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Karl H. Stingeder

Die Causa Nordkorea. Wie berechenbar ist das totalitäre und isolationistische Regime wirklich?

Marburg: Tectum Verlag 2009 (Politikwissenschaften 20); 115 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-9964-3
Westliche Medien vermitteln vom kommunistischen Regime Nordkoreas häufig das Bild eines Akteurs, dessen irrational anmutende Politik allein in ihrer Unberechenbarkeit berechenbar erscheint. In Wahrheit sind dessen Aktivitäten jedoch weder irrational noch unberechenbar, noch handelt es sich überhaupt um ein kommunistisches System im klassischen Sinne – so lassen sich Stingeders Erkenntnisse vielleicht am besten zusammenfassen. In kurzen Kapiteln befasst sich der Autor unter anderem mit der Politik des Isolationismus, der Priorisierung des Militärs, die die Partei der Arbeiterklasse mehr oder weniger zu einem Statisten in den Machtstrukturen des Landes gemacht hat, und mit der seit 1967 alles beherrschenden Juche-Ideologie, die eine Autarkie propagiert, der sich das Land niemals auch nur ansatzweise genähert hat. Diese in den Rang einer religiösen Lehre erhobene Doktrin Kim Il-Sungs erweist sich dabei als vielseitiger als angenommen, denn sie kann nicht nur alles, was im Interesse des Regimes ist – sogar radikale Reformen – begründen, sondern durch sie würde sich jede Aktion gegen die Führung zugleich auch gegen den ewigen Präsidenten und omnipräsenten Übervater selbst richten. Hinzu kommen Hierarchien, die sich nicht mehr mit der marxistischen Lehre, sondern vielmehr mit einem Konfuzianismus begründen lassen, der Respekt vor den Älteren einfordert und dadurch einen Aufstand der Jungen verhindert. Stingeder, dessen Thesen die Politik Nordkoreas tatsächlich in ein rationales Licht rücken, bietet nach einem weiteren Exkurs auf das militärische Potenzial am Ende einen geopolitischen Ausblick auf eine Region, in der der Zusammenbruch Nordkoreas Hoffnungs- und Schreckbild zugleich ist. So plausibel die Argumentation des Autors dieser lesenswerten Studie ist, so steht auch er vor dem Problem einer lückenhaften Datenlage, die viele Fragen offenlassen muss. Sein immer wiederkehrender Einwurf: „laut Ansicht des Verfassers” zeugt jedoch von einer Unsicherheit über die Verhältnisse vor Ort, die der Isolationsstrategie des Regimes den berechneten Erfolg bescheinigt.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 4.22 | 2.68 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Karl H. Stingeder: Die Causa Nordkorea. Marburg: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31602-die-causa-nordkorea_37639, veröffentlicht am 28.01.2010. Buch-Nr.: 37639 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken