU: Es sei versäumt worden, eine gemeinsame Begrifflichkeit in der Frage der Minderheiten herzustellen, was er aber für dringend erforderlich und für eine Voraussetzung zur Beurteilung des Minderheitenschutzes in der Türkei hält. „Denn wie soll seitens der EU festgestellt werden, ob die Türkei ausreichenden Minderheitenschutz gewährleistet, wenn die Türkei unter ‚Minderheiten’ etwas ganz anderes versteht als die EU?“ (239)