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Elke Fein

Rußlands langsamer Abschied von der Vergangenheit. Der KPdSU-Prozeß vor dem russischen Verfassungsgericht (1992) als geschichtspolitische Weichenstellung. Ein diskursanalytischer Beitrag zur politischen Soziologie der Transformation

Würzburg: Ergon 2007 (Spektrum Politikwissenschaft 38); XX, 695 S.; kart., 78,- €; ISBN 978-3-89913-561-9
Politikwiss. Diss. Bremen; Gutachter: W. Eichwede, F. Nullmeier. – Im November 1991 verbot der damalige russische Präsident Jelzin die Kommunistische Partei. Diesem Verbot folgte eine juristische Auseinandersetzung, der die Autorin eine außerordentliche Bedeutung zuspricht für den Transformationsprozess, die Entwicklung der politischen Kultur und die heutige Ausformung einer fehlerhaften Demokratie. Diese Schwerpunktsetzung ist insofern bemerkenswert, als die Kommunisten gegenwärtig in der russischen Politik kaum noch eine Rolle spielen. Fein argumentiert, dass dieser Gerichtsprozess, in dem die Partei um ihre Wiederzulassung kämpfte, die verpasste Gelegenheit einer geschichtspolitischen Weichenstellung gewesen sei – es sei keine klare Trennlinie zwischen dem alten kommunistischen System und der neuen Demokratie gezogen worden. Im Prozessverlauf sei den Kommunisten eine Selbstdarstellung als Opfer geglückt, was nicht nur ihrem faktischen moralischen Freispruch gleichgekommen sei. Sie seien sogar „als Garanten demokratischer Prinzipien in dem sich wandelnden Regime“ (645) aufgetreten. Entsprechend uneindeutig sei das Urteil des Verfassungsgerichts, das gerade erstmals in der russischen Geschichte konstituiert worden sei, ausgefallen: Das Verbot der KPdSU und der KP der Russischen Förderation wurde nur zum Teil für verfassungsmäßig erklärt. Verboten blieben die Führungsgremien, den Mitgliedern aber wurde erlaubt, auf der Grundlage der neuen russischen Verfassung neue Führungsstrukturen zu bilden. Fein zieht daraus den Schluss, dass das Verhältnis von Kommunismus und Demokratie „im normativ-symbolischen Raum des postsowjetischen Russland letztlich ungeklärt“ (648) blieb. Möglich sei dies aber nur gewesen, weil in den Eliten ein Grundkonsens über das Ziel der Transformation gefehlt habe. Das Projekt der Demokratie sei damit geschwächt worden mit der Folge einer politischen Kultur, in der unter Präsident Putin ein beachtlicher Teil der Bürger die „politische und symbolische Rückwendung zu bestimmten nicht-demokratischen Elementen des früheren Systems“ (650) begrüßt habe.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.622.22.212.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Elke Fein: Rußlands langsamer Abschied von der Vergangenheit. Würzburg: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28802-russlands-langsamer-abschied-von-der-vergangenheit_33981, veröffentlicht am 19.06.2008. Buch-Nr.: 33981 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken