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Arjun Appadurai

Die Geographie des Zorns. Aus dem Englischen von Bettina Engels

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009 (edition suhrkamp 2541); 159 S.; 12,- €; ISBN 978-3-518-12541-0
Die Komplexität der „Gesetze”, denen die Globalisierung zu folgen scheint, macht diese Entwicklung so schwer durchschaubar. Ein Kuriosum dieses Prozesses ist, dass es trotz des Zusammenrückens der Völker – oder vielleicht gerade deswegen – eine Tendenz zur Abgrenzung von anderen und zur Betonung der eigenen kulturellen Singularität gibt. Nicht selten mündet dies in Hass und Gewalt zwischen Gruppierungen, die einst friedlich miteinander gelebt haben. Dieses Phänomen lässt sich auf mehreren Ebenen beobachten: Nicht nur zwischen Völkern verschiedener Staaten, sondern auch zwischen unterschiedlichen Ethnien innerhalb eines Landes können zunehmend Spannungen auftreten, die im Extremfall genozidale Züge annehmen. So kann es dazu kommen, dass eine Minderheit allein durch ihre Existenz die Majorität derart verunsichert, dass sie in einem letzten Schritt Gewaltopfer dieser Mehrheit werden kann. Gleichzeitig werden durch die Gefahr der Homogenisierung aber auch Minoritäten in einen mitunter radikalen Selbstbehauptungskampf getrieben. Appadurai, Anthropologe und ausgewiesener Kenner der kulturellen Globalisierung, zeichnet ein Bild seiner indischen Heimat und versucht, zwischen dem Prozess der wachsenden globalen Vernetzung und dem zunehmenden Hass auf Minderheiten eine Brücke zu schlagen. In sechs kurzen Kapiteln, in denen er nahezu alle gesellschaftsrelevanten Themen streift, definiert er seine „Geografie des Zorns“ als einen räumlichen „Niederschlag einer komplizierten Wechselwirkung zwischen entfernten Ereignissen und intimen Ängsten, zwischen alten Geschichten und neuen Provokationen, zwischen versetzten Grenzen und ungeschriebenen Ordnungen” (118). Dass die Nationalstaaten dadurch vor neuen Herausforderungen stehen, ist unbestreitbar; dass sie aber als letzte „Dinosaurier verzweifelt um ihr Überleben kämpfen”, wie der Klappentext kündet, scheint angesichts der derzeitigen Krise, in der viele (Vielvölker-)Staaten als sehr vitale Akteure im internationalen System agieren, eines dieser Gesetze zu sein, die einer komplexeren Antwort bedürfen.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.2 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Arjun Appadurai: Die Geographie des Zorns. Frankfurt a. M.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29433-die-geographie-des-zorns_34828, veröffentlicht am 26.08.2009. Buch-Nr.: 34828 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken