Europa backstage. Expertenwissen, Habitus und kulturelle Codes im Machtfeld der EU
Diss. HU Berlin; Gutachter: W. Kaschuba, B. Binder. – Die Autorin taucht in die Welt der europäischen Eliten von morgen ein und beschreibt Studierende des Europakollegs in Brügge und Natolin. Sie geht dabei ethnologisch „ins Feld“, quasi als ob es sich um eine fremde Kultur handeln würde. Dabei versucht Poehls zu veranschaulichen, wie die Institution ihren Mythos als Geburtsstätte des „Homo Europaeus“ fortlaufend erhält. Dieses Selbstverständnis unterscheide das Kolleg von anderen vergleichbaren Einrichtungen wie etwa Elite-Unis. Die teilweise in Ich-Form verfassten Beschreibungen sind allerdings wenig überraschend. Das Kollegmilieu sei durch ein hohes Maß an kultureller Heterogenität und zugleich sozialer Homogenität gekennzeichnet. Die Absolventen würden vor allem einen Habitus erlernen, der für die spätere Arbeit in EU-Institutionen wichtig sei. Der Gefahr, in hochtrabendem Duktus Banalitäten zu reflektieren, ist sich die Autorin bewusst. So zeigt sie, dass entgegen der Selbstverlautbarungen des Kollegs die Absolventen keineswegs ein konformes Selbstverständnis als EU-Europäer entwickeln. Vielmehr seien sie „Biographiestrategen“ (241), die sehr professionell einzelne Identitätsschichten situativ einsetzten. Die große Entmystifizierung europäischer Narrative ist Poehls allerdings nicht gelungen. Gerade an der ethnologischen Herangehensweise interessierte Politikwissenschaftler werden zudem einen Theorieteil vermissen, der die Vorteile und Probleme dieser empirischen Methode erörtert.