Abschied von der Gerechtigkeit. Für eine Neujustierung von Freiheit und Gleichheit im Zeichen der Krise
Die Herausgeberinnen verstehen den Sammelband als liberale Reaktion auf die von ihnen ausgemachte zunehmende Linksorientierung der politischen Öffentlichkeit, die sich durch Debatten um Mindestlöhne, Managergehälter und soziale Gerechtigkeit sowie die Forderung nach interventionistischem Handeln angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise bestätigt sieht. Hier setzen die Beiträge von Gerhard Schwarz, Christoph Lütge und Beat Kappeler an, die sich gegen eine moralisch begründete Verurteilung marktwirtschaftlicher Mechanismen wenden. Programmatisch wollen die Autoren auf unterschiedliche Wiese eine Neudefinition des Begriffs der sozialen Gerechtigkeit erreichen, indem sie ihn im Rahmen liberaler Ordnungsvorstellungen pluralisieren (Viktor J. Vanberg), ihn zugunsten einer Individualethik aufgeben (Michael Hüther) beziehungsweise ihn durch das Surrogat „Chancengerechtigkeit“ ersetzen (Robert Vehrkamp) oder unter Rückgriff auf Aristoteles soweit differenzieren, dass jede Orientierung der Verteilungsgerechtigkeit zwangsläufig als Aufkündigung der ausgleichenden Gerechtigkeit erscheint. All dies wäre interessant, wenn dem Leser nicht der Verdacht beschleichen würde, hier würden Szenarien entworfen und mehr oder weniger subtile Differenzierungen eingeführt, nur um das eigene politische Werturteil zu rechtfertigen. Es ist bezeichnend, dass die Herausgeberinnen, eine sozialphilosophische Abhandlung ankündigend, den abschließenden Essay von Paul Nolte als „Glanzstück des Buches“ (22) bezeichnen, in dem der philosophierende Historiker Verteilungsgerechtigkeit nur polemisch als gesinnungsethische Romantik verurteilen kann, die zur Nordkoreanisierung der bundesdeutschen Gesellschaft führen müsse.