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Thomas Kestler

Parteien in Venezuela. Repräsentation, Partizipation und der politische Prozess

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2009 (Studien zu Lateinamerika 3); 393 S.; brosch., 64,- €; ISBN 978-3-8329-4938-9
Diss. Eichstätt‑Ingolstadt. – Nach einer gründlichen theoretischen Einführung in die Frage, welche Formen der politischen Repräsentation einer Demokratie dienlich sind, sowie einer chronologischen Betrachtung der Parteiengeschichte Venezuelas im 20. Jahrhundert stellt der Autor fest, dass die Parteiorganisationen des Landes „nicht als Arenen der Interessenvermittlung“ (290) funktionieren. Formal erschien der Staat nach dem Ende der Diktatur 1958 zwar als Demokratie, so das Ergebnis der Analyse. Das Parlament aber arbeitete mindestens bis in die 80er‑Jahre hinein unprofessionell, die Ausschüsse waren unbedeutend, die Abgeordneten verfügten weder über Büros noch über Mitarbeiter. Und die Parteien, die den politischen Prozess gestalten sollten und die Abgeordneten stellten, boten gerade kein Forum für die Artikulation von Interessen, sondern kolonialisierten im Gegenteil andere gesellschaftliche Bewegungen wie die Gewerkschaften. Auch spielten ihre politischen Programme kaum eine Rolle, im Vordergrund stand stets der Präsidentschaftskandidat. „Wie auf der Ebene des politischen Systems entsprachen die Parteien auch in ihren internen Strukturen zwar in formaler, nicht aber in funktionaler Hinsicht den Kriterien eines Parteienstaates“ (315), so das Fazit des Autors, der die Ansicht vertritt, dass die Rahmenbedingungen des politischen Systems Rolle und Funktion der Parteien bestimmen. Der Klientelismus hat zudem sogar dazu geführt, dass Politik als „Nullsummenspiel“ (316) angesehen wurde, weil Interessen nur direkt artikuliert und erfüllt werden konnten. Diesem traditionellen Muster entspricht nach Ansicht Kestlers auch die Movimiento Quinta República, auf die sich Chavez stützte – dieser sei allerdings dann noch einen Schritt weitergegangen: Mit dem „Chavismo“ (353) seien die zentralen Funktionen der Parteien – Institutionalisierung und Kontrolle des politischen Prozesses – gänzlich entfallen, als einzige Aufgabe sei die Kandidatenaufstellung übrig geblieben. „Der Chavismo wird wohl als Präzedenzfall und als abschreckendes Beispiel dafür in Erinnerung bleiben, wie auf elektoralem Weg die Demokratie ausgehebelt werden kann.“ (363)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Thomas Kestler: Parteien in Venezuela. Baden-Baden: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31900-parteien-in-venezuela_38040, veröffentlicht am 01.04.2010. Buch-Nr.: 38040 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken