Einen hervorragenden Sammelband legt der in Dresden lehrende Zeithistoriker Henke vor. Gegenüber anderen Veröffentlichungen zum Jubiläumsjahr zeichnet ihn einerseits die hohe Zahl von 37 Autoren aus, unter ihnen ausgewiesene Fachleute zum Thema, die dem Buch seinen beeindruckenden Umfang verleihen. Andererseits, und dieser Punkt ist entscheidend, hat Henke seine Autoren thematisch ungemein klug ausgewählte Einzelbeiträge schreiben lassen, die zwar jeweils breit ansetzen, sich aber dennoch inhaltlich kaum überlappen. Durch ihre überlegte Zusammenstellung und die durchschnittliche Länge der Beiträge von 20 Seiten entsteht so ein Kompendium – wenn nicht schon fast ein Handbuch – der politischen Wende in Ostdeutschland. Eingerahmt von essayistischen Gesamtdeutungen Richard Schröders und Charles S. Maiers wird die Lage der DDR‑Wirtschaft ebenso betrachtet wie die Rolle der Kirchen und der Bürgerrechtsgruppen. Eigendynamiken wie die nationalistische Wende innerhalb der Wende, der Untergang von Staatssicherheit und Staatspartei und die Bedeutung von individuellen Wirkungen etwa Bärbel Bohleys oder der Leipziger Nikolaikirche werden in leicht zu lesenden und dennoch wissenschaftlichen Aufsätzen nachgezeichnet. Im zweiten Teil des Bandes findet die Außenwirkung der deutschen Ereignisse ihre Beachtung: Die Reaktionen der Besatzungsmächte werden in einzelnen Texten gewürdigt, ebenso die der unmittelbaren sozialistischen Nachbarstaaten der DDR. Henke ist eine für Kenner wie Interessierte gleichermaßen anregende und kurzweilige Publikation gelungen, der viele Leser zu wünschen sind.