Die "Nation" auf dem Prüfstand/La "Nation" en question/Questioning the "Nation"
Der Band ist das Ergebnis des zweiten „Transatlantischen Dialogs“ vom Januar 2006, einer trinationalen Veranstaltung von französischen, deutschen und US-amerikanischen Hochschulen. In den Beiträgen wird das Spannungsverhältnis von Nation, Europäisierung und Globalisierung aus geschichts-, politik-, sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive ausgelotet. Die Nation als „mentale und ideologische Konstruktion“ (3) betrachtend umreißt Hans-Jürgen Lüsebrink die historische Entwicklung von Nations- und Nationalstaatsbildung innerhalb und außerhalb Europas. Er zeichnet damit zugleich den Rahmen für die weiteren Beiträge, in denen es u. a. um Ideen und Symboliken des Nationalen (etwa Sprachenpolitik oder die Rolle des Fußballs), um Selbst- und Fremdwahrnehmungen (etwa im deutsch-französischen Verhältnis) sowie um Konflikte und Erinnerungsmuster geht. Anhand der algerischen Arbeitsmigration nach Frankreich zeigt Marion Abssi, dass Nationsbildungsprozesse auch außerhalb der Nation verlaufen können. Und in ihrer Analyse des philippinischen Nationsbildungsprozesses beschreibt Jennifer Lawonn, wie die religiöse Interpretation innergesellschaftlicher Konflikte die sozioökonomischen, politischen und ethnischen Gegensätze verschleiert. Ein weiterer Themenbereich ist die Frage nach der europäischen Identität sowie deren Wechselwirkung mit transnationalen Vernetzungen. Sabine von Oppeln skizziert die jüngere Identitätsdebatte und verweist auf die Probleme einer kulturell begründeten europäischen Identität. Eine Alternative sieht sie in der postmodernen Identität, die „nicht über kulturelle Überlieferungen, sondern über die Politisierung der europäischen Politik als Quelle demokratischer Vitalität, Handlungsfähigkeit und Verantwortung“ (146) entstehe. Dabei könne die Herausbildung europäischer Identität komplementär zu nationalen oder regionalen Identitäten erfolgen.