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Edgar Wolfrum

Die Mauer. Geschichte einer Teilung

München: C. H. Beck 2009; 192 S.; geb., 16,90 €; ISBN 978-3-406-58517-3
Die Schrebergarten-Idylle im West-Berlin der 70er- und 80er-Jahre verleitet den Heidelberger Historiker Wolfrum zu dem Trugschluss, man habe sich dort damals mit der Mauer abgefunden – sie sei sogar praktisch gewesen, habe man doch in ihrem Windschatten prima Tischtennis spielen können. So kann nur jemand schreiben, der zu Mauerzeiten nie in der geteilten Stadt gelebt hat. Die persönliche Erfahrung hätte Wolfrum davor bewahrt, den (gebotenen?) politischen Gleichmut von Regierungen zu verwechseln mit dem Gefühl der Menschen, dass gerade hier, im Windschatten der Mauer, etwas grundsätzlich falsch ist. Ein Hinweis darauf hätten auch die Graffiti an der Mauer sein können, bei denen, wie Wolfrum feststellt, immer wieder „Symbole des Sich-Öffnens“ (115) auftauchten – dies war eben nicht nur Kunst, sondern auch ein immer wiederkehrendes politisches Statement. Aber abgesehen von dieser sehr westlichen Perspektive des Autors bietet das Buch einen soliden Überblick über die Geschichte der Mauer, inhaltlich gestrafft durch zugespitzte Fragen wie: „Warum rissen die Berliner am Morgen des 13. August 1961 die Mauer nicht ein“ (21); „Hat der Westen den Mauerbau provoziert?“ (41) Wolfrum erläutert, dass der „Begriff des ‚antifaschistischen Schutzwalls’“, wie die SED-Führung die Mauer taufte, „in der Logik der Ideologie und des Gründungsmythos der DDR“ stand, verstanden als friedenserhaltende Maßnahme für die „gesamte sozialistische Schicksalsgemeinschaft“ (81). Dargestellt wird auch der Bedeutungswandel der Mauer von einem „Zeichen der Unterdrückung“ zu einem „Symbol für einen erfolgreichen und gewaltfreien Freiheitskampf“ (142). Wolfrum wirft noch einen kurzen Blick auf die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und zeigt die rechtlichen Schwierigkeiten der Strafverfolgung auf. Abschließend erinnert er an heutige Mauern zwischen den USA und Mexiko, zwischen Israel und palästinensischen Gebieten, in Kaschmir und auf Zypern. „Angesichts dieser Vermauerung der Gegenwart zerrinnen die Hoffnungen des Mauerfalls von 1989 ins Utopische.“ (162)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.313 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Edgar Wolfrum: Die Mauer. München: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30566-die-mauer_36298, veröffentlicht am 29.04.2009. Buch-Nr.: 36298 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken