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Robin Celikates

Kritik als soziale Praxis. Gesellschaftliche Selbstverständigung und kritische Theorie

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2009 (Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 13); 272 S.; kart., 29,90 €; ISBN 978-3-593-38885-4
Kritische Gesellschaftstheorie – verstanden als Versuch, die (oft unsichtbaren) Strukturmuster herauszuarbeiten, die das Handeln sozialer Akteure leiten und zugleich einschränken, steht seit jeher vor dem grundsätzlichen Problem, die Beziehung zwischen handelndem Akteur und sozialwissenschaftlichem Beobachter angemessen zu konzipieren. In den Augen einer orthodoxen kritischen Sozialwissenschaft sind gesellschaftliche Akteure dabei Gefangene einer Ideologie, was einen notwendigen Bruch zwischen Teilnehmer- und Beobachterperspektive nach sich zieht: Das Aufdecken solcher ideologischer Strukturen erfordert eine objektive, wissenschaftlich informierte Position des Beobachters, welcher der realen Welt quasi enthoben ist und dessen Perspektive gar im Gegensatz zu den kritisierten Akteure stehen muss. Dies ist insofern problematisch, als damit sozialen Akteuren jegliche Fähigkeit zur Reflexivität abgesprochen wird. Neuere, interpretative Ansätze, greifen diese Kritik auf und stellen das Selbstverständnis der Akteure und die Formen seiner Artikulation in den Mittelpunkt – begehen dabei jedoch den umgekehrten Fehler, lediglich „die Naivität der Akteure in die Theorie“ (23) zu verlängern. Theorie verkommt damit zur Selbstbeschreibung und verzichtet auf jeglichen kritischen Anspruch. Am Beispiel der kritischen Sozialwissenschaft Bourdieus und der Moralsoziologie Boltanskis zeichnet Celikates diese Debatte nach (und leistet zugleich eine hervorragende Einführung in die moderne französische Sozialphilosophie). Darauf aufbauend entfaltet er eine eigene Position. „Kritik als soziale Praxis“ greift den Habermas’schen Gedanken der Rekonstruktion auf, knüpft an die alltäglichen Praktiken und reflexiven Fähigkeiten der Akteure an, entwickelt diese jedoch gleichsam weiter, indem sie sowohl strukturelle Unterschiede als auch Einschränkungen der Kritikfähigkeit analysiert.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.2 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Robin Celikates: Kritik als soziale Praxis. Frankfurt a. M./New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31061-kritik-als-soziale-praxis_36931, veröffentlicht am 10.02.2010. Buch-Nr.: 36931 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken